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Rückkehrer. Stefanie und Ivo Baumert lebten zeitweise in Hamburg, inzwischen sind sie in ihren Heimatort Spremberg zurückgekehrt – und glücklich mit der Entscheidung.

© Patrick Pleul/dpa

Ostdeutsche im Westen: „Mach Mutti glücklich. Komm zurück.“

Nach der Wende zog es viele Ostdeutsche in den Westen. Nun kehren viele wieder – wie Familie Baumert aus Spremberg.

Spremberg - Eine kleine Straße, wie man sie sich in einer Neubausiedlung in Deutschland vorstellt: gepflegte Einfamilienhäuser, frisch angelegte Gärten mit Spielgeräten. Neuer Straßenbelag, hier und da wird noch gebaut. Doch diese kleine Straße in Südbrandenburg hat eine Besonderheit. Anwohner Ivo Baumert zeigt von seinem Grundstück auf Häuser von Nachbarn. Sie alle verbinde eines mit ihm: Nach der Wende zogen sie aus ihrer Heimatstadt Spremberg (Spree-Neiße) nach Westdeutschland – und kamen wieder zurück. Immer mehr Weggezogene - ob in andere ostdeutsche oder westdeutsche Bundesländer – zieht es wieder an frühere Wohnorte im Osten. Die Regionen buhlen um sie.

Es gibt viele Rückkehr-Initiativen. Es wird in Werbung und Kampagnen investiert. Nicht erst seit kurzem. Der Slogan einer Postkarten-Aktion vor Jahren aus Brandenburg etwa lautete so: „Mach Mutti glücklich. Komm zurück.“ Bei Familie Baumert lief die Rückkehr ganz ohne fremde Hilfe ab. Seit annähernd einem Jahr lebt das Ehepaar mit seinen zwei Kindern wieder in Spremberg, zuvor hatten sie in Hamburg gewohnt. „Wir wollten wieder näher Richtung Familie ziehen, auch wegen der Hilfe der Großeltern bei der Kinderbetreuung“, sagt Stefanie Baumert.

Viele Rückkehrer stoßen in den Städten auf einen angespannten Wohnungsmarkt

Eigentlich wollte das Ehepaar in den Speckgürtel von Berlin ziehen, weil sie in der Hauptstadt auf schnelle Anschluss-Jobs hofften. Doch es gab ein Problem. „Alle sind auf der Suche nach Immobilien, aber in und um Großstädte herum sind sie teuer“, sagt Ivo Baumert. Damit habe es einen Grund mehr für Südbrandenburg gegeben. Auch wenn bislang nur der 37-Jährige eine Arbeit in Cottbus als Steuerberater gefunden hat und seine 40 Jahre alte Gefährtin als Bankkauffrau noch auf Jobsuche ist.

Der Trend zur Rückkehr hat in den vergangenen Jahren in Ostdeutschland zugenommen, wie Tim Leibert vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig sagt. Als einen Grund nennt er die verbesserte Arbeitsmarktsituation. Zugleich erläutert er: „Rückwanderung ist in erster Linie eine Rückwanderung in soziale Netze wie Familie.“

Leibert stützt sich auf eine Studie des Instituts. Sie bildet Erwerbstätige in Deutschland ab, die zunächst umzogen und zwischen 2001 und 2014 wieder dorthin zurückkamen. Die Untersuchung zeigt auch, dass Rückkehr kein speziell ausgeprägtes Phänomen im Osten ist, sondern genauso in Westdeutschland vorkommt. Bundesweiter Spitzenreiter bei der Rückkehrerquote ist laut Studie der Landkreis Eichsfeld in Thüringen. Das Rückkehr-Netzwerk „Ankommen in Brandenburg“ spricht ebenfalls von steigenden Anfragen und nennt als Gründe neben der Arbeitsmarktsituation: In Ballungszentren steigen die Immobilienpreise, was ländlichere Regionen wieder attraktiver mache. Auch die Pflege der Eltern oder ein Immobilien-Erbe seien Faktoren für eine Rückkehr. Ähnlich äußert sich die Agentur mv4you in Mecklenburg-Vorpommern, die ein vom Land kofinanziertes Jobportal-Projekt betreut. Häufig handele es sich um junge Familien. Die Nähe zur eigenen Familie spiele beim Zurückkommen die größte Rolle. Aber auch die Verbundenheit zur Heimat sei ein Aspekt.

In Ostdeutschland konnten die Geburten die Sterbefälle im vergangenen Jahr nicht ausgleichen

In Sachsen sei man dringend auf Rückkehrer angewiesen, sagt Frank Vollgold, Sprecher der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit. Aufgrund des demografischen Wandels gingen dem sächsischen Arbeitsmarkt bis 2025 schätzungsweise rund 213 900 Menschen im arbeitsfähigen Alter verloren. Davon seien alle Regionen bis auf Leipzig und Dresden betroffen. Dass viele Regionen auf Rückkehrer setzen, liegt auch an den Bevölkerungszahlen in Ostdeutschland.

Laut Statistischem Bundesamt gab es in den vergangenen Jahren weniger Geburten als Sterbefälle. Die Zuzüge konnten dieses Geburtendefizit in der Regel nicht ausgleichen. 1990 lebten in Ostdeutschland (ohne Berlin) den Statistikern zufolge gut 14,7 Millionen Menschen. Im Jahr 2016 waren es annähernd 12,6 Millionen. Seit der Wiedervereinigung lagen demnach die Zahlen der Wegzüge aus Ostdeutschland in die westdeutschen Bundesländer viele Jahre über denen der Zuzüge. Seit 2009 geht die Abwanderung nach Westdeutschland den Statistikern zufolge tendenziell wieder zurück. (dpa)

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