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Brandenburg: Piattos Handy

Abgeordnete des NSU-Untersuchungsausschusses holen sich bei Kollegen Rat zur weiteren Aufklärung

Potsdam - Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat weitere Unterlagen des Landesverfassungsschutzes zum umstrittenen Brandenburger V-Mann „Piatto“ angefordert. „Wir wollen alles, was sein Handy und den Wechsel seines Handys betrifft“, sagte der Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) in einer Anhörung im Potsdamer Landtag. Dort holte sich das Brandenburger NSU-Aufklärungsgremium am Montag nämlich Rat bei anderen U-Ausschüssen zur Aufklärung der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle. In Brandenburg steht der frühere V-Mann „Piatto“ im Zentrum, von dem es 1998 präzise Hinweise auf ein untergetauchtes Skinhead-Trio gab, das Waffen besorge und Überfälle begehen wolle.

Es war bundesweit einer der wenigen Hinweise auf den NSU überhaupt, der erst nach einer Mord- und Verbrechensserie quer durch Deutschland 2011 aufgeflogen war. Brandenburgs Verfassungsschutz steht in der Kritik, weil der Hinweis von „Piatto“ folgenlos blieb. Der Ausschuss soll Vorwürfe klären, der Brandenburger Verfassungsschutz habe Hinweise auf das NSU-Trio nicht ausreichend an die Thüringer Polizei weitergegeben, um den eigenen V-Mann „Piatto“ zu schützen. Da die Behörde damals ein Veto einlegte, begründet mit Quellenschutz, erhielt die Thüringer Polizei nur einen eingeschränkten mündlichen Hinweis.

An diesem Punkt, nämlich dass sie die Quelle nicht offenlegen wollte, nahm zumindest Binninger die Brandenburger Behörde in Schutz. „Was bekannt war, hätte gereicht, um eine Zielfahndung zu veranlassen“, sagte Binninger. Bei den Zielfahndern des Thüringer Landeskriminalamtes kam aber nie ein Hinweis an. Gleichwohl ließ auch Binninger keinen Zweifel daran, dass seiner Auffassung nach „Piatto“ vom Verfassungsschutz Brandenburgs nie hätte angeheuert werden dürfen. Mit der Anwerbung eines V-Manns, der wegen versuchten Totschlags in Haft saß, „hat der Rechtsstaat eine rote Linie überschritten“, sagte Binninger.

Er hatte konkrete Anregungen, wo der Brandenburger Ausschuss zur Rolle von „Piatto“ noch nachhaken könne – etwa zu den Handys des V-Mannes. An dem Tag, als dieser im September 1998 vom Verfassungsschutz ein neues Mobilfunkgerät bekommen hatte, wurde bei einer Telefonüberwachung durch die Thüringer Polizei eine SMS registriert: „Was ist mit dem Bums?“ Absender war ein Rechtsextremist, der in Kontakt zu den untergetauchten Skinheads stand. Und Binninger verwies darauf, dass es zwischen August und Oktober 1998, einem kurzen Zeitraum, ja erst ein hohes Meldeaufkommen „Piattos“ gegeben habe, was eine Beratung dreier Landesämter nach sich zog. „Und dann ist plötzlich Sense?“, fragte Binninger. Habe danach niemand nachgefragt – oder „Piatto“ nachfragen lassen –, was aus seinen Hinweisen geworden ist?

Im Zusammenhang mit dem NSU-Trio ist auch ein weiterer Brandenburger durch einen Hinweis ins Visier geraten. Der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschusses, Sven Wolf, berichtete, dass der frühere V-Mann Toni Stadler dort als Zeuge vernommen worden sei. Er lebe inzwischen in Dortmund, habe ausgesagt, dass er „Piatto“ zwei, drei Mal persönlich getroffen habe. Der Fall Stadler hatte in Brandenburg 2003 einen Verfassungsschutzskandal ausgelöst. Der Rechtsextremist hatte mit Wissen der Behörde eine Lieder-CD mit Mordaufrufen produziert und auch vertrieben.

Die Obleute aller Fraktionen sprachen sich dafür aus, ehemalige V-Leute als Zeugen zu hören. Dann könnte vom Frühjahr an neben den Führungsleuten auch „Piatto“ im Ausschuss vernommen werden.

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