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Brandenburg: Peiniger des kleinen Pascal muss elf Jahre ins Gefängnis

Richter verurteilen Ex-Freund der Mutter zu langer Haftstrafe, die Mutter zu drei Jahren. Sie hat zu oft weggeschaut und entschuldigt

Von Sandra Dassler

Richter verurteilen Ex-Freund der Mutter zu langer Haftstrafe, die Mutter zu drei Jahren. Sie hat zu oft weggeschaut und entschuldigt Von Sandra Dassler Frankfurt (Oder). Im Prozess um die Misshandlungen des zweijährigen Pascal aus Strausberg verkündete das Landgericht in Frankfurt (Oder) am Dienstag die Urteile. Der kleine Junge wird wahrscheinlich für immer schwer behindert bleiben. Der Ex-Freund von Pascals Mutter, der 24-jährige Marcel O., wurde zu elf Jahren Haft verurteilt, Pascals Mutter, die 22-jährige Melanie J., zu drei Jahren Haft, weil sie ihre Fürsorgepflicht verletzt hatte. Im März dieses Jahres war der Junge in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert worden. Die Ärzte stellten Rippenbrüche und Kopfverletzungen fest, der Magen war eingerissen und durch ein Loch im Darm ergoss sich Flüssigkeit in die Bauchhöhle. Durch eine Notoperation wurde das Kind gerettet. Mindestens zwölf Mal blieb Pascals Herz stehen, immer wieder holten ihn die Ärzte ins Leben zurück. Der Junge liegt immer noch im Krankenhaus. „Er leidet unter spastischer Lähmung und einer Verkrümmung der Wirbelsäule, er kann nicht richtig sehen, nicht laufen oder sprechen und wird wahrscheinlich sein Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen sein“, sagte Michael Voß vom Landesinstitut für Rechtsmedizin vor Gericht. Während Pascals Mutter bei solchen Schilderungen auf der Anklagebank oft in Tränen ausbrach oder ein Papiertaschentuch in der Hand zerknüllte, zeigte der Mann neben ihr keine Regung. An allen Verhandlungstagen hat der 24-jährige Marcel O. eher gelangweilt das Geschehen im Gerichtssaal verfolgt. Vom April 2002 bis März 2003 soll er den kleinen Jungen immer wieder misshandelt haben. Als das Kind ins Krankenhaus eingeliefert wurde, stellten die Ärzte neben den aktuellen Verletzungen auch Knochenbrüche, Quetschungen und Narben fest, die von länger zurückliegenden Verletzungen stammten. Marcel O. war der Lebensgefährte von Pascals Mutter Melanie J. Sie ist die Tochter einer Lehrerin. Die junge Mutter war mitangeklagt, weil sie in einem Fall den Jungen selbst geschlagen und in allen anderen Fällen nichts gegen die offensichtlichen Misshandlungen ihres Sohnes durch Marcel O. unternommen und sie sogar entschuldigt haben soll. Wenn die junge Frau ihren Sohn mit gebrochenen Knochen zum Arzt brachte, hatte sie jedes Mal eine andere Begründung: Mal war der Junge aus dem Bett gefallen, mal vom Stuhl gestürzt. Melanie J. wechselte die Ärzte häufig, es ist trotzdem schwer zu verstehen, warum ihr so viele so lange glaubten. Aber an diesem Fall ist vieles unglaublich: Zum Beispiel dass der leibliche Vater von Pascal immer wieder das Jugendamt Märkisch-Oderland über die Misshandlungen informiert hatte, ohne dass die Mitarbeiter dort etwas unternommen haben. Man glaubte ihm nicht. Eine Anzeige, die er bei der Strausberger Polizei aufgab, verschwand spurlos. Erst als eine Ärztin Spuren von Misshandlungen entdeckte, reagierte das Jugendamt. Pascal kam für einige Zeit in eine Pflegefamilie, wurde später aber wieder an die Mutter zurückgegeben. Das zuständige Jugendgericht sah „keine konkrete Gefährdungssituation“. Freunde, Verwandte und Bekannte des Paares müssen entweder blind oder grenzenlos naiv gewesen sein, um die Qualen dieses kleinen Jungen nicht zu erkennen. „Wenn Marcel zur Tür hereinkam, zitterte der Junge genauso wie der Hund“, erzählte ein Zeuge vor Gericht. Auch Pascals Mutter räumte ein, dass ihr die Angst des Kindes vor ihrem Lebensgefährten Marcel O. nicht entgangen sei. Sie sei ihm aber hörig gewesen und habe deshalb nichts unternommen. Die 22-Jährige hat inzwischen einen Sohn von Marcel O. zur Welt gebracht. Er lebt in einer Pflegefamilie. Die Nebenkläger hatten auf Strafen von 15 und fünf Jahren plädiert, die Verteidigung hatte ein mildes Urteil für Marcel O. und eine Bewährungsstrafe für Pascals Mutter gefordert.

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