zum Hauptinhalt
Großaufgebot. Bis zu 300 Polizisten waren im Maskenmann-Fall zeitweise auf Spurensuche. In der zuständigen Soko „Imker“ gab es heftige Querelen.

© Nestor Bachmann/dpa

Polizei Brandenburg: Nichts gelernt aus dem Maskenmann-Fall?

In Brandenburgs Polizei gibt es kaum interne Beschwerden. Das kann verschieden interpretiert werden.

Potsdam - Mobbing in der Mordkommission, erfahrene Kriminalisten, die von ihren Vorgesetzten daran gehindert worden sein sollen, ordnungsgemäß zu ermitteln: Der Maskenmann-Fall um die ominöse Entführung eines Bankers 2012 am Storkower See schlug hohe Wellen. Weil in Ermittlerkreisen Zweifel blieben, ob mit dem 2015 vom Landgericht Frankfurt (Oder) zu lebenslanger Haft verurteilten Mario K. tatsächlich der richtige „Maskenmann“ hinter Gittern sitzt. Weil Polizisten in bislang nie dagewesener Weise öffentlich schwerste Vorwürfe gegen ihre Vorgesetzten erhoben und der Fall ein Schlaglicht auf die teilweise vorherrschende Führungsunkultur innerhalb der Brandenburger Polizei warf.

2016 verkündete Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke als Konsequenz aus dem Fall eine neue Führungskultur innerhalb des Polizeiapparats. Polizisten sollten ihre Vorgesetzten in Fragebögen bewerten, neue Leitlinien zur Führungskultur wurden erarbeitet. Ob die damals angekündigte „Transparenzoffensive“ tatsächlich für mehr Offenheit gesorgt hat – daran gibt es nun Zweifel.

Alles im Grünen Bereich?

Nicht bei Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). „Das Klima in der Polizei ist besser geworden“, verkündete er am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags überzeugt. Anlass war der Bericht zu Beschwerden bei der Polizei, der gemäß Landtagsbeschluss einmal im Jahr vorgestellt werden muss. Die Beschwerdezahlen, die aus dem Bericht hervorgehen, lassen tatsächlich den Eindruck entstehen: Alles im grünen Bereich. Erfasst werden sowohl Beschwerden von Bürgern über die Polizei als auch Meldungen über mutmaßliches Fehlverhalten unter Kollegen.

Insgesamt wurden im Vorjahr 906 interne und externe Anliegen erfasst, der Löwenanteil sind Beschwerden von Bürgern, etwa über verspätete Notrufannahme oder störende Hubschrauberflüge. Bei einer Organisation von rund 8000 Beschäftigten, welche ganzjährig rund und die Uhr rund 324 400 Einsätze zu bewältigen habe, sei das nicht viel, so Schröter. Mit 0,28 Prozent beschwerter Sachverhalte und 0,013 Prozent tatsächlich berechtigter Beschwerden gemessen am Gesamteinsatzgeschehen sei das Niveau sehr niedrig. „Dies lässt die Schlussfolgerung naheliegend erscheinen, dass sich das praktizierte Beschwerdemanagement als praktikabel und effizient darstellt und die Arbeit der Landespolizei weiterhin weniger in der Kritik steht als gemeinhin angenommen werden könnte“, heißt es in dem Bericht des Ministeriums.

Bemerkenswert: Innerhalb der Polizei habe es nur sechs berechtigte Anliegen gegeben. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher, macht das stutzig. „Das halte ich für unglaubwürdig“, sagte Nonnemacher im Ausschuss. Sie könne sich nicht vorstellen, dass es bei einer so großen Organisation nur so wenige Dispute in den eigenen Reihen gegeben habe. Wie viele der internen Beschwerden als ungerechtfertigt klassifiziert wurden, listet der Bericht gar nicht auf, wie die Ausschussvorsitzende Klara Geywitz (SPD) monierte.

Nonnemacher plädiert für Polizeibeschwerdestelle - erneut

„Es kann nicht sein, dass die, gegen die sich die Beschwerde richtet, über diese Beschwerde entscheiden“, kritisierte Nonnemacher und plädierte erneut für die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle. Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen hatte bereits 2015 im Zuge des Maskenmannfalls eine solche externe Stelle gefordert, an die sich Polizeibeamte bei innerdienstlichen Spannungen wenden können. Dass die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Polizeibeamte in Brandenburg dringend notwendig sei, zeigten die Vorwürfe, die im Maskenmannprozess erhoben worden seien, hieß es in der Antragsbegründung. In der brandenburgischen Polizei dürfe sich kein „Duckmäusertum“ breit machen. Beamte müssten die Möglichkeit haben, Kritik zu äußern. Der Antrag wurde seinerzeit ablehnt.

Auch jetzt hält der Minister so eine Stelle für überflüssig. Nonnemachers Zweifel an der niedrigen Beschwerdezahl beruhten nur auf einem „Bauchgefühl“, so Schröter. Er vertraue auf die Zahlen und darauf, dass die Situation in der Polizei nicht schöngeredet werde. Er sehe überhaupt keinen Anlass, etwas zu ändern. Halbjährlich finde ein Controlling auf Leitungsebene zu Führung und Management statt. Die Vorgesetzten stünden „auf allen Organisationsebenen im engen Kontakt mit ihren Mitarbeitern und können so bei wahrnehmbaren Problemen schnell und transparent agieren“, heißt es in dem Bericht. Die Interessenvertretungen seien dabei einbezogen.

Doch noch immer, drei Jahre nach dem Maskenmann-Prozess, wagen Beamte offenbar selten, Kritik zu üben. Ein Gewerkschafter sagt: „Wer sich beschwert, ist unten durch.“ Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. So viel zur Transparenzoffensive.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false