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Am Netz? Funklöcher stören die Symbiose von Tablet und Tradition.

© S. Sauer/dpa

Brandenburg: Nicht nur die Kiefer soll online gehen

Die Landesregierung arbeitet an einem Digitalisierungskonzept. Viele Unternehmen sind jedoch schon weiter

Potsdam - Welchen praktischen Nutzen die Digitalisierung im Arbeitsalltag haben kann, hat Staatssekretär Thomas Kralinski vor einigen Tagen in einem Krankenhaus in Eberswalde erfahren. In der dortigen Notaufnahme und der Intensivstation seien Arbeitsprozesse verändert und digitalisiert worden – mit Folgen: „Die Mitarbeiter hatten mehr Zeit für ihre Patienten, weil sie weniger mit der Dokumentation beschäftigt waren“, berichtete Kralinski bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Potsdam. Beeindruckend sei das, sagte der Digital-Staatssekretär, der sich sicher ist: „In den kommenden zwei, drei Jahren wird sich in Brandenburg durch die Digitalisierung viel verändern.“

Einen Blick in die Zukunft konnte der SPD-Politiker bereits in den vergangenen Wochen werfen. Auf einer Sommertour besuchte er 20 Stationen im ganzen Land, inspizierte digitale Projekte und sprach mit Vertretern aus Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft und Landwirtschaft. Sein Fazit: „Brandenburg ist viel digitaler als man manchmal glaubt.“ Er sei unternehmerischen Digitalpionieren, versteckten Champions und einer Reihe von Spitzenprojekten begegnet. Besonders die twitternde Kiefer in Britz nördlich von Berlin hat es ihm dabei offenbar angetan. Wie berichtet teilt der Baum automatisiert sein tägliches Wachstum und seinen Wasserverbrauch über das Internet mit. Forscher können davon ableiten, wie viele Bäume im Land geschlagen werden dürfe, ohne das Wachstum der Wälder zu gefährden. „Da bekommen wir eine Verbindung von Tablet und Tradition hin“, sagt Kralinski und hofft auf neue Impulse für die Forst- und Landwirtschaft. „Das funktioniert aber nur dann, wenn wir auch im Wald Handynetz haben“, sagt der Staatssekretär.

Tatsächlich scheint das noch immer das größte Problem im Flächenland zu sein. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) versprach bei einem Pressetermin zwar unlängst, dass die Netzabdeckung auf 99 Prozent ansteigen soll, aber damit sind 99 Prozent der Bevölkerung, nicht der Fläche gemeint. Bei der Ausschreibung der 5G-Netze im kommenden Jahr hofft Kralinski deshalb auf ein Umdenken der Vergabe: „Unser Ziel muss sein, nicht nur die Haushalte abzudecken, sondern auch die Flächen“, sagte er am Donnerstag. Zukunftsprojekte wie das autonome Fahren seien in Brandenburg sonst nicht realisierbar.

Wichtig bei den Veränderungen der Digitalisierung sei es, die Menschen mitzunehmen. „Viele Menschen haben beim Stichwort Digitalisierung Angst um ihren Job, dabei haben erst jüngst Studien das widerlegt“, sagte Kralinski. Er sprach sich für eine Digitalisierung mit menschlichem Maß aus, bei der die Vorteile in den Vordergrund gestellt werden sollen. Dazu gehört auch der Plan der Landesregierung, bis Ende 2019 kostenloses WLAN an insgesamt 1500 Stellen in der Mark einzurichten.

Ganz freiwillig arbeitet die Landesregierung indes nicht an einem Digitalisierungskonzept. Ein Landtagsbeschluss von November 2016 hatte ebendies gefordert. Zur Unterstützung wurde ein Digitalbeirat mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Thinktank einberufen. Sie sollen bis Herbst Visionen erarbeiten, die Ende des Jahres in ein Digitalisierungskonzept einfließen.

Thema wird dabei sicher auch der Breitbandausbau sein, bei dem es weiter Herausforderungen gibt. Zwar stehen 500 Millionen Euro von Bund, Land und Kommunen bereit, um Glasfaserkabel zu verlegen, wo es für die Unternehmen nicht wirtschaftlich ist. Doch vielerorts gibt es kaum verfügbare Bauunternehmer. „Die Bauwirtschaft boomt, manchmal gibt es keine Angebote auf Ausschreibungen. Am Geld scheitert der Breitbandausbau nicht“, sagte Kralinski, der darauf hinwies, dass man im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern schon jetzt gut dastehe. „Man darf die Sache auch nicht schlechter reden als sie ist.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Brandenburger CDU, Jan Redmann, bewertet das anders. „Kralinski schmückt sich mit fremden Federn und versucht davon abzulenken, wie sehr die Koalition der Zeit hinterher hinkt“, teilt er in einer Pressemitteilung mit. Unternehmer im Land seien nicht wegen der rot-roten Regierungspolitik, sondern trotz ihr erfolgreich. Redmann weiter: „Es ist schon bezeichnend, wenn in Brandenburg selbst die Kiefern twittern, aber die Landesregierung noch mit Papier und Faxgerät arbeitet.“ Felix Hackenbruch

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