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NSU Untersuchungsausschuss: Berufs-Nazi

Neue Erkenntnisse befeuern den Verdacht, dass der Verfassungsschutz die Neonazi-Aktivitäten sogar noch befördert hat – Szczepanski gewissermaßen zum Berufs-Nazi gemacht hat.

Potsdam - Der V-Mann Piatto hatte während seiner Haftzeit in Brandenburg/Havel über ein Postfach Kontakt zu Neonazis mit Terrorinteresse gehalten, sie darüber mit Info-Material versorgt – und der Verfassungsschutz machte bei all dem mit. Die Obfrau der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags, Ursula Nonnemacher, hatte bereits in der vergangenen Sitzung im März von den damaligen Erkenntnissen des Landeskriminalamts berichtet, wonach das Postfach auf Carsten Szczepanski alias Piatto und seinen V-Mann-Führer, Arbeitsname, Dieter Borchert, angemeldet war. Neue Erkenntnisse befeuern nun den Eindruck, dass der Verfassungsschutz die Neonazi-Aktivitäten sogar noch befördert hat – Szczepanski gewissermaßen zum Berufs-Nazi gemacht hat.

Über das Postfach konnten Neonazis etwa Schriften der britischen Terrorgruppe „Combat 18“ beziehen. Es war auch die deutsche Kontaktadresse für das „National Socialist Movement“, einer Abspaltung von „Combat 18“, oder für die „Anti-Antifa Brandenburg“, wie der Verfassungsschutz selbst vermerkte. Und das Postfach wurde im britischen Neonazi-Magazin „The Order“ als Bezugsadresse genannt. Dort wurden auch kurze Namenslisten von inhaftierten und international bekannten Neonazis veröffentlicht: Szczepanski fand sich neben „Combat 18“-Führer Paul Sargent und dem US-Neonazi Gerhard Lauck. Obendrein konnte Piattos Heft „United Skins“ über das Londoner Postfach mehrere Gruppen wie „Combat 18“, „Blood & Honour“ bestellt werden. Die Adressen der deutschen Neonazis, die an das Brandenburger und das Londoner Postfach schrieben, gingen damit immer auch an den Verfassungsschutz.

Über all das und wie sehr der Verfassungsschutz Piatto umhegt hat, kann der damalige V-Mann-Führer Borchert am Freitag Auskunft geben. Er ist als Zeuge in den NSU-Untersuchungsausschuss geladen. Gehört werden soll auch früherer Verfassungsschützer „Giebler“, der zum Komplex „Nationale Bewegung“ vor allem durch fehlende Erinnerungen glänzte. Und da wäre Gordian Meyer-Plath, seit 2013 Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in Sachsen, einst zweiter V-Mann-Führer von Szczepanski. Im Zentrum aber steht Borchert, der nur mit dem Kürzel R.G. genannt wird. Dessen Auftritt im Münchner NSU-Prozess – mit Kaugummi im Mund – sowie eine Reihe von Blockaden des Innenministeriums mit Sperrvermerken Akten waren finale Auslöser für den Untersuchungsausschuss in Brandenburg.

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