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POSITION: Klimaschutz geht alle an – auch Brandenburg

Brandenburgs Landesregierung verweigert jeglichen sachlichen Dialog Von Annalena Baerbock

Deutschland hat sich international dazu verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2050 massiv zu senken, um eine gefährliche Klimakrise zu vermeiden. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, passiert jedoch nach wie vor zu wenig. Die Bundesregierung unternahm Ende vergangenen Jahres einen Realitätscheck und musste feststellen, dass die deutschen Klimaziele ohne weitere Maßnahmen nicht erreicht werden können. In der Konsequenz hat sie nun erstmals anerkannt, dass auch die schmutzige Kohle einen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Bislang war die Kohleverstromung aus jeglichen Klimaschutzbemühungen ausgeklammert. Nicht eine Tonne CO2 wurde hier in den letzten 15 Jahren eingespart. Sigmar Gabriel will dem fossilen Kraftwerkspark, der für mehr als ein Drittel der momentanen 912 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich ist, nun eine minimale Reduktion von 22 Millionen Tonnen CO2 abtrotzen.

Bisher ist völlig unklar, ob mit den Vorschlägen auch nur ein einziger Kraftwerksblock vom Netz gehen wird. Denn statt auf ordnungsrechtliche Grenzwerte, die sich an den deutschen Klimazielen ausrichten und einen sozialverträglichen, schrittweisen Kohleausstieg in die Wege leiten würden, setzt Gabriels Instrument auf Sonderzahlungen für uralte Kraftwerke, die vor allem in Nordrhein-Westfalen stehen. Aber immerhin: Es wächst auch im schwarz-roten Kabinett die Erkenntnis, dass Deutschland nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben kann. Allerdings nicht bei allen. Den erbittertsten Widerstand erntet der Bundeswirtschaftsminister von seinen SPD-Kollegen aus Brandenburg und der Landesregierung von Sachsen. Sie schüren Angst vor der „Zerschlagung der Lausitz“ und stellen das deutsche Klimaziel in Frage.

Dabei ist der Strukturwandel in der Region bereits im Gange. Brandenburg verfügt über eine Klimaschutzstrategie, die sich an den nationalen Klimazielen orientiert. Und die Landesregierung selbst hat in den letzten Jahren die Kohle immer als „flexible Brückentechnologie und Partner der erneuerbaren Energien“ beschworen. Doch bei dem ersten Schritt von der Brücke verweigern sich der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister jeglichem sachlichen Dialog. Statt konstruktiv für die Zukunft der Lausitz zu kämpfen, stellt sich die Landesregierung ins politische Abseits und negiert den ohnehin stattfindenden Wandel in der Lausitz.

Vattenfall erwägt seit einiger Zeit, die Zahl seiner Beschäftigten im Revier abzubauen. Die Landesregierung selbst geht davon aus, dass die Zahl der direkt bei Vattenfall Beschäftigten von derzeit 6000 auf 3000 in 2030 in den nächsten Jahren zurückgehen wird. Da Vattenfall erkannt hat, dass die Braunkohle in Zeiten steigender CO2-Emissionen bei zugleich zugesagten Klimaziele nicht zu vereinbaren ist, will der Konzern sein Kohlegeschäft nun ganz verkaufen. Einer der wenigen potenziellen Käufer – der tschechische Energiekonzern EPH – wiederum hat bereits signalisiert, dass ein Einstieg nur möglich sei, wenn es in Deutschland Planungssicherheit mit Blick auf die weitere Kohleverstromung geschaffen werde. Also jene Planungssicherheit, über die die Bundesregierung nun endlich auch bereit ist zu reden, der sich die Landesregierung aber verweigert.

Ja, die Braunkohle ist noch immer ein relevanter Wirtschaftszweig in der Lausitz, jedoch nicht wie oftmals suggeriert ihr dominierender. Die Industrie der Lausitz ist stärker diversifiziert als die Industrie Ostdeutschlands insgesamt. Nur leider sind diese Bereiche nicht auf dem wirtschaftspolitischen Radar der Landesregierung: Über 7500 Betriebe in der Region können keine Unternehmensnachfolge vorweisen – und damit auch keine Zukunft für ihre Beschäftigten. Doch über diese Arbeitsplätze redet kein Wirtschaftsminister. Zugleich wird die Zahl der Erwerbstätigen in der Region mit 36 Prozent um ein Vielfaches deutlicher zurückgehen als in Brandenburg insgesamt mit 21 Prozent. Doch auch diese wirtschaftspolitische Herausforderung wird bisher ausgeblendet.

Brandenburgs Landesregierung hat 1997 ein Gesetz zur Förderung der Braunkohle beschlossen. Nun ist es nicht nur an der Zeit, dieses Gesetz zu kassieren, sondern ein Zukunftsprogramm für die Transformation der Lausitz zu entwickeln. Ein Programm, das den bestehenden Betrieben eine Zukunft sichert. Ein Programm, das den Metall-, Stahl- und Maschinenbau, die Holz-, Textil-, Chemie- und Kunststoffindustrie genauso in den Blick nimmt, wie die Tourismus- und Hochschulförderung. Ein Programm, das anerkennt, dass die Folgen der Braunkohle über ihre Verstromung hinaus sichtbar bleiben werden und die Braunkohlesanierung eine Mammutaufgabe für viele Bergleute über viele Jahrzehnte bleiben wird. Ein Programm, das dem Fakt gerecht wird, dass die erneuerbaren Energien für mehr Wertschöpfung und zukunftsfähige Jobs auch in Brandenburg sorgen als die Kohle. Ein Programm, dass anerkennt, dass in dem Wort Energiewende das Wort „Wende“ steckt und der Ausstieg aus der Kohle ein langwieriger, aber nötiger Transformationsprozess ist. Ein Programm, an dessen Ende nicht weniger, sondern andere Arbeitsplätze stehen. Statt lauthals die Klimaziele der Bundesregierung infrage zu stellen, wäre genau jetzt der Zeitpunkt, bei der Bundesregierung Unterstützung für dieses Transformationsprogramm vonseiten des Bundes einzufordern.

Die Autorin ist Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen und lebt in Potsdam

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