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ORTSTERMIN: Der eigene Frieden

Marschall Potjomkin eroberte einst für die Russische Zarin Katharina die Große wesentliche Teile von dem, was heute die Ukraine ist, womit die koloniale Herrschaft des Zarenreichs über diese Gebiete begann. Bekannt ist er eher für die ihm zugeschriebenen Potjomkinschen Dörfer.

Marschall Potjomkin eroberte einst für die Russische Zarin Katharina die Große wesentliche Teile von dem, was heute die Ukraine ist, womit die koloniale Herrschaft des Zarenreichs über diese Gebiete begann. Bekannt ist er eher für die ihm zugeschriebenen Potjomkinschen Dörfer. Siedlungen, die nur aus Kulissen bestanden haben sollen. In einer Wohnzimmerkulisse talkte am Mittwoch in Potsdam auch Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck.

Gemeinsam mit Russlands früherem Botschafter Vladimir Kotenev und TV- Moderator Attila Weidemann saß er bei „Havelsounds“ in der Wilhelmgalerie auf der Couch. Das Thema: „Die Russen und wir“. Es ging um die Frage „Was trennt uns und welche Gemeinsamkeiten haben wir?“. Mit den Gemeinsamkeiten kennt sich Platzeck offenbar bestens aus – schließlich ist er Vorstands-Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums – berichtete von Besuchen in Russland, wie ein echter Samowar aussieht, von Wodka und Kindheitserinnerungen an den Dieselgeruch der sowjetischen Militär-Lkw in der Berliner Vorstadt. Dazu gab es musikalische Begleitung des Trios Orenda – das erste Lied auf Ukrainisch.

„Ich bin ein Russlandfreund“, sagte Platzeck. Das bedeute nicht, ein Freund Putins zu sein. Man müsse im Gespräch bleiben, kritisieren, was zu kritisieren ist, auch das Anders-Sein akzeptieren. Kritik gab es vom Kurzzeit-SPD-Chef aber ausschließlich an der Politik Deutschlands und seiner Nato-Partner. „Der Westen geht mit erhobenen Zeigefinger umher“, so Platzeck. Er vermisse den Maßstab im Umgang mit Putin als Person und verwies auf die Beziehungen Deutschlands zu autoritären Herrschern in Saudi-Arabien, Ägypten. Auch der Name Erdogan fiel.

Um Maßstab ging es auch bei dem, was mancher „russische Außenpolitik“ nennt, was andere hingegen als Aggression bezeichnen. Platzeck griff ein paar Jahre zurück: Die Angriff der USA auf den Irak 2003 sei „eine flagrante Verletzung des Völkerrechts“ gewesen. Er könne sich aber nicht daran erinnern, dass damals jemand in Deutschland Sanktionen gegen die USA gefordert habe. „Ich will das nicht mit der Krim vergleichen, aber da hat es keine Todesopfer gegeben“, sagte Platzeck. Dass das Ausbleiben einer größeren militärischen Auseinandersetzung auf der Krim daran lag, dass die ukrainische Armee schlicht nicht dazu in der Lage war, muss Platzeck ebenso entgangen sein wie die laut UN-Menschenrechtsreport dort seither unterdrückten Krimtataren.

Die Sanktionen gegen Russland lehnte Platzeck von Anfang an ab. Sanktionen müssten ein Ziel, einen Sinn haben. „Was soll denn dabei herauskommen?“, fragte Platzeck und gab die Antwort selbst: Zu glauben, dass Putin eingestehe, dass „das mit der Krim ein Fehler war“, sei unrealistisch. Tue Putin das doch, wäre er längste Zeit Präsident gewesen. Alle Alternativen seien noch schlechter für den Westen, nationalistischer und antiliberaler.

Ohnehin schien es Platzeck um größere Zusammenhänge zu gehen. Eine europäische Sicherheitsarchitektur sei ohne Russland nicht möglich. „Ich möchte ja, dass meine Kinder und Enkel in Frieden leben können“, sagte er. Es gab viel Applaus. Das kam an. An die Kinder und Enkel anderer Menschen, die in der Ostukraine leiden, dachte man wohl nicht.

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