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POSITION: Linke Flucht in Verschwörungstheorien

Der populistische Vorwurf, täterorientiert zu sein, fällt auf fruchtbaren Boden Von Linda Teuteberg

Ministerrücktritte sind in Brandenburg nicht selten. Der des ehemaligen Justizministers Schöneburg wirft allerdings besondere Fragen auf. Trotz der erheblichen politischen Unterschiede habe ich Volkmar Schöneburg geschätzt. Mit ihm war zumeist eine sachliche Auseinandersetzung möglich. Und auf einigen wesentlichen Feldern der Justizpolitik, insbesondere auch bei den Gesetzgebungsvorhaben zum Strafvollzug, habe ich seine Arbeit auch öffentlich unterstützt. Dies war nicht immer einfach, es gab bei der CDU erheblichen, bei der SPD verhaltenen Widerstand und in anderen Parteien grummelte zuweilen der eine oder andere. Allerdings habe ich auch von Anfang an gesagt, dass die erhobenen Vorwürfe, sollten sie nicht vollständig beseitigt werden, einen sofortigen Rücktritt erfordern. Es verdient Respekt, dass auch Herr Schöneburg zu dieser Einsicht gelangte. Alles andere würde dem, was uns eint an Vorstellungen zu einer modernen Justizpolitik, schaden. Denn es geht im Kern ja gar nicht um ein paar Telefonate und um eine völlig überflüssige Ministerentscheidung. Es geht um den Verdacht, dass das Bemühen um einen menschenwürdigen Strafvollzug nur von oben her angeordnet und nur für Gefangene mit besonderen Beziehungen greift. Der Rücktritt war vor allem notwendig, um solch einen verheerenden Eindruck zu vermeiden.

Was jetzt allerdings an Reaktionen auf den Rücktritt aus der Linkspartei zu hören ist, macht aus dem Fehlverhalten eines Ministers tatsächlich einen politischen Skandal. Die Anwürfe, es habe eine Kampagne gegeben, eine Art Hetzjagd durch die Presse, offenbaren das gestörte Verhältnis der Partei zur Öffentlichkeit. Von den einstigen Versprechen, Transparenz herzustellen und weitgehende öffentliche Kontrolle zu erlauben, ist nichts übrig. Es seien unzulässig Informationen nach draußen getragen worden und interessierte Kreise hätten Journalisten gefüttert. Womit denn? Ist die Wahrheit ein Gut, das es vor dem Zugriff der Öffentlichkeit zu schützen gilt? Sind die offenbar seit Jahren vorgebrachten Bedenken von Justizbediensteten ein Staatsgeheimnis? Während die Linke auf Bundesebene Edward Snowden hofiert, wird in Brandenburg schnell von Geheimnisverrat gesprochen.

Der Justizminister hat auch nach eigenem Bekunden nicht hinreichend deutlich unterschieden zwischen seiner Rolle als parteilicher Verteidiger von Straftätern und seinem Auftrag, als Minister unparteiisch zu handeln. Statt andere zu kritisieren, sollten sich seine Parteigenossen fragen, inwieweit sie ihren Anteil haben an dieser Verirrung im Amt. Ihr althergebrachtes Freund-Feind-Denken hat dazu beigetragen, dass ihr Vorzeige-Jurist in eine Falle gestolpert ist. Wäre allen jederzeit klar, dass zwischen Partei und Amt, zwischen persönlichen politischen Vorstellungen und Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit unterschieden werden muss, so hätten bei dem Justizminister wohl etwas früher die Alarmglocken geschrillt.

Die gesellschaftliche Akzeptanz eines modernen Strafvollzuges erfordert den Abbau von Vorurteilen durch Dialog und geduldige Überzeugungsarbeit. Dies ist ein schwieriger Prozess und er muss frei sein von jedem Verdacht der Parteilichkeit. Liberale Rechtspolitik ist nicht immer populär. Allzu schnell wird unterstellt, dass sich nur um die Täter kümmere, wer auch deren Menschenwürde und mögliche Resozialisierung im Auge hat. Gerade deshalb muss, wer sie vertritt und voranbringen will, Vorurteilen entgegentreten statt sie durch eigenes Fehlverhalten zu bestätigen. Politik als Bohren harter Bretter verlangt da besondere Sorgfalt und Korrektheit, verlangt, sich nicht persönlich angreifbar oder gar erpressbar zu machen. Mit Max Weber gesprochen erfordert solche Politik Leidenschaft und Augenmaß gleichermaßen.

In der Pressemitteilung der Linkspartei zum Rücktritt heißt es: „Dazu gehört auch ein menschenwürdiger Strafvollzug. Der soziale Rechtsstaat darf auch weiterhin Strafe nicht mit Rache verwechseln.“ Richtig, aber was folgt daraus? Dass ein direkter Draht zum Minister gegeben sein muss? Dass es einen Unterschied machen darf für die Behandlung als Strafgefangener, ob man den Minister früher mal als Verteidiger mandatiert hat? Sicher nicht. Vielmehr, dass der Strafvollzug die Resozialisierung des Täters so gut wie möglich fördern und so wenig wie möglich beeinträchtigen sollte.

Dass ein Justizminister als Vertreter des Rechtsstaates insgesamt gerade gegenüber den zwangsweise in staatlicher Obhut befindlichen Strafgefangenen in der Pflicht ist, sie auch gegen Übergriffe durch andere Strafgefangene zu schützen. Der Eindruck, dass bestimmte Strafgefangene, die andere unter Druck setzen und eine kriminelle Subkultur im Strafvollzug forcieren, gar unter dem persönlichen Schutz des Ministers stehen könnten, schadet dem so wichtigen Anliegen der Resozialisierung. Der populistische Vorwurf einer allzu täterorientierten Fürsorge fällt so auf fruchtbaren Boden und persönliches Fehlverhalten schadet der wichtigen Sache.

Zum notwendigen Amtsverständnis eines Justizministers gehört eine unparteiliche und auch über jeden Verdacht der Parteinahme erhabene Amtsausübung. Das gilt für jeden Justizminister ohne Ansehen der politischen Couleur.

Was jetzt nach dem Rücktritt allerdings zu hören ist, offenbart einen Rückfall in ein Freund-Feind-Schema, das an die Vorgängerpartei der Linken erinnert. Ministerpräsident Woidke hätte gut daran getan, dieses Ressort aus solchen Verirrungen zu befreien. Er hat es stattdessen einem Mann anvertraut, der mit der Sache bislang nichts zu tun hatte. Er hat es bei einer Partei belassen, die aus Fehlern nicht lernt, sondern sich in Verschwörungstheorien flüchtet. Herr Schöneburg war ein ausgewiesener Justizpolitiker mit einer klaren Agenda. Was wir jetzt bekommen, ist ein Mann mit einem Kampfauftrag, der die Stellung halten soll. Damit schadet die Landesregierung vor allem den bisher vertretenen Zielvorstellungen und letztlich auch denen von Herrn Schöneburg selbst. Und damit erweist sich auch erneut, dass Rot-Rot kein Modell sein kann für eine fortschrittliche Politik. Im Zweifelsfall geht es vielmehr zurück in die ideologischen Schützengräben. Die Opfer solcher Konfrontation sind vor allem die Häftlinge in den Brandenburgischen Gefängnissen. Genau die, denen die Linke angeblich Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte.

Die Autorin ist rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Landtag Brandenburg und Mitglied des Bundesvorstandes der FDP

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