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POSITION: Keine Zusagen, die nicht gehalten werden können

Akzeptanz und Bürgerbeteiligung sind ein Anspruch linker Politik.

Zum ersten Mal ist 20 Jahre nach Verabschiedung der Brandenburger Landesverfassung ein Volksbegehren erfolgreich. Das ist ein Durchbruch für direkte Demokratie in unserem Land.

Dass eine solche Volksinitiative nach dem Scheitern mehrerer Initiativen zu anderen politischen Vorhaben gerade in Bezug auf ein Großprojekt erfolgreich ist, macht aber auf ein Grundproblem gegenwärtiger Politik aufmerksam.

Nicht erst mit dem Flughafenprojekt, sondern auch am Beispiel des Bahnhofneubaus in Stuttgart oder der langwierigen Prozesse beim Netzausbau für Erneuerbare Energien wird deutlich, dass die Lücke zwischen Bürgerbeteiligung einerseits und den Planungsprozessen andererseits immer größer wird.

Gerade Großprojekte, die unmittelbar in die Lebenswirklichkeit von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen, zeigen, dass es dringend geboten ist, von Beginn des Planungsprozesses an, Bürgerinteressen einzubeziehen und auf Bedingungen zu reagieren, die sich im Laufe der Zeit verändern. Auch deshalb, weil die gegenwärtigen Zeiträume von der Planung bis zur endgültigen Realisierung eines Projektes in der Regel mehrere Jahre dauern und sich dadurch verständlicherweise sowohl neue Interessenlagen herausbilden als auch rechtliche Grundlagen geschaffen werden.

Akzeptanz und Bürgerbeteiligung waren und sind ein Anspruch linker Politik. Dies zeigt sich auch im Regierungshandeln in Brandenburg. Beispielsweise werden Bürgerinnen und Bürger, Vertreter von Kommunen, Wirtschaft und Verbänden in die Erarbeitung regionaler Energiekonzepte miteinbezogen.

Ein solches Herangehen ist für alle Beteiligten kein einfacher Prozess, weil er Kompromisse von allen verlangt und einer Abwägung der unterschiedlichen Interessenlagen in Bezug auf die Entwicklung der Gesellschaft bedarf.

Der erfolgreiche Abschluss der Volksinitiative stellt zweifellos eine neue politische Situation dar, die gerade wir als Linke mit unserem Bestreben nach mehr Akzeptanz und Bürgerbeteiligung ernst nehmen müssen.

Deshalb ist es der richtige Weg, das Gespräch mit den Initiatoren der Volksinitiative für besseren Lärmschutz auch unter den neuen Bedingungen fortzusetzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen und realistische politische Möglichkeiten auszuloten.

Zur Ehrlichkeit gehört allerdings auch die Tatsache, dass sich die Rechtslage nach dem erfolgreichen Abschluss der Volksinitiative nicht geändert hat, ein Eingriff in ein obergerichtlich bestätigtes Planfestellungsverfahren eben nicht möglich ist. Der rechtliche Rahmen von 2012 ist nicht mehr der von 2009 und auch die Standortentscheidung ist jetzt nicht mehr umkehrbar.

Aber im Rahmen der jetzt existierenden Bedingungen haben Linke und SPD bereits in den letzten Jahren, auch gegen Widerstände der anderen Gesellschafter, Wesentliches erreicht. Das betrifft die Erweiterung des Schallschutzes genauso wie die gemeinsame Initiative der beiden Koalitionsfraktionen zur Ablehnung einer dritten Startbahn. Dies haben wir im Interesse des gesamten Landes als auch der Flughafenregion durchgesetzt.

Dies weiter fortzuführen und zum Beispiel auch dem Schutz vor Lärm durch Auto- und Schienenverkehr mehr Aufmerksamkeit zu schenken, muss und wird ständige Aufgabe bleiben, mit dem Ziel, Lärmbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger insgesamt zu reduzieren.

Grundsatz aller Diskussionen muss aber bleiben, dass keine Zusagen gemacht werden, die aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Situation trotz aller Bemühungen später nicht eingehalten werden können.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Ausweitung der Nachtruhe sind dort zu schaffen, wo die rechtlichen Möglichkeiten liegen, nämlich beim Bund. Denn Nachtflugverbote und Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm ist eben kein spezifisch Brandenburger Problem. Damit ist der Anspruch verbunden, die Dinge dort zu regeln, wo sie hingehören, denn nur der Bund kann gleiche Ausgangsbedingungen für Flughafenstandorte in Deutschland schaffen. Das wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, aber auch in Richtung Wettbewerbsbedingungen.

Der oft angeführte Hinweis darauf, dass der Bund hier keinen Handlungsbedarf sieht, ist meiner Auffassung nach nicht zielführend. Zielführend ist es aber, wenn sich bürgerschaftliches Engagement, Politik von Parteien und auch Landesregierungen gemeinsam auf ein solches Ziel fokussieren.

Genau darauf muss sich die politische Debatte jetzt richten, um die anstehenden Fragen zu klären. Gerade mit Blick auf das Bundestagswahljahr 2013 bietet es sich an, eine gesetzliche Regelung insbesondere für stadtnahe Flughäfen zum Thema zu machen.

Der Autor ist Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten im Land Brandenburg und Mitglied in der Partei Die Linke.

Ralf Christoffers

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