zum Hauptinhalt

Brandenburg: Nur keine Fragen stellen

Vor Gericht berichtet ein Polizist über die Arbeit im „Maskenmann“-Fall. Als er Zusammenhänge mit einer anderen Tat prüfte, wurde er abgezogen

Frankfurt (Oder) - Der Prozess gegen den sogenannten Maskenmann in Frankfurt (Oder) offenbart immer mehr Ungereimtheiten und merkwürdige Entscheidungen innerhalb der Polizeiführung. Am 37. Verhandlungstag schilderte ein weiterer Kriminalbeamter, wie er nach nur einem Monat plötzlich von diesem brisanten und in der Brandenburger Geschichte bislang einmaligen Fall abgezogen wurde. „Ich hatte die Frau des Entführungsopfers in einer E-Mail lediglich gebeten, schon einmal die Nummern technischer Geräte herauszusuchen, die sich in einer ihr gestohlenen Handtasche befanden“, sagte der 57-jährige Kriminalkommissar F. am Montag vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder). „Ich wollte mögliche Zusammenhänge mit der Entführung prüfen. Das hat wohl meinem Vorgesetzten nicht gefallen, sodass ich von meiner Aufgabe als Vernehmer des Entführten Stefan T. entbunden wurde.“ Das sei alles für ihn sehr überraschend gewesen. Den wahren Grund für die Absetzung habe er nie erfahren, sagte der seit 30 Jahren im Polizeidienst beschäftigte Beamte. Er räumte ein, dass es unter den Kollegen Diskussionen um die Aussagen des Opfers gegeben habe. „Das kommt mir komisch vor“, habe es immer auf den Fluren der Polizeidienststellen oder in Kaffeepausen geheißen.

Zweifel waren von der zuständigen Leitung der Ermittlung offenbar nicht geduldet worden. Denn bereits zuvor hatte eine Oberkommissarin bestätigt, dass sie wohl wegen ihrer „kritischen Haltung“ sukzessive vom Fall abgezogen worden sei. Ein Beamter stellte sogar eine Selbstanzeige wegen „möglicher Strafvereitelung im Amt“. Seine von ihm entdeckten Widersprüche in den Aussagen des Opfers habe der Chef der Sonderkommission bewusst ignoriert. Der Erfolgsdruck auf die Polizei, mit Mario K. den richtigen Täter gefunden zu haben, sei womöglich zu groß gewesen, vermutete er. Diese Vorwürfe richten sich vor allem gegen den Leiter der Mordkommission, Falk K., der noch in dieser Woche vor Gericht gehört werden soll.

Dabei hatte der nach einem Monat abberufene Kommissar F. den vom Entführten geschilderten Tatablauf im Oktober 2012 durchaus für plausibel gehalten. Stefan T. habe das Eindringen des Täters in die Villa am Storkower See, die gefallenen Schüsse, sein Verschleppen auf eine Insel im Schilf und die Selbstbefreiung nach 36 Stunden glaubwürdig geschildert. Lediglich die angeblich vom Entführer dem Geschäftsmann diktierten Briefe über Details der Übergabe des Lösegelds von einer Million Euro habe er für dilettantisch und „nicht gut durchdacht“ gehalten.

Laut Anklage soll der 46-jährige Mario K. den Banker aus Berlin aus seiner Wochenendvilla bei Storkow vor mehr als zwei Jahren entführt haben. Auch zwei Überfälle auf eine Berliner Unternehmensfamilie auf deren Grundstück im nahen Bad Saarow ein Jahr davor soll der gelernte Dachdecker verübt haben. Sowohl in Storkow als auch in Bad Saarow wurde jedenfalls die gleiche Waffe benutzt, mit der der Angeklagte Mario K. im September 1997 in einem Schnellrestaurant in Berlin-Hellersdorf um sich geschossen hatte. Nach einer monatelangen Observation war der Tatverdächtige im vergangenen Jahr vor einem Einkaufszentrum in Köpenick festgenommen worden. Beim zweiten Überfall in Bad Saarow war der von der Familie engagierte Wachmann von einer Person hinter einer Imkermaske angeschossen worden. Der Wachschützer ist seitdem querschnittsgelähmt.

Die Verteidigung geht nach wie vor davon aus, dass auf der Anklagebank der „falsche Mann“ sitzt. „Der wahre Täter befindet sich bis heute auf freiem Fuß“, meinte gestern erneut Verteidiger Axel Weimann, der den Kriminalkommissar F. mehrere Stunden in diesem reinen Indizienprozess befragte. Besonders zeigte sich Weimann darüber verwundert, dass für die entscheidende Vernehmung des Entführungsopfers nur vier Stunden zur Verfügung standen und die Familie danach in den Auslandsurlaub fliegen durfte.

Der Verteidiger von Stefan T. fand diesen Ablauf in einem Gespräch am Rande des Prozesses aber nicht ungewöhnlich. Nach der Entführung ihres Mannes habe die Ehefrau die gesamte Familie aus aller Welt zusammengerufen. Alle hätten schwarze Anzüge in den Koffer gepackt, weil sie mit dem Schlimmsten rechnen mussten. Deshalb sei die Erleichterung über den glücklichen Ausgang nach der Selbstbefreiung groß gewesen und man habe sich spontan zu dieser Auslandsreise entschieden. Selbst die Personenschützer vom Landeskriminalamt hätten erleichtert reagiert, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Täter noch auf freiem Fuß befunden hatte, sagte der Verteidiger.

Zur Startseite