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POSITION: Täuschungsmanöver beenden, Nachtflugverbot durchsetzen!

Vieles deutet auf ein Täuschungsmanöver der Landesregierung hin, sagt unser Gastautor Wolfgang Neskovic.

Über 106 000 Unterschriften für ein umfassendes Nachtflugverbot am neuen Flughafen Willy Brandt. Das erste erfolgreich beendete Volksbegehren in Brandenburg war ein kraftvolles Zeichen an die rot-rote Landesregierung. Verstanden wurde es nicht.

Bereits kurz nach Bekanntwerden des Erfolgs haben die Spitzen von SPD und Linke die Forderungen nach einem umfassenden Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr reflexartig zurückgewiesen. Man hätte als Landesregierung keinerlei Möglichkeiten, ein Nachtflugverbot umzusetzen. Bundesweite Regelungen seien hierfür erforderlich.

Nun die überraschende Kehrtwende. In der vergangenen Woche kündigte Ministerpräsident Platzeck an, die Brandenburger Koalition wolle das Volksbegehren im Landtag annehmen. Über Verhandlungen mit den beiden Flughafen-Mitgesellschaftern Berlin und Bund soll ein „längeres Nachtflugverbot“ erreicht werden. So könne der neue Flughafen auch eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Wird nun also alles gut? Haben die rot-roten Koalitionäre erkannt, dass Lärmschutzinteressen der Anwohner wichtiger sind als die Gewinninteressen der Fluggesellschaften? Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei der Ankündigung, das Volksbegehren anzunehmen, letztlich um ein politisches Täuschungsmanöver handelt. Die Reaktionen aus dem Berliner Senat und der Bundesregierung sind unmissverständlich. Mit ihnen wird es kein umfassendes Nachtflugverbot geben. Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dass die Flughafengesellschaft von sich aus eine Änderungsgenehmigung zur Erweiterung des Nachtflugverbots beantragen wird. Die von der Landesregierung geplanten Verhandlungen sind bereits jetzt zum Scheitern verurteilt.

Wenn die Landesregierung allerdings behauptet, ein Nachtflugverbot sei nur im Wege des Einvernehmens mit der Flughafengesellschaft und deren Gesellschaftern zu erreichen, führt sie die Öffentlichkeit in die Irre. Sie kann sich nicht mit dem Verweis auf andere am Flughafen Beteiligte aus der Verantwortung stehlen.

Die rot-rote Landesregierung kann auch ohne Verhandlungen mit den Gesellschaftern des Flughafens ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr durchsetzen. Sie kann ganz unspektakulär durch schlichtes Verwaltungshandeln die politisch bekundete Kehrtwendung umsetzen.

Das brandenburgische Infrastrukturministerium ist die Genehmigungsbehörde für den neuen Flughafen. Es hat in seiner Genehmigung für den neuen Flughafen im vergangenen Jahr ein Nachtflugverbot von 23:30 Uhr bis 5:30 Uhr in den flugbetrieblichen Regelungen festgelegt. Allerdings enthält die Genehmigung auch einen "Vorbehalt nachträglicher Anordnungen". Mit dieser Klausel behält sich die Genehmigungsbehörde die "Anordnung nachträglicher Beschränkungen der Genehmigung für den Betrieb sowie die Änderung oder Ergänzung der Auflagen oder die Festlegung weiterer Auflagen" vor. Weiter heißt es: "Dies gilt insbesondere auch für Anordnungen, die dem Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm sowie dem Immissionsschutz dienen". Von diesem Vorbehalt nachträglicher Anordnungen muss jetzt Gebrauch gemacht werden. Die flugbetrieblichen Regelungen der Genehmigung müssen durch das SPD-geführte Infrastrukturministerium entsprechend gerändert werden. So wird die erforderliche Klarheit für die zukünftig von Fluglärm betroffenen Anwohner geschaffen. So können sie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr vom Fluglärm verschont werden.

Das Taktieren der rot-roten Koalitionäre ist freilich vor einem anderen Hintergrund plausibel.

Ende der 80er Jahre setzte sich der Schleswig-Holsteinische Energieminister Günther Jansen entschieden für eine Beendigung der Energiegewinnung aus Atomkraftwerken ein. Gleichzeitig war er Aufsichtsratsmitglied eines Atomstrom verwendenden Energieversorgers. Ein klassischer Interessenkonflikt. Das Oberlandesgericht Hamburg hat schließlich den Minister deshalb aus dem Aufsichtsrat abberufen. Seine Tätigkeit war für den Energieversorger unzumutbar.

Ministerpräsident Platzeck und zwei Linke-Minister sind Mitglieder des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft. Der Flughafengesellschaft würde durch ein ausgeweitetes Nachtflugverbot ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Würden die drei Aufsichtsratsmitglieder als Mitglieder der Landesregierung im Sinne des Allgemeinwohls ein Nachtflugverbot durchsetzen, stünden sie in einem nicht auflösbaren Widerstreit mit den Interessen der Flughafengesellschaft. Auch sie befinden sich also in einem klassischen Konflikt. Setzt die Landesregierung ihre Ankündigung zur Durchsetzung eines umfassendes Nachtflugverbotes um, droht dem Ministerpräsident und den linken Ministern Markov und Christoffers eine gerichtliche Abberufung aus dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Offenkundig will man das verhindern und nutzt deshalb nicht die Möglichkeit, ein umfassendes Nachtflugverbot auch gegen den Willen der Flughafengesellschaft und ihrer Gesellschafter Berlin und Bund durchzusetzen.

Doch die Koalitionäre müssen sich entscheiden. Nehmen sie die demokratisch artikulierte Forderung der Brandenburger nach einem umfassenden Nachtflugverbot und ihre eigenen Ankündigungen ernst, so müssen sie von der Möglichkeit der Genehmigungsänderung Gebrauch machen. Dies können sie ohne das Zutun anderer schon morgen tun. Oder sind für die SPD-Linke Regierung Aufsichtsratsmandate und Interessen von Fluggesellschaften wichtiger. Dann sollen sie sich dazu bekennen und aufhören, den Menschen etwas anderes vorzugaukeln.

Der Autor ist in Brandenburg direkt gewählter und fraktionsloser Bundestagsabgeordneter und Richter am Bundesgerichtshof a. D.

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