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Vergaloppiert. Wie hier am 6. Januar 2013 veranstaltet das Neustädter Gestüt regelmäßig Springtourniere. Doch auch Veranstaltungen wie diese bringen zu wenig Geld ein: Die Anlage ist auf zwei Millionen Euro Landesmittel jährlich angewiesen.

© Bernd Settnik/dpa

Pferdesport: Ungedeckt

Das Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) braucht doppelt so viel Landeszuschüsse wie vorgesehen. Und das, obwohl sich die Anlage unter Züchtern auch aus dem Ausland einen Namen gemacht hat.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Die Pferde heißen Cashmore, Descolari oder Quaterstern und werden auf der Homepage der Neustädter Gestüte als „bedeutende Vererber“ beworben. Mitte Februar beginnt beim Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) die neue Decksaison, 40 Hengste stehen dann wieder zur Besamung bereit. Doch obwohl die eigenen Angaben zufolge größte Gestütsanlage Deutschlands auch über die Landesgrenze hinaus bekannt ist und sich unter Züchtern einen Namen gemacht hat, macht das Gestüt seit Jahren Miese und ist auf Steuergelder in Millionenhöhe angewiesen. Und dies auch in den kommenden Jahren, wie aus dem neuen Konzept der Geschäftsführung hervorgeht. Bis 2018 braucht das Gestüt weiterhin 2,1 Millionen Euro jährlich, um „weitestgehend kostendeckend“ zu wirtschaften, heißt es dort. Schon seit 2010 muss dieser Betrag vom klammen Brandenburger Haushalt abgezweigt werden.

Geplant war dies anders. 2001 wurde das Gestüt per Gesetz in eine Stiftung bürgerlichen Rechts umgewandelt. Die damalige Landesregierung wollte so an EU-Gelder rankommen, um die 1788 von König Friedrich Wilhelm II. gegründete Anlage denkmalgerecht zu sanieren. Außerdem sollte so das Werben um Sponsoren vereinfacht werden. Auch die Fortsetzung der Zahlung von Landesgeldern wurde damals beschlossen, allerdings mit der Maßgabe, die Ausgaben von rund 1,5 Millionen Euro ab 2003 jährlich um drei Prozent zu sinken.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Statt die Kosten auf 1,1 Millionen Euro zu reduzieren, liegen sie nun fast doppelt so hoch. Die Kommissarische Geschäftsführerin Regine Ebert verweist unter anderem auf Mehrkosten für das touristische Engagement, zu denen das Land das Gestüt verpflichtet hat. Viele davon sind defizitär, wie etwa die drei Hengstparaden im Herbst. „Früher kamen bis zu 6 000 Gäste, heute sind es 3 000 bis 4 000“, sagt Ebert. Die Preise für die Platzkarten will sie aber nicht erhöhen, um nicht noch mehr Gäste zu verlieren. Gerade für Besucher aus der Region seien mehr als 28 Euro einfach nicht drin. Doch auch Publikumsmagnete wie das Springreit-Turnier CSI mit bis zu 47 000 Gästen brächten Verluste, sagt Ebert. „Der Aufwand für Veranstaltungen dieser Größenordnung ist riesig.“

Gleichzeitig stiegen die Personalkosten, die den größten Teil der Gestütsausgaben ausmachen. 66 Mitarbeiter und 17 Auszubildende sind dort derzeit beschäftigt. „Wir sind dazu verpflichtet, Tariflöhne zu zahlen, gleichzeitig wurde aber nicht berücksichtigt, dass diese in den vergangenen Jahren gestiegen sind“, sagt die Geschäftsführerin.

Aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Axel Vogel ist die Struktur des Gestüts das Problem. Es sei ein Fehler der Landesregierung gewesen, zu denken, dass die finanziellen Probleme sich durch die Gründung einer Stiftung lösen ließen. Die EU-Gelder seien zwar geflossen, müssten aber nun durch die Landesregierung aufgefangen werden. Er ist für eine Trennung in eine Vermögens- und eine Betriebsgesellschaft, wobei Zweitere unabhängig und wirtschaftlich arbeiten könnte. Das von der Geschäftsführung vorgelegte Konzept hält Vogel für nicht durchsetzbar, er erwartet nun eine überarbeitete Version des Ministeriums.

In der Region ist man erwartungsgemäß dagegen, dass der Landeszuschuss gekürzt wird. Das Gestüt sei die „Perle der Region“, schwärmt der Direktor des Amtes Neustadt (Dosse). Er vergleicht die Anlage mit einem Opernhaus oder anderen Kulturgütern. „Da stellt sich die Frage der ökonomischen Sinnhaftigkeit nicht.“ Das Gut locke durch seine „weltweite Bekanntheit“ zahlreiche Touristen an und sichere zudem Arbeitsplätze.

Als Friedrich Wilhelm II. das Gestüt vor über 225 Jahren gründete, legte er damit die Grundlage für die preußische Pferdezucht. Damit wollte sich der Herrscher unabhängig von Pferde-Importen aus dem Ausland machen und seine Armee selbst ausstatten. Die Anlage rund 100 Kilometer nordwestlich von Berlin im klassizistischen Stil besteht aus Wohnhäusern, Wirtschaftshöfen und Ställen. Bis Ende 2013 soll das historische Ensemble komplett saniert sein.

Neben Besamungen durch Zuchthengste und dem Verkauf von Pferden gehört auch eine Reit- und Kutschfahrschule zum Gestüt. Auch Neustädter Schüler nutzen die Anlage. Reiten ist seit einiger Zeit Wahlpflichtfach. Katharina Wiechers

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