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POSITION: Berlin muss Drehkreuz sein

Größere Kongresse sind in Berlin und Potsdam schwierig

Der Poker um das, was von Air Berlin übrig bleibt, ist in vollem Gange. Das Ergebnis ist für die Hauptstadtregion Berlin/Potsdam von kaum zu überschätzender Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Erhaltung der ohne Zweifel strategisch wichtigen Langstreckenverbindungen, insbesondere nach Nordamerika und Asien. Es geht um viel mehr: nämlich um die Zukunft des BER als Luftfahrtdrehkreuz und somit als Motor für die langfristige Entwicklung des Kultur- und Wirtschaftsraums Berlin-Brandenburg. Den Zusammenhang zwischen dieser Herausforderung und der Air-Berlin-Pleite haben viele leider noch nicht so recht verstanden.

Die Hauptstadtregion hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Die Wissenschaftsregion Berlin/Potsdam genießt international höchstes Ansehen. Angeflanscht an die forschungsstarken Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat sich in Berlin und Potsdam ein Start-up-Ökosystem entwickelt, das seinesgleichen sucht und auch im Silicon Valley aufmerksam beobachtet wird. Andererseits stößt die problematische verkehrstechnische Anbindung der Hauptstadtregion vielerorts auf Befremden. Kollegen aus Wissenschaft und Wirtschaft anderswo ist kaum zu vermitteln, dass man Berlin nur über Umwege erreichen kann. Größere wissenschaftliche Kongresse sind nur unter Vorbehalt nach Berlin oder Potsdam zu holen – weil viele Teilnehmer mehrmals umsteigen müssen, bis sie bei uns vor Ort sind. Risikokapitalgeber aus aller Welt überlegen sich zweimal, ob sie eine Woche investieren und aus Delhi, Sydney, São Paulo, Dubai oder New York anreisen möchten, um unsere Ideen in Augenschein zu nehmen.

Der gelungene Transfer von Exzellenz in der Wissenschaft in die Wirtschaft hinein hat bereits jetzt Tausende hoch qualifizierter Arbeitsplätze in Berlin und Brandenburg geschaffen. Aus den neuen Hightech-Unternehmen wird sich zeitnah ein solider und nachhaltiger Mittelstand entwickeln. Und viel spricht dafür, dass wir in den kommenden Jahren auch die ersten Dax-Unternehmen sehen werden, die in der Hauptstadtregion ihren Ursprung hatten – und hoffentlich auch hier bleiben.

Dies ist nicht nur gut für Berlin und Brandenburg. Es stärkt auch die Position Deutschlands und der EU im internationalen Kontext. Um diesen Kurs zum Erfolg zu führen, ist ein Luftfahrtdrehkreuz allerdings von ganz entscheidender Bedeutung. Anders ausgedrückt: Es geht beim BER doch nicht nur darum, etwas mehr Kapazität und einen schicken neuen Terminal zu bekommen. Es geht vielmehr darum, Berlin als Drehkreuz zu etablieren. Dieses Ziel wird von der Lufthansa nicht unbedingt geteilt, weil die Lufthansa mit Frankfurt, München und Zürich möglicherweise genügend Drehkreuze hat, um ihre völlig legitimen Unternehmensziele zu verfolgen. Auch das bayerischer Sympathien nicht ganz unverdächtige Bundesverkehrsministerium scheint hier wenig hilfreich.

Insofern scheint es höchst fraglich, ob eine Übernahme der Air Berlin durch die Lufthansa das Ziel Drehkreuz BER befördert oder eher endgültig verhindert. Und ob entsprechende Auflagen für die Übernahme rechtlich möglich sind. Umso wichtiger, dass auch andere weltweit agierende Fluglinien in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Dass es mit Etihad nicht geklappt hat, heißt ja nicht, dass andere internationale Player es nicht besser hinbekommen könnten – vorausgesetzt, die Eröffnung des BER wird spätestens 2020 endlich Wirklichkeit.

Die Ziele eines Unternehmens sind das eine, das öffentliche Wohl das andere. Vor diesem Hintergrund sind jetzt der Berliner Senat und auch die brandenburgische Landesregierung gefragt. Dass es nicht einfach ist, in dieser unübersichtlichen Lage politisch zu agieren, ohne die Autonomie der wirtschaftlichen Akteure unangemessen einzuschränken, ist offensichtlich. Von daher ist dem Regierenden Bürgermeister und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Fortune zu wünschen, um in dieser wichtigen Frage die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Sicher ist, dass die Frage Drehkreuz oder nicht die Zukunft der Hauptstadtregion nachhaltig beeinflussen wird.

Der Autor ist Wirtschaftsingenieur und Präsident der Universität Potsdam.

Oliver Günther

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