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Brandenburg: Platzeck hätte bei Volksentscheid Niederlage gedroht

Vor Landtagsbeschluss zum Nachtflugverbot zeigen Umfragen den Grund für SPD-Kehrtwende

Potsdam - Bislang unveröffentlichte Umfragen zum Stimmungsbild der Bevölkerung liefern eine mögliche Erklärung für die Kehrtwende von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) beim Nachtflugverbot am künftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld. Am heutigen Mittwoch soll Platzecks Volte mit der Annahme des mit 106 000 Stimmen ersten erfolgreichen Volksbegehrens der Landesgeschichte durch die rot-rote Koalition im Landtag besiegelt werden. Den Umfragen zufolge hätte Platzeck bei einem Volksentscheid im Sommer womöglich eine Niederlage gedroht, wenn er den Ruf nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr nicht vorher aufgenommen hätte.

Das geht indirekt aus einer am Dienstag von Linke-Landeschef Stefan Ludwig präsentierten Emnid-Umfrage im Auftrag der Linken hervor, für die vom 21.Januar bis 1.Februar 1000 Brandenburger befragt worden waren. Sie deckt sich dem Vernehmen nach mit einer weiteren Umfrage, die die Landes-SPD in Auftrag gegeben hatte, aber unter Verschluss hält. „Im Land gibt es eine Fifty-Fifty-Stimmung“, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Ness nur.

Laut Umfrage sind 48 Prozent der Brandenburger zwar gegen ein strengeres Nachtflugverbot am BER, aber bereits jetzt 43 Prozent dafür. 63 Prozent gaben an, zum Volksentscheid zu gehen. Der hätte nach der Analyse der rot-roten Strategen vor allem Nachtflug-Gegner und BER-Kritiker mobilisiert, während Befürworter eher zu Hause bleiben würden. Ein Erfolg des Volksbegehrens war im Bereich des Möglichen.

„Das Thema bewegt. Es ist geeignet zum Polarisieren“, sagte Ludwig. Vor allem ist nach der Umfrage der Ruf nach mehr Nachtruhe kein regional begrenzter Aufreger mehr, wovon Platzeck und die SPD noch Ende 2012 fest ausgingen. Die Stimmung sei in „allen Regionen, allen Alterschichten, allen Parteianhängern“ ähnlich, bestätigte Linke-Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige. In der Frage ist Brandenburg zerrissen – selbst innerhalb der Anhänger der Parteien. Bei SPD-Anhängern halten sich Befürworter und Gegner einer Ausweitung mit je 45 Prozent die Waage. Bei den Linke-Anhängern sind 47 Prozent für ein strengeres Nachtflugverbot, 48 Prozent dagegen. Bei den Anhängern der CDU, die in Brandenburg beim Nachtflugverbot noch vor der SPD eingeknickt war, sind 54 Prozent gegen eine Verschärfung, 38 Prozent dafür. Paradoxerweise wollen Grüne-Wähler eher auch nachts fliegen, 49 Prozent sind für den Status quo, 42 Prozent für eine Veschärfung.

Für seine Nachtruhe-Volte am Hauptstadtflughafen steht Platzeck, zugleich BER-Chefaufseher, weiter in der Kritik. Nicht nur aus Berlin. Am Dienstag griff ihn die FDP-Opposition im Landtag, die Platzeck bislang geschont hatte, frontal an. „Der Ministerpräsident verarscht die Menschen, um seine Macht zu erhalten“, sagte FDP-Landeschef Gregor Beyer. Der Regierungschef sei umgefallen und gefährde damit den wirtschaftlichen Erfolg des BER. „So macht man keine verlässliche Politik.“ CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski sagte, Platzeck täusche die Brandenburger und habe Angst, bei einem Volksentscheid politisch unter die Räder zu kommen.

Platzeck, der Anfang Januar in der Wählergunst erstmals seit 2002 stark abgesackt war, konnte nach Übernahme des BER-Aufsichtsratsvorsitzes seine Stellung inzwischen wieder stabilisieren. Jetzt traut ihm eine Mehrheit von 54 Prozent zu, das BER-Desaster zu bewältigen. 44 Prozent glauben das nicht. Die SPD liegt in der Sonntagsfrage mit 36 Prozent, für die Berliner SPD und die Bundespartei ein Traumwert, weit vor CDU (23) und Linken (22), die Grünen liegen bei acht Prozent, die Piraten bei vier, die FDP bei drei Prozent. Die Zahlen lassen Platzeck und seine Genossen auftrumpfen, auch Richtung Berlin. Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher warf Berlin „eine bockige Verweigerungshaltung“ vor. „Ich würde mir wünschen, dass man in Berlin das Denken auch ein bisschen, wie sich das für eine nicht-provinzielle Stadt gehört, über die Stadtgrenzen hinaus richtet.“ (mit axf)

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