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Den Schieters wat bibringen. Doris Meinke von der Zentralstelle für Niederdeutsch in Prenzlau unterrichtet Plattdeutsch in einer dritten Klasse der Pestalozzi-Grundschule in Prenzlau. Der achtjährige Schüler Pepe Pieniak schreibt auf Plattdeutsch an die Tafel.

© P. Pleul/dpa

Brandenburg: „Platt foer Kloagschieters“

Einst haben es Lehrer in Preußen ihren Schülern schmerzhaft ausgetrieben – das Plattdeutsche Jetzt erlebt die damals verpönte Mundart in Brandenburg eine Renaissance

Prenzlau - „Mi Noam is Pepe“, formuliert der blonde Drittklässler langsam und die plattdeutschen Formulierungen gehen ihm noch recht mühsam über die Lippen. Erst seit wenigen Wochen üben sich Pepe und seine Mitschüler in der Prenzlauer Pestalozzi-Grundschule an der niederdeutschen Sprache. Ihre Augen hängen an Doris Meinke, die fließend Platt spricht, die zunächst ungewohnten Wörter geduldig wiederholt und jede richtige Aussprache der Kinder mit einem strahlenden Lächeln sowie dem Kommentar „wunnerboar“ quittiert.

Scarlett, Henning und Dustin sind da schon viel weiter, haben bereits zwei Jahre lang Plattdeutsch gepaukt - eine echte „Geheimsprache“ nur für Eingeweihte wie den eigenen Großeltern und viel besser als Englisch, erzählen die Grundschüler begeistert. Damit das Plattdeutsche nicht so geheim bleibt, hat Doris Meinke mit Scarlett und den anderen ein Arbeitsheft erarbeitet. In „Plattdütsch foer ju“ erlernen Kinder der dritten und vierten Klassen auf mehr als 50 Seiten spielerisch die niederdeutsche Sprache, die einst in der Uckermark weit verbreitet war. „Wir haben nur Aufgaben mit in das Heft genommen, die den Kindern gefielen - Lückentexte, Rätsel, Lieder, Sachen zum Ausmalen und Rechnen“, erzählt Meinke, Prenzlauer Pionierin in Sachen Mundartpflege.

Ohne eine Art Lehrbuch sei der niederdeutsche Sprachunterricht schwierig, begründet die gelernte Krankenschwester dieses Projekt, das von der Bürgerstiftung der Sparkassse Uckermark finanziell unterstützt wurde. Meinke muss es wissen, hat sie doch bereits Mitte der 1990-er Jahre in mehreren Arbeitsgemeinschaften damit begonnen, das Plattdeutsche wieder in den Sprachgebrauch der Uckermärker zu bekommen. Jahrelang mühte sie sich ehrenamtlich, seit Jahresbeginn ist Meinke Angestellte der Prenzlauer Stadtverwaltung, hat ihr Büro im Stadtarchiv. „Ich bin mit Platt auf dem Dorf aufgewachsen, um mich herum sprachen alle so“, erinnert sich die 57-Jährige. Als sie später für ein Technik-Studium nach Sachsen zog, bekam sie ziemliches Heimweh. „Mir fehlte der Klang der Sprache. Am Telefon musste meine Mutter immer Platt mit mir sprechen. Sprache ist Heimat“, erinnert sie sich.

Zu DDR-Zeiten sei die charakteristische Mundart auch durch viele Zuzügler aus anderen Regionen in Vergessenheit geraten. Erst mit der Gründung des Landkreises Uckermark nach der Wende lebte sie laut Meinke wieder auf. „Mein Ziel ist es, dass jedes Prenzlauer Schulkind die Mundart der Großeltern wieder erlernt - frei nach dem Motto: Was Hänschen lernt, weiß auch Hans noch“, sagt Meinke, die aktuell Unterricht an vier Prenzlauer Grundschulen gibt und auch schon bekannte Märchen ins Plattdeutsche übersetzt hat.

An der Prenzlauer Pestalozzi-Grundschule war sie auf offenen Ohren gestoßen. „Meine Familie hat Platt gesprochen, als ich Kind war. Inzwischen hat sich der Sprachgebrauch aber weitgehend verloren“, erzählt Schulleiter Jörg Wesenberg. Doch er möchte die alte Tradition pflegen, die seiner Ansicht nach ganz viel mit Identität zu tun hat.

Die Resonanz ist inzwischen riesig, auch aus anderen Regionen der Uckermark. „Jetzt sind die Ohren geöffnet dafür und wir müssen dafür sorgen, dass Platt nicht ausstirbt“, sagt Meinke, deren Kapazitäten jedoch begrenzt sind. Die Themen im Arbeitsheft seien mühelos in den „normalen“ Unterricht zu integrieren, ob nun Sachkunde, Deutsch oder Mathe. „Da müssen die Lehrer halt mitziehen, den Lehrstoff beispielsweise auf Platt wiederholen, um ihn zu festigen“, sagt die 57-Jährige, die auch Weiterbildungen für Pädagogen anbietet. Schwer zu erlernen sei das Niederdeutsche nicht, für Schüler gebe es da schnell Erfolgserlebnisse, glaubt sie. Der „richtige Aufwind“ für Plattdeutsch sei erst mit der Gründung des Vereins „Niederdeutsch in Brandenburg“ vor zwei Jahren gekommen, erzählt sie.

Denn nicht nur in der Uckermark, sondern auch in anderen Landesteilen wurde das märkische Platt früher gesprochen. „Inzwischen besinnen sich viele darauf, was ihre Gegend genau ausmacht“, sagt Meinke.

Seit zwei Jahren gibt es auch eine Arbeitsgruppe Niederdeutsch beim Brandenburger Kulturministerium, bestätigt Ministeriumssprecher Stephan Breiding. „Ähnlich wie das Sorbische gehört auch Plattdeutsch zur Identität Brandenburgs. Zudem ist es eine europaweit geschützte Regionalsprache, zu deren Verbreitung, Pflege und Revitalisierung sich das Land bekennt“, sagte er. Laut einer Vereinbarung, die das Kulturministerium im August dieses Jahres vorgelegt hat, wird der Verein für Niederdeutsch ab sofort jährlich mit 50 000 Euro finanziell unterstützt. (dpa)

Jeanette Bederke

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