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POSITION: Die Energiewende-Verhinderungsstrategie

Das Zeitalter der erneuerbaren Energien liegt in weiter Ferne Von Reinhard Jung

Die von den Herren Platzeck und Christoffers vorgelegte Energiestrategie für das Land Brandenburg beruht auf vorsätzlicher Täuschung, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen täuscht sie vor, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu wollen, und lässt diese zugleich praktisch ins Leere laufen. Zum anderen täuscht sie eine Offenheit der Entwicklung vor und schafft mit Weiterführung der Braunkohleverfahren zugleich vollendete Tatsachen für die Enteignung und Vertreibung von 2000 Brandenburgern und die Vernichtung Jahrhunderte alter Dörfer in der Lausitz.

Warum behindert diese Strategie die erneuerbaren Energien, obwohl sie doch vordergründig Erleichterungen etwa für den Bau neuer Windparks schafft? Ganz einfach, weil es nichts nützt, wenn wahllos Windparks in die Gegend gestellt werden, die keiner will und die nicht verlässlich zur Energieversorgung beitragen.

Windkraft ist eine faszinierende umweltfreundliche Hochtechnologie aus Deutschland – ihr nachhaltiger Erfolg freilich hängt von den praktischen Rahmenbedingungen ab, unter denen sie sich entfalten kann. Leider findet sich in der Energiestrategie keine Antwort auf die Frage, wie die Ausweisung neuer Windeignungsgebiete durch Mitwirkung von Anwohnern und Kommunen in allgemein akzeptierte Bahnen gelenkt werden kann. Genauso wenig bietet sie einen Lösungsansatz für die zentrale ökonomische Herausforderung, durch den Betrieb von flexiblen Reservekraftwerken die schwankenden Einspeisungen aus der Windkraft in eine sichere Versorgungsgröße umzuwandeln.

Sogar die SPD-Fraktion war schon mal weiter, als sie in ihrem Positionspapier vom November 2011 schrieb, „der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien, die Verfügbarkeit von effizienten Gaskraftwerken und die Entwicklung von Speichertechnologien und Stromnetzen (werde die) Braunkohle in wenigen Jahrzehnten überflüssig machen“. Von Gaskraftwerken, die sich aufgrund ihrer schnellen Regelbarkeit hervorragend zur Ergänzung des Windstroms eignen, ist in der Energiestrategie allerdings keine Rede mehr. Stattdessen sollen die noch ganz am Anfang der Erforschung stehenden Speichertechnologien bis 2020 für den großtechnischen Einsatz bereit sein, anderenfalls tritt Plan B in Kraft, und zwar B wie Braunkohle.

Bis 2015 wollen Platzeck und Christoffers deshalb die Braunkohleverfahren Jänschwalde-Nord und Welzow-Süd abschließen, nach denen die Dörfer Atterwasch, Grabko, Kerkwitz, Proschim und Teile von Welzow von der Landkarte verschwinden würden. Dabei geht es wohlgemerkt noch nicht um die Genehmigung der Tagebaue, die Vattenfall völlig unabhängig von den Verfahren selbst beantragen muss. Das Ergebnis der Braunkohleverfahren sind völlig überflüssige Raumordnungspläne, deren einziger Zweck darin besteht, dem Unternehmen schon jetzt Ansprüche auf die Braunkohle bis 2070 zu sichern.

Als Begründung wird ganz offen gesagt, Brandenburg müsse Energie exportieren. Nicht dem Allgemeinwohl, nicht der Versorgung der Bevölkerung in Brandenburg und Berlin dient also diese Strategie, sondern den Verkaufsinteressen eines ausländischen Konzerns, seiner Manager und Gewerkschaftsbosse. Sie bekommen ein Stück Brandenburg zu ihrer freien Verfügung – nicht einmal für den Rohstoff Braunkohle und das abgepumpte Grundwasser müssen sie bezahlen. Zurückbleiben wüste Geröllhalden, die auch nach einer „Rekultivierung“ keine nennenswerten land- und forstwirtschaftlichen Erträge bringen, und tote Restseen, an denen der erhoffte Tourismus bislang jedenfalls ausgeblieben ist.

Die Braunkohle sei notwendig als Brückentechnologie in das Zeitalter der erneuerbaren Energien, verschleiern Platzeck und Christoffers ihre wirklichen Ziele. Ein interessantes Bild. Ich mag historische Bauwerke und habe kein Problem damit, wenn eine Brücke alt und dreckig ist. Mir kommen aber Zweifel, wenn ich das Ende der Brücke nicht sehen kann. Nach der vorgelegten Energiestrategie werden, wenn überhaupt, dann meine kleinen Kinder einmal als Greise das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen. Solche Pläne noch als „ambitioniert“ zu bezeichnen, wie der Pressemitteilung der Landesregierung zu entnehmen war, geht eigentlich nur unter dem Einfluss von Drogen.

Ein verträglicher Mix aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme, dazu Gas als Brücke bis die Speicher soweit sind, und darauf abgestimmt eine Rückführung der Braunkohle bis 2030 – selbst das würde ich nicht ambitioniert nennen. Aber es wären pragmatische Schritte, um die deutsche Energiewende auch in Brandenburg umzusetzen. Was die Landesregierung dagegen vorgelegt hat, ist eine Energiewende-Verhinderungsstrategie, eine Schande für unser Land und unverantwortlich vor allem gegenüber den Menschen in der Lausitz.

Der Autor (46), Landwirt aus Lennewitz in der Prignitz, ist Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg und engagiert sich für das Bündnis Heimat und Zukunft in Brandenburg (www.heimatzukunft.de)

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