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Rainald Grebe.

© Sarah Kugler

Rainald Grebe im Autohaus Schwedt: Zwischen Autos und Sternen

Rainald Grebe gab ein Konzert im Schwedter Autohaus – und brachte Achim Mentzel gleich mit

Von Sarah Kugler

Schwedt- Es existiert tatsächlich. Das von Rainald Grebe besungene Schwedter Autohaus. Nahe dem Schwedter Busbahnhof, eingekesselt zwischen anderen Autohäusern. Es gibt sogar eine Bushaltestelle direkt daneben. Viele Menschen scheinen dort normalerweise nicht auszusteigen, zumindest blickt der lokale Busfahrer etwas erstaunt, als er nach der Haltestelle gefragt wird. Überhaupt ist der Bus leer am Donnerstagabend gegen 19 Uhr. Gerade mal drei Fahrgäste sitzen in der Linie 481, auf den Straßen ist niemand, der Sternenhimmel erstreckt sich weit über der dunklen Stadt.

Im Schwedter Autohaus hingegen tobt das Leben. Da tritt er nämlich heute auf. Der Brandenburg-Barde höchstpersönlich: Rainald Grebe. Im Rahmen der rbb-Aktion „Meine Entdeckung“ gibt der Liedermacher ein kleines Konzert vor etwa 40 Gästen, allesamt ausgelost. Offizielle Karten konnten nicht gekauft werden. Natürlich gucken ab und zu Neugierige um die Ecke, das Autohaus wird zur Eventlocation. Kurz vor dem Konzerttermin soll sogar die Facebook-Seite des Autohauses – ja, auch die existiert tatsächlich – zusammengebrochen sein. Grebe hat eben Kultstatus – auch oder vielleicht gerade im Land Brandenburg.

Pünktlich um 20 Uhr hat er seinen großen Auftritt: Mit Achim-Mentzel-Gedächtniskostüm und im roten Cabriolet rollt er in das Autohaus ein. Die schwarze Perücke sitzt locker, der Schnauzer etwas schief, der künstliche Bierbauch hängt halb aus der Trainingshose raus. Und doch scheint es liebevoll komponiert. Fast so, als wolle Grebe sagen: So, nun hat Achim Mentzel, der im vergangenen Jahr verstorbene Volksmusik-Star, eine Ost- Ikone, das Autohaus doch noch gefunden. Kurz hängt ein Hauch Besinnlichkeit in der Luft. Doch Grebe wäre nicht Grebe, wenn er die nicht sofort wieder wegklatschen würde – im wahrsten Sinne des Wortes. Barsch herrscht er das Publikum an, sein einstimmendes Schlager-Medley mit rhythmischem Klatschen zu begleiten. Ein unauffälliger Auftritt geht bei ihm eben nicht, ein leiser Showauftakt mit säuselnden Worten sowieso schon nicht. Das Publikum liebt ihn gerade deswegen, schon nach der ersten Nummer gibt es tränenüberströmte Gesichter, immer wieder gibt es Zwischenapplaus, das Lachen reißt nicht ab.

Grebes Energie auch nicht. Sein nächster Akt: schwarze Vogelaufkleber an die Scheibe des Autohauses kleben. Der Hauschef steht etwas hilflos daneben, der Barde beschwichtigt: Bei Tageslicht würde das ja auch viel besser zur Geltung kommen, das könne man jetzt nur noch nicht sehen. Zur Ablenkung gibt es dann erst mal einen Song. Selbstverständlich selbst begleitet am schwarzen Flügel, gesungen mal mit tiefromantischer Stimme, dann wieder fast schreiend. Immer dabei: die so Grebe-typischen Gesichtsentgleisungen. Weit aufgerissene Augen, spöttisch verzerrter Mund, ein immer angespannter Körper. Die Mentzelverkleidung ist längst gewichen, Kunstbauch und -bart auf die Bühne geflogen.

In den folgenden eineinhalb Stunden gibt er Lieder wie „Ich bin ihr Kandidat“ oder „Junge“ zum Besten, besingt die Unterschiede zwischen Abend- und Morgenland sowie natürlich das schöne Brandenburg. Zwischendurch verrät er dem Publikum, warum man nach Brandenburg eigentlich Essen mitnehmen sollte. „Die Zeile beruht auf einer wahren Begebenheit“, sagt Grebe. Damals sei er mit seiner Band zu einem Konzert nach Brandenburg/Havel gefahren und die Veranstalter hätten nicht für Künstlerverpflegung gesorgt. Nur für die Besucher gab es wohl ein paar Bouletten. „Beim nächsten Besuch haben wir uns dann einen riesigen Fresskorb gepackt“, erzählt der Liedermacher. Eine kluge Entscheidung, wie sich herausstellt, denn auch diesmal gab es vor Ort nichts zu Essen.

Wie jedoch das Autohaus Schwedt in den Brandenburg-Song kam, will er den PNN im Anschluss nicht wirklich verraten. „So was passiert halt irgendwie“, sagt Grebe, der hinter der Bühne ein ganz anderer ist: nachdenklicher, ohne große Gesten, mit einem stillen Lächeln. Dass dieses Haus dann aber auch tatsächlich namentlich existiert, habe ihn doch selbst ein wenig überrascht.

Vor einigen Jahren gab es bereits ein Konzert in Schwedt, mit rund 400 Besuchern. Dafür habe er nach Autohäusern in Schwedt gegoogelt und sei prompt fündig geworden. Bei so einem kleinen Konzert wie am Donnerstag sei die Energie allerdings noch mal eine ganz andere als damals. „Man muss darauf reagieren, hier sind ja nur die Autos und ich“, sagt er. Gerade das sei aber auch faszinierend. Überhaupt fasziniere ihn der Gegensatz zwischen Stadt und Land – er selbst pendelt zwischen Berlin und der Uckermark. Wohl fühlt er sich an beiden Orten, von ruppigen Brandenburgern möchte er nicht sprechen, vielmehr habe das Ländliche etwas Exotisches.

Auch Schwedt. Eine Stadt, die immerhin den Slogan „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ trägt, wie Grebe in seinem Programm betont – und darüber selbst schon lachen muss. Dass er aber auch über sich selbst lachen kann, beweist er, als er seinem Publikum erklärt, was es mit der App „Snapchat“ auf sich hat und dabei auch mal ungefilterte Nacktbilder von sich selbst zeigt. Nackig auf der Wiese stehen, so was gehe eben auf dem Land. Was nur im Schwedter Autohaus geht: nach der letzten Nummer zum Umziehen in die Werkstatt verschwinden. Hüpfend. Wenig später kommt Grebe zurück – jetzt in Jeans und Pulli – und wechselt ein paar Worte mit den Gästen, gibt auf Wunsch Autogramme.

Nebenbei wird abgebaut. Gegen 22 Uhr ist das Schwedter Autohaus schon fast wieder nur ein Autohaus. Irgendwo in Brandenburg unter einem endlosen, glitzernden Sternenhimmel.

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