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Pharmaskandal um Krebsmedikamente: In Brandenburg und Berlin mindestens 220 Patienten betroffen

Vier Wochen nachdem Lunapharm wegen gestohlener Medikamente ins Visier geraten ist, wird erstmals bekannt: Allein in Brandenburg und Berlin sind 220 Patienten betroffen.

Berlin/Potsdam - Im bundesweiten Pharmaskandal um die Brandenburger Firma Lunapharm gibt es erstmals Zahlen, wie viele Patienten die womöglich unwirksamen Krebsmedikamente bekommen haben. Nach PNN-Informationen sind allein in Berlin und Brandenburg mindestens 220 Patienten betroffen. Dies geht aus Angaben der Berliner Gesundheitsverwaltung hervor. Demnach wurden die umstrittenen Präparate deutlich weiter verteilt als bislang bekannt: Über drei Berliner Apotheken gelangten sie an 14 Arztpraxen in der Stadt und vier Praxen und eine Rehaklinik in Brandenburg. Lunapharm hatte die Medikamente, die vermutlich aus Krankenhäusern in Griechenland und Italien gestohlen wurden, nach früheren Angaben der Brandenburger Behörden insgesamt in elf Bundesländer geliefert. Die umstrittenen Präparate wurden inzwischen zurückgerufen.
Diesen ersten belastbaren Zahlen zu betroffenen Patienten ging eine Antwort der Berliner Gesundheitsstaatssekretärin Barbara König (SPD) auf eine Anfrage des FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja im Abgeordnetenhaus voraus. In der Antwort, die den PNN vorliegt, geht es um den Zeitraum Mitte 2015 bis Anfang 2017 und um die Mittel Herceptin, Mabthera, Velcade sowie Xgeva. Inwiefern die Medikamente tatsächlich medizinisch problematisch waren, ist unter Ärzten umstritten.

Angesichts der hohen Zahl betroffener Berliner erklärte Czaja am Mittwoch: „Im Lunapharm-Skandal darf nur eine Maxime gelten: absolute Transparenz und Aufklärung.“ Der Senat müsse Sorge tragen, dass das Wohl der betroffenen Patienten oberste Priorität habe und die behandelnden Ärzte entsprechende Unterstützung erführen. In ihrer Antwort versicherte König, dass in Berlin schon Konsequenzen gezogen wurden: Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales führe entsprechende Qualitätskontrollen durch.

In Brandenburg wiederum machte Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) am Mittwoch keine Angaben über die Zahl betroffener Patienten. Auf Anfrage erklärte das Ministerium: „Die Angabe belastbarer Patientenzahlen ist nicht möglich.“ Sie begründete dies damit, dass das Landesamt für Versorgung und Gesundheit (LAGV) allenfalls „bis zur endabgebenden Apotheke ermitteln“ könne – und Apotheken und Ärzte seien nicht verpflichtet, „statistische Angaben zu machen“.
Der Skandal um den Medikamentenhändler Lunapharm, dem die Behörden inzwischen die Herstellung von und den Handel mit Arzneien untersagt haben, erschüttert Brandenburgs Regierung seit vier Wochen. Ministerin Golze, die einen Rücktritt ablehnte, gerät wegen ihres Krisenmanagements unter Druck.
An diesem Donnerstag muss Ministerin Golze – wohl gemeinsam mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) – auf einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Landtag darüber sprechen, warum die Arzneimittelaufsicht 2016 nicht reagiert hat. Damals hatte es Hinweise aus Polen auf Ungereimtheiten bei Lunapharm gegeben, zudem wurden 2017 staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen. Die von Golze eingesetzte Taskforce mit externen Experten will am 28. August einen Zwischenbericht vorlegen.

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