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POSITION: Chance für einen kommunalen Dialog vertan

Bei der Landesplanung heißt die politische Devise: Augen zu und durch Von Matthias Dombert

Das Bundesverwaltungsgericht wird sich nicht mit dem Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg beschäftigen. Es hat die Beschwerde Brandenburgs gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen, die Grundlage für die Planung der Länder Berlin und Brandenburg ist endgültig unwirksam – was auf den ersten Blick eher nur das Interesse der Teilnehmer planungsrechtlicher Proseminare zu wecken scheint, hat bei näherer Betrachtung aber doch erhebliche landespolitische Brisanz und stellt ein Thema dar, dessen Auswirkungen für die Menschen im Lande kaum zu unterschätzen ist. Denn der Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (oder schlagwortartig: der LEP B-B) schafft die Grundlage für die städtebauliche Entwicklung in den Kreisen, Städten und Gemeinden Brandenburgs: Kein Wohnbaugebiet, kein Einzelhandelszentrum, kein Windpark kann ohne Beachtung dieser ortsübergreifenden Vorgaben verwirklicht werden.

Dass das Oberverwaltungsgericht ihn auf Antrag mehrerer Gemeinden Brandenburgs im Sommer 2014 für unwirksam erklärte, hatte seinen Ursprung in dem für die Bundesrepublik einmaligen Versuch der Landesregierung, mittels Landesplanung tief in die kommunale Entwicklung einzugreifen. Die Möglichkeit, größere Einzelhandelsbetriebe oder Wohnbauflächen vorzusehen, sollte nur noch der Metropole Berlin, Ober- oder Mittelzentren vorbehalten bleiben. Brandenburg hatte damit als einziges Bundesland versucht, die sonst in allen Bundesländern vorgesehenen Grundzentren mit dem nunmehr rechtswidrigen und damit unwirksamen LEP B-B abzuschaffen. Hiergegen hatte sich nicht nur der Städte- und Gemeindebund gewehrt, sondern auch stellvertretend für viele andere – vereinfacht formuliert: von Meyenburg bis Schlieben – eine größere Anzahl von Gemeinden geklagt. Sie sind nicht nur in ihren Planungen eingeschränkt, sie erhalten auch weniger Geld. Nur Ober- und Mittelzentren sollen mit Blick auf die demografische Entwicklung noch gefördert werden, die Entwicklung vor allem kleinerer Gemeinden wird bewusst gebremst.

Ob dies zulässig ist, ob die Abschaffung der Grundzentren noch mit der kommunalen Selbstverwaltung in Einklang steht, wird die Landespolitik und vermutlich die Justiz auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Denn nach ersten Stellungnahmen nimmt die Landesregierung das Urteil nicht zum Anlass, im Dialog mit den Kommunen in eine Bestandsaufnahme über die Landesplanung einzutreten. Stattdessen meint sie, es genüge, nur die Hinweise des Oberverwaltungsgerichts aufzugreifen und den Landesentwicklungsplan erneut in Kraft zu setzen.

In der Tat hatte das Oberverwaltungsgericht den klagenden Gemeinden mit dem Hinweis recht gegeben, die verfassungsrechtlichen Maßgaben seien von der Landesregierung bei Erstellung des LEP B-B 2009 nicht hinreichend beachtet worden. Auf die maßgebliche Frage nach der Abschaffung der Grundzentren war das OVG in eleganter Zurückhaltung nicht eingegangen. So oder so hat nämlich nach seinen Feststellungen eine Neubewertung stattzufinden.

Die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen für die Landesplanung Brandenburgs haben sich seit 2009 verändert, das Raumordnungsrecht des Bundes sieht nunmehr die Verpflichtung der Länder vor, auch in dünn besiedelten Regionen, Angebote der Grundversorgung bereitzuhalten. Die damit verbundene Neubewertung sah das Gericht wohl eher als politische denn als juristische Aufgabe an und bei Landesregierung oder Landtag besser aufgehoben.

Aus der inhaltlichen Zurückhaltung der Richter schöpft nun die Landesregierung Hoffnung. Der Landesentwicklungsplan soll geheilt und möglichst noch vor der Sommerpause wieder in Kraft gesetzt werden. Damit steht fest, dass juristische Auseinandersetzungen zwangsläufig vorprogrammiert sind. Jeder Windkraftbetreiber, der sich mit der unterbliebenen Ausweisung eines Eignungsgebietes nicht abfinden will, wird dartun, dem Planungsträger habe hierzu sowieso die landesplanerische Handlungsgrundlage gefehlt, jede Gemeinde, deren missliebige Planungen mittels Untersagungsverfügung der Landesbehörden verhindert werden sollen, wird auf den fehlerhaften Heilungsversuch und die damit unwirksame Landesplanung verweisen.

Die juristische Komponente ist das eine, die politische Aussage freilich das andere: Gerade weil sich die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren geändert haben, wäre es politisch zu hoffen gewesen, dass die Landesregierung die Chance für einen kommunalen Dialog ergriffen hätte. Auf den Dialog mit den Kommunen hat man nicht gesetzt. Augen zu und durch, heißt die politische Devise. Auf die Funktional- und Gebietsreformen in den nächsten Jahren darf man schon jetzt gespannt sein.

Der Autor ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Potsdam und war von 1993 bis 2009 Verfassungsrichter am Landesverfassungsgericht des Landes Brandenburg. In dem Verfahren zum Landesentwicklungsplan hat er 15 der 16 klagenden Kommunen vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) vertreten.

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