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Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) versucht auch in der Krise Optimismus auszustrahlen. 

© Sören Stache/dpa

Porträt | Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher: Brandenburgs Krisenmanagerin

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) ist frisch im Amt und muss nun Brandenburg durch die Coronakrise führen. Nicht nur Regierungschef Dietmar Woidke verlässt sich auf ihren Fachverstand als Medizinerin.

Potsdam - Die Potsdamer scheinen dem Rat ihrer Ärztin gefolgt zu sein. Am Dienstagmorgen im Babelsberger Park: Viele Menschen, die ihre Hunde Gassi führen, mit gebührendem Abstand, Luft schnappen. Genau das hat Ursula Nonnemacher, Brandenburgs neue Grüne Gesundheitsministerin und langjährige Klinikärztin, am Montagabend bei der via Twitter übertragenen Pressekonferenz zur Corona-Lage in der Staatskanzlei empfohlen. Nachdem sie zuvor weitere gravierende Einschnitte für das gesellschaftliche Leben – geschlossene Geschäfte, Kneipen, gesperrte Spielplätze – verkündet hatte: Gehen Sie an die frische Luft! Natürlich dürfen Sie Ihren Hund Gassi führen!

Das waren die richtigen Sätze zum richtigen Zeitpunkt. Der Moment, in dem Brandenburg kurz durchatmen konnte in dieser wohl schwersten Krise, die das Land je erlebt hat und in der sich die Ereignisse, die Einschnitte täglich überschlagen. Ursula Nonnemacher, früher Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Kenia-Verhandlungsführerin ihrer Partei und seit November 2019 Vize-Ministerpräsidentin und Gesundheitsministerin muss zurzeit jeden Tag aufs Neue die treffenden Worte finden. Die 62-jährige Fachärztin für Innere Medizin, mit einem Arzt verheiratet, ist zu Brandenburgs wichtigster Krisenmanagerin geworden. Auch der Corona-Koordinierungsstab, der jeden Tag im Innenministerium zusammenkommt, arbeitet unter Führung ihres Hauses. 

Nervenstärke im Überbietungswettkampf der Länder

Das Land handle nicht schnell genug, wurde vergangene Woche etwa in sozialen Medien kritisiert. Während andere Länder wie Bayern schon längst Schulen schließen, dauere es in Brandenburg mal wieder länger. Aber, was Nonnemacher bislang glaubhaft vermittelt: Es ist nicht zu spät. Man dürfe sich nicht treiben lassen von äußerem Druck. Dafür braucht es Nervenstärke, die sie aus ihrer Zeit als Notärztin in einem Berliner Klinikum mitbringt. Sie sei froh, dass dieser „Überbietungswettbewerb“ der Länder durch bundesweit einheitliche Regelungen etwa bei der Schließung von Läden nun gestoppt sei, sagte Nonnemacher am Montag sichtlich erleichtert.

Nervenstärke, Pragmatismus, Seriosität, dabei Gelassenheit und Zuversicht ausstrahlende Fröhlichkeit. Die Stellenbeschreibung für Krisenmanager sind anspruchsvoll in diesen Tagen. Auch wenn aus manchen Kommunen anfangs ein Murren zu hören war, weil ihnen eben manches nicht schnell genug ging, sie auf Entscheidungen des Landes warteten – bislang, so scheint es, bringt Nonnemacher all das mit. Beispiel Pressekonferenz am Freitag, die x-te zu Corona. Nachdem verkündet ist, dass die Kitas und Schulen ab Mittwoch schließen, die meisten Pressevertreter und Kabinettskollegen schon gegangen sind, zeigt Nonnemacher den „MSGIV-Move“, wie sie ihn nennt, das derzeitige Begrüßungsritual in ihrem Ministerium: Anstatt sich die Hände zu schütteln, stößt man kurz die Ellenbogen aneinander. Dann lacht sie fröhlich – nicht etwa, weil sie Corona nicht ernst nehme, sich lustig mache über die Sorgen der Leute. So wirkt es nicht. Ihr Lachen hat etwas Befreiendes, Mut machendes. Wenn das Wort in diesen Tagen nicht so verpönt wäre, würde man sagen: Ansteckendes.

Sie gilt als fleißig und akribisch 

Wenn die Kamera läuft, bei Fernsehauftritten, wirkt sie zuweilen sehr ernst und kommt nicht ohne ihre Floskel „Verstehen Sie mal“ aus. Sie benutzt die Wendung immer noch oft, die sie auf manche oberlehrerinnenhaft wirken lässt. Schon im Wahlkampf, als Spitzenkandidatin der Grünen, war das so. Aber nun wird deutlich, dass da nichts Belehrendes mitschwingt, sondern sie wirklich um Verständnis wirbt, möchte, dass das Gegenüber versteht, warum sie etwas tut. Wenn sie etwas erkläre, zeige sich, dass sie medizinisches Wissen mitbringe, heißt es nun anerkennend von der kommunalen Ebene. Die ihr nachgesagten Eigenschaften, in normalen Zeiten manchmal negativ als zu streberhaft konnotiert, kommen dem Land in der Krise nun sehr zugute: Nonnemacher gilt als extrem fleißig, akribisch, gründlich.

Trotzdem klappt nicht immer alles reibungslos. Vergangenen Mittwoch etwa warteten Kommunen und Öffentlichkeit auf den am Vorabend angekündigten Erlass, Großveranstaltungen ab 1000 Personen verbieten zu können. Doch der kam nicht. Ein angekündigtes Pressestatement wurde verschoben, der Informationsfluss war mühsam. Am Donnerstag schließlich entschuldigte sich die Ministerin dafür, dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen sei. Seither funktioniert es besser.

Ministerpräsident Woidke lässt Nonnemacher machen 

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich erst vergangenen Freitag das erste Mal zu Wort gemeldet. Spät, fanden manche, andere Landesväter hätten deutlich früher das Wort ergriffen. Etwa Matthias Platzeck (SPD), der noch als Umweltminister selbst zum Krisenmanager und „Deichgrafen“ beim Oderhochwasser 1997 wurde – und sich so Meriten für das spätere Amt als Ministerpräsident erwarb. Woidke hielt sich bei Corona erst zurück, ließ Nonnemacher machen. Ein Ausdruck des neuen Führungsstils innerhalb der Kenia-Koalition, in der flachere Hierarchien gelten. So sprach Woidke von Nonnemacher und Innenminister Michael Stübgen (CDU) neulich nicht von seinen Stellvertretern oder Vizes, sondern von den beiden „Co-Ministerpräsidenten“. Zudem muss man seine Zurückhaltung wohl so deuten: Woidke, der vor Kenia, Berührungsängste mit den Grünen hatte, vertraut Nonnemacher, die als Ärztin nun genau das richtige Amt inne zu haben scheint. Dabei schwingt eine unausgesprochene Botschaft an die Brandenburger mit, die jetzt wichtig ist: Wenn ich dieser Frau zutraue, dass sie uns da halbwegs heil durchbringt, dann könnt ihr das auch.

Staatssekretär Michael Ranft spielt eine wichtige Rolle

So wie sich Nonnemacher auf ihre Leute verlässt. Eine wichtige Rolle in der Bewältigung der Krise spielt Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft, der seit 1991 mit Unterbrechung im Brandenburger Gesundheitsministerium arbeitet. Mediziner ist er nicht, sondern Volljurist, aber: Er kennt das Haus, die Ansprechpartner, bringt die Ministerin auf Stand, ist gut vernetzt. Ein Netzwerk aufbauen, sich in dem vom Krebsarznei-Skandal verunsicherten, personell gebeutelten Haus nicht abschotten – dieses Vorgehen gleich nach Amtsantritt, als sie mit der Afrikanischen Schweinepest voll gefordert war, gereicht Nonnemacher nun zum Vorteil. „Ich bin dabei, ,meinen Laden’ kennenzulernen, alle Abteilungen und nachgeordneten Behörden zu besuchen, mehr zu kommunizieren“, hatte Nonnemacher am 28. Januar in einem PNN-Interview erklärt.

Zum Luftholen bleibt ihr gerade kaum Zeit. Von früh morgens bis Mitternacht sei sie zurzeit in Beschlag, heißt es aus ihrem Haus. Aber noch beherzige sie den Rat, den sie auch der Bevölkerung gibt. Wenn möglich, gehe sie einmal am Tag an die frische Luft. Spazieren für eine halbe Stunde. Kraft schöpfen, etwas Normalität leben in der Krise.

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