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NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg: Aktenfund: Die Brieffreundschaften von V-Mann Piatto aus dem Knast

Brandenburgs Justiz fand weitere Akten, die für die Aufklärung der NSU-Mordserie relevant sein könnten. Sie betreffen vor allem V-Mann Carsten Szczepanski, Deckname bekannt unter dem Decknamen „Piatto".

Potsdam - Fünf Jahre nach Bekanntwerden der NSU-Morde ist Brandenburgs Justiz erneut auf Akten gestoßen, die im Zusammenhang mit den Verwicklungen Brandenburger Behörden stehen. Das Justizministerium hat dem NSU-Untersuchungsausschüssen im Bundestag und im Landtag Brandenburg ein Aktenkonvolut aus den Jahren 1992 bis 1998 überreicht, das „im Zusammenhang mit der Aufklärung des NSU-Komplexes von Relevanz“ sei. Nach der Anfang Oktober bekannt gewordenen Affäre um von den hiesigen Staatsanwaltschaften vernichtete Akten zu dem früheren V-Mann Carsten Szczepanski, Deckname „Piatto“, ließ Justizminister Stefan Ludwig (Linke) auf Druck des Untersuchungsausschusses eine Arbeitsgruppe erneut nach Unterlagen suchen - per Hand und analog.

Allerdings stieß das Ministerium nur noch auf sogenannte Registerbücher. Bislang hatte das Ministerium nur die digitalen Bestände durchforsten lassen, die lediglich bis 1999 zurückreichen. Dabei war das NSU-Trio Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe schon 1998 untergetaucht, bevor sie ihre Mordserie an Migranten und einer Polizistin starteten. Und Piatto war 1998 als V-Mann für Brandenburgs Verfassungsschutz im direkten Helferkreis des NSU in Sachsen im Einsatz. Um Piatto zu schützen, gab Brandenburg nach seinen Meldung im Jahr 1998 zu dem Trio nur spärliche Informationen an die anderen Behörden heraus. Brandenburgs Innenministeirum ist seit Jahren mit dem Vorwurf konfrontiert, es hätte die NSU-Mordserie verhindern können. Zumal Piatto einer der wenigen Quellen überhaupt war, die brauchbare Informationen zu dem NSU-Trio lieferte.

Hat Brandenburgs Verfassungsschutz die NSU-Mordserie begünstigt?

Im Gegensatz zu vernichteten Ermittlungsakten sind die nun gefundenen Registerbücher nur bedingt aussagekräftig: Es ist nur vermerkt, welche Akten zu welchen Verfahren zu welchen Straftaten eingegangen sind. Weitaus spannender dürften ebenfalls nun gefundene Unterlagen zur Haftzeit von Piatto sein. Er war 1995 wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer verurteilt worden, bereits 1994 in Untersuchungshaft hatte er sich dem Verfassungsschutz als V-Mann angedient. Er war eine zentrale Figur der gewaltbereiten Neonazi-Szene in Deutschland mit engsten Verbindungen zu Rechtsterroristen in den USA und in Großbritannien.

Die Akten sind beim Landeskriminalamt erhalten geblieben, weil sich Carsten Szczepanski im Zeugenschutzprogramm befindet. Nach PNN-Informationen geben die Unterlagen zu seiner Haftzeit Auskunft darüber, wie er aus dem Knast heraus weiter Kontakt zur Neonazi-Szene per Brief pflegen und diese sogar steuern konnte. So suchte das Justizministerium die Akten gezielt nach Namen von Neonazis ab, die in den NSU-Verfahren eine Rolle spielten. Dabei gab es mehrere Treffer. In den 90er-Jahren bestritt das Ministerium eine Sonderbehandlung für Piatto, der sogar Nazi-Magazine im Knast produzieren konnte. Tatsächlich bestätigt sich der Verdacht immer mehr, dass Piatto große Freiräume genoss.

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