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Tat- und Trauerort. Unweit der Rathaus-Passagen am Alexanderplatz lagen am Montag Blumen und brannten Kerzen an der Stelle, an der der junge Mann zusammengeschlagen worden war.

© Max Nikelski/dpa

Polizei ermittelt nun wegen Mord: Tatort Alexanderplatz

Ein 20-jähriger Berliner erlag, nachdem er am Wochenende brutal zusammengeschlagen wurde, am Montag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Während es erste Hinweise auf die Täter gibt, fordert Innensenator Henkel "eine schonungslose Debatte über diese Gewaltspirale".

Berlin - Verarbeitet hätten sie es noch nicht, sagt der junge Mann, der andächtig auf die flackernden Kerzen am Berliner Alexanderplatz starrt. „Wir sind alle sehr schockiert.“ Hier ist es passiert, vor dem „Eiscafé Lampe“. Der Mann, der erzählt, war dabei, als die Geburtstagsgäste aufbrachen – „wir haben ihn noch am Boden liegen sehen, er war bewusstlos, sah äußerlich normal aus“. Nur ein kleiner Fleck Blut sei auf dem Bürgersteig zu sehen gewesen, sagt der junge Mann mit den gelben Turnschuhen und kurzen Stoppelhaaren. Den ganzen Abend hätten sie im „Mio“ gefeiert. Jetzt ist einer der Freunde tot.

Nach dem brutalen Gewaltexzess vom Sonntag am Alexanderplatz erlag das 20-jährige Opfer am Montag seinen schweren Verletzungen. Laut Polizei starb der Berliner – ein Deutscher mit thailändischer Mutter – gegen 14.30 Uhr im Krankenhaus. Eine Spur zu den tatverdächtigen Schlägern hat die ermittelnde Mordkommission noch nicht. Die Beamten haben Zeugen befragt und prüfen nun unter anderem, ob es Videoaufzeichnungen aus Kameras in der Umgebung des Tatorts gibt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte die Tat abscheulich. Innensenator Frank Henkel (CDU) zeigte sich am Montag „zutiefst schockiert“. Nicht nur als Politiker, sondern auch als Familienvater gehe ihm das „unter die Haut“, wie es in einer Mitteilung hieß. „Es muss endlich eine schonungslose Debatte über diese Gewaltspirale beginnen“, sagte Henkel. Er sei enttäuscht, dass eine gesellschaftliche Diskussion, die er bereits im April versucht habe anzustoßen, auf wenig Resonanz gestoßen sei. „Wir dürfen aber nicht die Augen vor diesem Problem verschließen und stillschweigend zusehen, wie sich Verrohung und Gefühlskälte in unserer Mitte breitmachen und Hemmschwellen sinken“, sagte Henkel.

Nach mehreren brutalen Attacken nahe dem Alexanderplatz überlegt laut Henkel der zuständige Polizeiabschnitt, wie die Sicherheit erhöht werden kann. Über konkrete Maßnahmen wollte dort gestern aber noch keiner reden. Henkel selbst hält eine größere Polizeipräsenz für sehr wichtig, das Problem beginnt aber seiner Ansicht nach in den Köpfen und im Wertegefüge. „Bei einigen sind offenbar sämtliche zivilisatorischen Standards verloren gegangen. Das ist eine Herausforderung für uns alle“, sagte er.

Am Sonntagmorgen gegen vier Uhr hatte sich die brutale Attacke zugetragen. Entgegen ersten Meldungen der Polizei seien nicht drei, sondern vier angetrunkene Männer aus der Bar „Mio“ unter dem Fernsehturm gekommen, sagte ein Sprecher am Montagabend. Da einer von ihnen kaum noch gehen konnte, wollte das spätere Opfer einen Stuhl für ihn holen, der vor einem geschlossenen Biergarten in der Rathausstraße stand. Dabei sei ihm nach bisherigen Zeugenaussagen von einem Mann der Stuhl weggezogen worden. Als er fragte, was das solle, sei er von dem Unbekannten und zwei weiteren Männer angegriffen und geschlagen worden. Als er zu Boden ging, sollen die Angreifer auf ihn eingetreten haben.

Sein Begleiter habe versucht, ihm zu helfen, und sei daraufhin von der mittlerweile auf sieben Leute angewachsenen Tätergruppe attackiert und verletzt worden. Er sei bisher der einzige Zeuge, sagte der Polizeisprecher, denn der stark betrunkene Mann, für den der Stuhl bestimmt war, habe von der Attacke auf seine Freunde ebenso wenig mitbekommen wie der Vierte, der ein Taxi rufen wollte.

Nach Erkenntnissen der Polizei sind die Täter „türkisch- oder arabischstämmig“ und kamen aus Richtung des nahe gelegenen Restaurants „Cancun“.

Die jungen Leute, die am Montag vor dem Eiscafé Lampe trauern, wollen unbedingt, dass die Täter gefasst werden“. Sie alle seien hier in Berlin aufgewachsen, das Opfer habe gerade eine Ausbildung gemacht: „Er war ruhig und nett, keiner mit einer großen Klappe“, sagt er.

Noch am Abend habe die Polizei die Straße abgesperrt, erzählt eine Verkäuferin aus dem Eiscafe. Bis zum späten Sonntagvormittag hätten die Beamten Spuren gesichert, Zigarettenkippen und Glasscherben eingesammelt. Viele Gäste hätten am Montag nach den Kerzen und den weißen Rosensträußen gefragt, die gegenüber des Cafes an einem Metallbügel lehnen.

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