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POSITION: Wie viel kann Justiz sparen?

Die Personalplanung führt den Anspruch auf zügigen Rechtsschutz ad absurdum Von Friedrich Johannes Graf von Pfeil

Die Landesregierung hat Anfang März dieses Jahres dem Landtag den Entwurf des Doppelhaushaltes des Landes Brandenburg für die Jahre 2015/16 übermittelt und damit zur Diskussion gestellt. In diesen Haushaltsentwurf ist die Personalplanung 2018 eingearbeitet. Nach dem zur Entscheidung stehenden Entwurf werden bis 2018 zwölf Prozent der Stellen für Staatsanwälte und zehn Prozent der Stellen für Richter in den Zivil- und Strafgerichten gestrichen. Bis 2019 sind dies sogar 15 Prozent beziehungsweise zwölf Prozent. Bei den Landgerichten sollen bis 2018 immerhin 28 Prozent aller Vorsitzendenstellen, bis 2019 sogar 35 Prozent dieser Stellen gestrichen werden, was zur Schließung von einem Drittel aller Kammern bei den Landgerichten führen wird.

Dies geschieht, weil das Land Brandenburg Geld sparen muss. Die Grundthese hierzu lautet, Justiz müsse zu diesen Einsparbemühungen ihren Beitrag leisten. Das klingt einleuchtend, es liegt auf der Hand und ist überzeugend. Dennoch hat diese Grundannahme einen Haken: Sie ist falsch.

Sie ist falsch, weil sie den Anspruch der Bürger auf zügigen Rechtsschutz ad absurdum führt. Soll nämlich zur Kostensenkung Personal eingespart werden, gleich ob in einem Unternehmen, in der Verwaltung oder bei Gericht, stehen immer nur zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder wird der Arbeitsablauf optimiert, um mit weniger Personal gleiche Arbeitsergebnisse zu produzieren, oder die Produktpalette wird reduziert, um mit weniger Personal auch weniger Arbeitsmenge zu bewältigen. Andere Möglichkeiten, um Personalkosten zu senken, gibt es nicht.

Der Justiz aber stehen genau diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung. Der Arbeitsablauf ist gesetzlich vorgeschrieben. Er ist nicht beliebig und kann nicht zugunsten einer höheren Effizienz verändert werden. Man kann beispielsweise nicht die mündliche Verhandlung entfallen lassen, nur weil Entscheidungen schneller gefällt werden können oder auf die Begründung einer Entscheidung verzichten, weil dies ressourcenschonend ist. Ebenso wenig kann die Justiz steuernd eingreifen, um ihre Arbeitsmenge zu reduzieren. Den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes steht ein verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgewährungsanspruch zur Seite, sie dürfen gerichtliche Entscheidungen begehren und niemand kann sie davon abhalten. Wie viel bei Gerichten zu tun ist, hängt nicht von einer Entscheidung zur Personalplanung ab, sondern ganz ausschließlich davon, in welchem Ausmaß bei Gerichten Rechtsschutz gesucht wird.

All das war bei der Erstellung des Haushaltsentwurfes bekannt. Deswegen wird außerdem ins Feld geführt, die Tätigkeit bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften würde sich vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung reduzieren. Mit dieser weiteren Grundannahme werden die in den Blick genommenen umfangreichen Stellenstreichungen auch begründet.

Nur: Wird die Bevölkerung in Brandenburg in den nächsten vier Jahren um 15 Prozent schrumpfen? Werden deswegen alle Straftaten um diesen Anteil sinken? Werden Straf- und Zivilverfahren vor den Land- und Amtsgerichten deswegen in einem Maße zurückgehen, dass ein Drittel aller Kammern und zahlreiche Abteilungen geschlossen werden können?

Die Wahrheit ist, dass es noch keine Untersuchung zu den Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Justiz gibt. Sicher ist nur, dass die erwarteten Veränderungen, die es geben mag, nicht dieses Ausmaß haben werden.

Demgegenüber steht die Justiz bereits heute unter Druck. Verfahren müssen immer schneller erledigt werden, die Aktenberge wachsen eher, als dass sie abnehmen.

Entscheidend ist aber, dass die Justiz überaltert. In den nächsten Jahren werden Hunderte von Richter und Staatsanwälte des Landes Brandenburg in Pension gehen. Neueinstellungen in nennenswerter Anzahl hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Richter und Staatsanwälte unter 40 Jahren sind bereits heute Mangelware.

Soweit der Überalterung nunmehr durch die geplante Einstellung junger Nachwuchskräfte („Einstellungskorridor“) begegnet werden soll, werden für diese Nachwuchskräfte – angesichts der geplanten Streichungen – nach Ablauf ihrer Probezeiten keine Planstellen mehr zur Verfügung stehen. Die Haushälter der einzelnen Gerichtsbarkeiten werden sich daher hüten, Kräfte einzustellen, für die nach Ablauf der Probezeit keine vom Parlament bewilligte Stelle zur Verfügung steht. Sonst würden sie gegen Haushaltsrecht verstoßen und sich damit rechtswidrig verhalten. Ein sehr dünnes Eis für die Einstellung junger Richter und Staatsanwälte in einem „Einstellungskorridor“.

Die Justiz sieht daher schwierigen Zeiten ins Auge: Die Stellenplanung bis 2019 entbehrt einer realistischen Prognose und die Umsetzung des geplanten Stellenkorridors ist alles andere als sicher. Die jetzige Stellenplanung wird vielmehr zur Überlastung der Justiz führen. Zusätzlich wird die Überalterung in der Justiz verschärft. Die dann ab 2020 notwendig werdende massenweise Ersetzung pensionierter Kräfte durch die benötigten jungen Spitzenjuristen wird, wegen der Konkurrenz mit dem Bund und den anderen Ländern um qualifiziertes Personal, nicht gelingen. Damit stellt die Personalplanung 2018 nicht nur für die Richterinnen und Richter, für Staatsanwältinnen und -anwälte eine Hypothek dar, sondern – wegen der elementaren Funktion von Justiz und Strafverfolgung – für das ganze Land.

Die Personalplanung für die Justiz ist daher dringend zu überarbeiten.

Der Autor ist Direktor des Sozialgerichts Potsdam und Mitglied im Landesvorstand des Deutschen Richterbundes

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