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Brandenburg: Pharmaskandal: Korruption bei der Arzneikontrolle? Strafanzeige gegen Behördenmitarbeiter Berlin macht bei Aufklärung Druck auf Brandenburg

Potsdam - Der Vorwurf wiegt schwer. Aber nach allem was man bislang über den Arzneimittelskandal in Brandenburg weiß, überrascht er nicht: Ein für die Medikamentenkontrolle zuständiger, leitender Mitarbeiter des Landesgesundheitsamtes soll korrupt sein.

Potsdam - Der Vorwurf wiegt schwer. Aber nach allem was man bislang über den Arzneimittelskandal in Brandenburg weiß, überrascht er nicht: Ein für die Medikamentenkontrolle zuständiger, leitender Mitarbeiter des Landesgesundheitsamtes soll korrupt sein. Das Gesundheitsministerium hat nun – ohne den Grund zunächst offiziell zu nennen – Strafanzeige erstattet. Denn dass eine Behörde es über ein Jahr lang – was schlimm genug wäre – einfach nur „verschusselt“ haben soll, Hinweise auf Medikamentendiebstahl zu dokumentieren, ihnen vehement nachzugehen, an die Ministerin zu melden – unglaubwürdig.

„Wir können nicht ausschließen, dass Informationen unterschlagen wurden“, hatte die zuständige Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt am Mittwoch erklärt. Denn in den Akten des Landesamtes fehlen wie berichtet ein Amtshilfeersuchen des Landeskriminalamtes genauso wie der Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass gegen den Pharmahändler Lunapharm in Mahlow (Teltow-Fläming) wegen Hehlerei ermittelt wird. Beides Hinweise aus dem Frühjahr 2017. Beim Verdacht auf Handel mit gestohlenen Medikamenten hätte die Arzneimittelaufsicht der Firma sofort die Betriebserlaubnis entziehen können – und müssen. Das ist nun erst am gestrigen Freitag geschehen. Bislang war es Lunapharm nur untersagt, Medikamente einer griechischen Apotheke nicht mehr zu beziehen, weil diese keine Großhandelserlaubnis besitze. Von gestohlenen Medikamenten war keine Rede.

Das ARD-Magazin „Kontraste“, das den illegalen Pharmahandel aufdeckte, hatte schon früh darauf hingewiesen, dass wohl bewusst im Sinne des märkischen Pharmahändlers gehandelt wurde, der die mutmaßlich gestohlenen Medikamente aus Griechenland vertrieb. Die Firmenexistenz sei in Gefahr, wenn man zu hart gegen Lunapharm vorgehe, heißt es laut „Kontraste“-Bericht in einer Mail der Brandenburger an die griechische Behörde. Das kriminelle Geschäft mit Arznei ist lukrativ: rund 5000 Euro kostet eine Ampulle der hochsensiblen Krebsmedikamente, die aus griechischen Krankenhäusern gestohlen und dann über Lunapharm vertrieben worden sein sollen. Die Firma bestreitet krumme Geschäfte.

Aufzuklären gibt es auch nach der Strafanzeige und dem Entzug der Betriebserlaubnis noch sehr viel. Berlin, das direkt von dem Skandal betroffen ist, macht dabei nun Druck auf Brandenburg. „Patientenschutz hat für mich allererste Priorität“, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Deshalb habe Berlin sofort gehandelt und eine betroffene Apotheke in der Hauptstadt überprüft. „Wir sind allerdings auf schnelle und lückenlose Informationen aus Brandenburg angewiesen“, machte Kolat deutlich. In Berlin ist nach Kenntnis des dortigen Landesamtes für Gesundheit und Soziales eine Apotheke Opfer des Skandals geworden. Sie wurde Kolats Angaben zufolge von Lunapharm mit vier verschiedenen Krebsmedikamenten beliefert. Zwischen September 2015 und März 2017 seien sieben Praxen beziehungsweise medizinische Einrichtungen mit möglicherweise gestohlenen Arzneimitteln beliefert worden, davon vier in Berlin, heißt es in der Information von Kolat weiter. Apotheken in Brandenburg sind nach derzeitigen Erkenntnisstand nicht betroffen. Laut Rückrufliste, die den PNN vorliegt, gingen die Medikamente auch nach Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

„Da der Großhändler eine gültige Handelserlaubnis hat, war für die Apotheke nicht erkennbar, dass es sich um gestohlene Arzneimittel handeln könnte“, schreibt Kolat. Derzeit gebe es aber keine Erkenntnisse, dass in Berlin Patienten geschädigt wurden. Die Empfänger der Arzneimittel würden jetzt von der Apotheke informiert, damit diese wiederum ihre mit ihren Patienten sprechen können.

Auch der Landtag fordert weiter Aufklärung von Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke). Die Fraktionen von Grünen und CDU haben für Mittwoch wie berichtet eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses beantragt. In einem Brief an die Ausschussvorsitzende Sylvia Lehmann (SPD) bittet die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ursula Nonnemacher, selbst Ärztin, darum, dass auch erfahrene Pharmakologen oder Pharmazeuten an der Sitzung teilnehmen. Denn unklar ist weiter, ob die Medikamente tatsächlich unwirksam waren und welche gesundheitlichen Schäden sie angerichtet haben könnten. Auch Experten für Arzneimittelrecht sollen gehört werden.

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