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POSITION: Den Gedanken Rechtsstaatlichkeit vermitteln!

Für alle Stasi-Überprüften gilt der Vertrauensschutz, nicht der Generalverdacht Von Andreas Kuhnert

Wir wollten Gerechtigkeit! Und bekamen den Rechtsstaat!“ Dieses Zitat wird Berliner Bürgerrechtlern zugeschrieben. Ich habe das immer anders gesehen! Auch ich wollte Gerechtigkeit! Aber eben genau deshalb den Rechtsstaat! Es gibt keinen anderen, vor allem keinen besseren Garanten für Gerechtigkeit als den Rechtsstaat! Deshalb wundere ich mich derzeit das eine oder andere Mal und bin auch bisweilen buchstäblich sprachlos über die „Jamaika-Opposition“ im Potsdamer Landtag, die in seltener Geschlossenheit fordert, dass für einen Teil der ehemaligen DDR-Bürger rechtsstaatliche Prinzipien wie Vertrauensschutz, Einzelfallprüfung und keine Generalverdächtigung, aber auch das „Prinzip der zweiten Chance“ nicht gelten solle.

Ich selbst bin Stasiopfer, durfte als „Bürgerrechtler“ im März 1992 als einer der ersten in der Potsdamer Außenstelle meine Stasiopferakte einsehen. Und hatte gerade im Januar diesen Jahres Besuch von der Stasiunterlagenbehörde, weil eine Forschung ergeben hatte, dass ich im damaligen Kreis Brandenburg/Land oben anstand auf der Stasi-Liste der zu internierenden „feindlich-negativen Kräfte“ im Krisenfalle! Im Lager Verlorenenwasser bei Bad Belzig.

Andererseits habe ich in den 1990er Jahren auf kommunaler Ebene zwei Stasiüberprüfungskommissionen geleitet! Gerechtigkeit, nicht Revanche war für uns das oberste Prinzip! Diese Kommissionen, auf welcher Ebene auch immer, waren politisch und gesellschaftlich gewollt und demokratisch legitimiert. Sie hatten klare Beurteilungskriterien, von Volkskammer und Stasiunterlagenbehörde vorgegeben. Und wir wurden von eben dieser Behörde fachkundig beraten. Diejenigen, die sich uns anvertraut haben, konnten darauf vertrauen, dass unser Spruch Geltung hatte! Es sei denn, sie hätten uns hinters Licht geführt und Teile ihres Tuns verschwiegen!

Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gilt also für alle Überprüften Vertrauensschutz! Die ausgesprochene Entlastung gilt! Und es gilt das rechtsstaatliche Prinzip der Einzelfallprüfung! Eine Generalverdächtigung aller knapp 900 Richterinnen und Richter im Lande oder auch nur der 13 Betroffenen mit Stasivergangenheit kann es nicht geben!

Wenn die Opposition argumentiert, die Aktenfunde hätten sich seither verdreifacht und nun müsste erneut flächendeckend überprüft werden, heißt das doch, man unterstellt den damals Überprüften, sie hätten alle oder mehrheitlich nur das zugegeben, was in den damaligen Unterlagen zu finden war. Eine solche unterschwellige Unterstellung ist nicht nur infam und nicht haltbar! Sie verstößt auch gegen elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit! Nur wenn, wie bei der Polizei geschehen, im Einzelfall neue Fakten auftauchen, kann und muss im Einzelfall erneut überprüft werden!

Schließlich aber kennt der Rechtsstaat wie auch die von der CDU gern beschworene „christlich abendländische Tradition“ das „Prinzip der zweiten Chance“. Diejenigen, die damals von den Überprüfungskommissionen als minder belastet eingestuft und somit als für Amt und Mandat geeignet gehalten wurden, haben diese zweite Chance nicht nur verdient! Sie haben sie sämtlich im Dienste am Rechtsstaat in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten auch genutzt!

Ich frage mich schon, was wir in der Politik in den letzten 21 Jahren falsch gemacht haben! Aber nicht im Blick auf den Umgang mit Stasibelasteten! Sondern bei der Vermittlung des Gedankens der Rechtsstaatlichkeit!

Der Autor ist SPD-Landtagsabgeordneter

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