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Gewusst wie. Die Firma W. Sauer Orgelbau Frankfurt (Oder) fühlt sich dem guten Klang verpflichtet.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: „Nichts für Pfeifen“

Orgeln, die gar keine oder nur noch schräge Töne von sich geben, sind die Welt der Orgelbaufirma Sauer. Zu Besuch bei einem Traditionsunternehmen

Müllrose - Buchstäblich wie die Orgelpfeifen aufgereiht liegen Metall-Pfeifen in der Werkstatt der Orgelbaufirma Sauer in Müllrose (Oder-Spree). Die größten, länglichen Instrumententeile sind mehr als einen Meter lang, die kleinsten gerade fingergroß. Ein eigenartiger Geruch liegt in der Luft. Er entsteht beim Löten per Hand und stammt von dem dabei verwendeten Flussmittel Stearin. In der Tischlerei nebenan werden viereckige Holzpfeifen zusammengeleimt.

Wer sich in den Werkstatträumen umschaut, merkt schnell: Hier wird gutes, altes Handwerk gemacht. „Wir arbeiten an mehreren Aufträgen gleichzeitig“, erklärt Michael Schulz, Geschäftsführer der traditionsreichen Firma, die von dem bekannten Orgelbaumeister Wilhelm Sauer in Frankfurt (Oder) gegründet worden war. Die generalüberholte Sauer-Orgel von 1910 soll nach Ostern an ihren angestammten Platz in die Kirche Gröben (Teltow-Fläming) zurückkehren.

„Bei diesem Instrument haben wir die Stimmvorrichtungen überarbeitet, Holz- und Lederteile gegen Schimmel behandelt sowie die 513 Pfeifen, die Windladen und die Klaviatur am Stimmtisch gereinigt.“ Die 1960 gebaute Sauer-Orgel aus der katholischen Kirche St. Michael Berlin wird laut Schulz technisch überarbeitet, um sie leichter spielbar zu machen. Und die 1922 erbaute Orgel aus der evangelischen Bischofskirche im polnischen Katowice muss komplett umgebaut werden. „Sauers Spezialität waren romantische Orgeln. Sie wurden von etwa 1850 bis 1920 gebaut, klingen wie ein ganzes Orchester und gehen über das Ohr 1:1 ins Herz“, beschreibt Schulz.

Nach 1910 habe sich der Musiktrend zurück zu minimalistische barocken Klängen entwickelt. Für den schrillen, obertonigen Klang seien ganze Register entfernt oder auch Pfeifen abgeschnitten worden. „Nun erlebt die Romantik eine Renaissance, und wir sollen den Umbau der Katowicer Orgel wieder rückgängig machen“, erklärt der Firmenchef.

Das Warten, Säubern und Restaurieren alter Instrumente ist die Spezialität des elfköpfigen Traditionsunternehmens. Am liebsten sind den Müllroser Handwerkern natürlich die Instrumente aus dem eigenen Hause: Immerhin 2276 Sauerorgeln wurden bisher gebaut und in ganz Europa verkauft. Nicht alle haben bis heute überlebt. Vor allem in den beiden Weltkriegen wurden die Zinnpfeifen für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen. Das Sauer-Archiv ist 1945 teilweise zerstört worden, als die Firma noch in Frankfurt (Oder) saß, sodass das Unternehmen heute keinen Überblick mehr hat, wo überall noch an der Oder gebaute Instrumente stehen.

Das Aushängeschild der Firma ist jedoch auch das bekannteste Sauer-Werk: 1905 erbaut, thront die Orgel mit immerhin 7269 Pfeifen im Berliner Dom und gilt als größtes Instrument seiner Art aus der Zeit der Spätromantik. Anfang des Jahres erst hatten die Müllroser das imposante Instrument entstaubt und gewartet. „Wird Staub nicht entfernt, landet er irgendwann in den Pfeifen und stört den sauberen Klang“, erklärt Orgelbauer Schulz.

Abgesackte Prospektpfeifen und brüchiges Leder an den Bälgen wurde repariert, Holzoberflächen gereinigt. „Die Firma zeichnet eine große Verbundenheit mit der Orgel aus. Die Mitarbeiter fühlen sich dem Sauer-Erbe verpflichtet und finden immer den richtigen Ton und Klang“, lobt Dom-Organist Andreas Sieling. „Die ab 1857 in der Firma gebauten Orgeln sind wie unsere Babys, um die wir uns natürlich ein Leben lang kümmern wollen. Doch wir pflegen und reparieren auch Instrumente anderer Fabrikate“, sagt Schulz.

Aufträge für Neubauten gibt es hingegen kaum noch, zu kostspielig ist die aufwendige Handwerksarbeit zur Fertigung der als „Königin der Instrumente“ bezeichneten Orgel. „Die meisten unserer Kunden sind Kirchengemeinden, da sitzt das Geld nicht so locker“, erklärt der 60 Jahre alte Firmenchef. Immerhin rund 170 Orgelbaufirmen gebe es deutschlandweit, da sei die Konkurrenz groß. „Die Firma Sauer steht seit bald zwei Jahrhunderten für handwerkliche Meisterschaft“, lobt Uwe Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Frankfurter Handwerkskammer. Wer dort arbeite, würde nie „versauern“, sondern bei Wartung und Reparaturen von Orgeln weit herumkommen.

Deswegen sei eine Lehre in dem langjährigen Ausbildungsbetrieb auch „nichts für Pfeifen“, betont Hoppe. Erstmals gibt es bei Sauers einen weiblichen Orgelbaulehrling. Die junge Frau habe an einem landesmusikalischen Gymnasium ihr Abitur gemacht und bereits Orgelunterricht genommen, erzählt der Firmenchef.

Jeanette Bederke

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