zum Hauptinhalt
Guben unter Schock. In der Nacht zum 13.Februar 1999 war an dieser Stelle in Guben der Algerier Omar Ben Noui verblutet, als er bei seiner Flucht vor einer Gruppe ausländerfeindlicher Verfolger in eine Scheibe sprang. Kinder legten Blumen nieder. Seine eigene Tochter lernte Omar Ben Noui nie kennen.

© Bernd Settnik/dpa

Rassistische Hetzjagd in Guben: Spendenübergabe nach 19 Jahren

Im Jahr 1999 starb Farid Guendoul alias Omar Ben Noui nach einer rassistischen Hetzjagd in Guben. Viele Menschen sammelten danach für seine damals noch ungeborene Tochter. Jetzt erhielt sie das Geld.

Von Sandra Dassler

Guben - Was wird aus einem Kind, dessen Vater bereits vor seiner Geburt durch eine fremdenfeindliche Hetzjagd ums Leben kam? Diese Frage stellten sich nach dem 13. Februar 1999 viele Menschen in ganz Deutschland. Und sie spendeten Geld für das ungeborene Kind von Farid Guendoul, der in jener kalten Februarnacht in der Neiße-Stadt auf der Flucht vor mörderischen Verfolgern in einem Treppenhaus verblutete.

In Todesangst hatte der 28-jährige Algerier die Türscheibe eines Wohnhauses eingetreten, um sich dort in Sicherheit zu bringen, und sich dabei die Hauptschlagader verletzt. Jeder hätte ihm das Bein abbinden und ihn damit retten können, hieß es später im Prozess gegen seine Verfolger. Doch die Hausbewohner hatten Angst und als der von ihnen gerufene Notdienst eintraf, war es zu spät: Farid Gouendoul, der es trotz seiner Herkunft aus einem Armenviertel in Algier geschafft hatte, in seiner Heimat Flugzeugtechnik zu studieren, der so sehr gehofft hatte, in Deutschland Arbeit zu finden, der sich hier Omar Ben Noui nannte, weil er ja um politisches Asyl gebeten hatte und seine Familie zu Hause nicht in Gefahr bringen wollte, Farid Guendoul hatte es dieses Mal nicht geschafft.

Tochter Dahlia wird sechs Monate nach dem Tod ihres Vaters geboren

Seine deutsche Freundin brachte sechs Monate später seine Tochter Dahlia zur Welt, verließ Guben aber einige Zeit später – vielleicht, um nicht immer und immer wieder an die Tat erinnert zu werden. Oder gar in die Gesichter jener zu blicken, die milde Strafen erhielten und kaum Reue zeigten. Im Gegenteil: Der Hass ihrer Gesinnungsgenossen ging so weit, mehrmals den Gedenkstein für Farid Guendoul zu schänden.

Dabei geriet das andere, das anständige Guben fast in Vergessenheit, sagt Pfarrer Dschin u Oh von der Evangelischen Kirchengemeinde: „Diese fürchterliche Tat hat das Bild von Guben natürlich geprägt. Zum Glück ist die Realität wie so oft anders.“ Dschin u Oh ist 2015 nach Guben gekommen und – selbst Sohn eines Südkoreaners – ist hier sehr herzlich aufgenommen worden, erzählt er. Bald erfuhr er auch von dem Geld, dass vor 19 Jahren für Farid Gouendouls Kind gesammelt und von der Kirchengemeinde treuhänderisch verwaltet wurde. „Wir haben wirklich lange nach der Tochter gesucht, denn der Kontakt war nach dem Wegzug der Mutter abgebrochen“, erzählt er: „Letztlich ist es der Klugheit und Hartnäckigkeit unserer Sekretärin Madlen Werner zu verdanken, dass wir Dahlia endlich fanden.“

„Ich möchte Danke sagen – all den Menschen, die Mut, Courage und Mitgefühl gezeigt haben"

Mehrere tausend Euro – die genaue Summe will die Gemeinde nicht nennen – wurden nun der inzwischen 18-jährigen Tochter überreicht. „Sie hat sich sehr gefreut“, sagt Pfarrer Dschin u Oh, „und wir haben uns gefreut, dass sie so eine sympathische, freundliche junge Frau ist, die sehr offen mit der nicht ganz alltäglichen Situation umging.“ Nur ihre Privatsphäre wolle sie geschützt wissen und deshalb kein Foto und auch nicht ihren Nachnamen in der Öffentlichkeit sehen.

„Aber sie bat uns, allen Spendern ihren Dank zu überbringen“, sagt der Pfarrer. Er hatte Dahlia in der vergangenen Woche gemeinsam mit Mitarbeitern der Stadt zum Gedenkstein vor dem Hauseingang in der Gubener Hugo-Jentsch- Straße begleitet. Auch eine Beratererin des Potsdamer Vereins Opferperspektive, der vor Jahren auch für Farid Gouendouls Familie in Algier Geld gesammelt hatte, war dabei. Tochter Dahlia, die nach Ansicht der Gubener Integrationsbeauftragten Regina Bellack, „mit beiden Beinen im Leben steht“, war überwältigt. „Ich möchte Danke sagen – all den Menschen, die Mut, Courage und Mitgefühl gezeigt haben und die Spenden für mich gesammelt haben“, sagte sie: „Es zeigt großen Respekt für die Situation von Menschen, denen etwas Schlimmes widerfahren ist, die man nicht kennt und mit denen man nicht familiär und freundschaftlich verbunden ist. Danke für die Hilfe!“

Zur Startseite