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Neues Polizeigesetz für Brandenburg: Innenminister Schröter verärgert den Koalitionspartner

Sein Entwurf für ein härteres Polizeigesetz in Brandenburg löst Diskussionen aus. Auch sonst hat es Karl-Heinz Schröter (SPD) derzeit schwer.

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat mit der Vorlage für ein neues Landespolizeigesetz Turbulenzen in der rot-roten Landesregierung ausgelöst. Das neue Gesetz sieht eine Ausweitung der Kompetenzen für die Polizei nach bayerischem Vorbild vor – wenn auch nicht so drastisch.

Die Kriminalitätsraten sinken zwar, Schröter will die Befugnisse der Polizei aber trotzdem ausweiten. Er begründet das mit Terrorgefahr. Geplant sind: Schleierfahndung auf allen Durchfahrtsstraßen, Fußfesseln für Terror-Gefährder, mehr Kontrollbefugnisse, Aufenthaltsverbote, Online-Durchsuchung, erweiterter Polizeigewahrsam bis zu einem Monat, die Überwachung von Messenger-Diensten wie Whatsapp, ja im Notfall sogar der Einsatz von Handgranaten.

Schröters Vorgehen brüskiert die Linke

Doch innerhalb der Koalition sorgt das für Verwerfungen. Die Linke sieht sich brüskiert. Wegen der neuen Gesetzesregelungen, aber auch wegen Schröters Vorgehen. Selbst in der von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführten Staatskanzlei hat Schröters Innenministerium Irritationen ausgelöst.

Vor mehr als einer Woche hat Schröter den Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung den anderen Ministerien zugestellt. Für Verstimmungen hatte bereits gesorgt, dass es bei dem harten Entwurf trotz der zuvor ergangenen Hinweise auf Arbeitsebene geblieben ist.

Bei der Linken heißt es schon jetzt: Unter ihrer Regierungsbeteiligung – im September 2019 ist Landtagswahl – werde dieser Entwurf weder wie geplant im September durch das Kabinett noch durch den Landtag gehen. Bereits Ende Juni sagte Sozialministerin und Linken-Landeschefin Diana Golze, Brandenburg „braucht keinen Überwachungswahn nach bayerischem Vorbild“.

Eine Rüge von der Staatskanzlei

Vollends eskalierte die Lage vergangene Woche. Schröter hatte sich in den Urlaub verabschiedet, als das Ministerium am vergangenen Mittwoch eine Internetseite zur Novelle freigeschaltet hat – als Zeichen der Transparenz und Offenheit. „Denn Fragen der Sicherheit gehen alle an“, sagte ein Ministeriumssprecher. Auch der Entwurf selbst samt Begründung wurde als Download bereitgestellt.

Die Linke wertete das als offenen Affront. Finanzminister Christian Görke (Linke), der auch Vizeregierungschef ist, intervenierte. Schließlich griff Staatskanzleichef Martin Gorholt (SPD) nach Tagesspiegel-Informationen am Donnerstag ein: Nach Rücksprache mit Ministerpräsident Woidke sah er sich gezwungen, die Spitze des Innenressorts zu maßregeln – einmalig innerhalb der Landesregierung.

In einem Schreiben an Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) forderte Gorholt das Ministerium ausdrücklich zur Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsarbeit für das Polizeigesetz und zu einem kollegialen Umgang auf – zumal es sich bislang nur um einen nicht abgestimmten Entwurf handelt. Der Staatskanzleichef erinnerte Lange an die gemeinsame Geschäftsordnung für Regierung und Ministerien. Bis Ende August solle das Ministerium eine einvernehmliche Lösung herstellen.

Der Entwurf ist nicht mehr online

Seit Freitag ist der Gesetzentwurf nicht mehr als Download verfügbar. Das Linke-geführte Justizministerium prüft jetzt, ob Schröters Vorschläge überhaupt verfassungsrechtlich machbar sind. Dabei werden vermutlich auch die Verfassungsklagen gegen das im Frühjahr in Kraft getretene Polizeigesetz in Bayern eine Rolle spielen. Die zweite Linken-Landeschefin Anja Mayer erklärte, für ihre Partei seien Fußfesseln, landesweite Schleierfahndung, die anlasslose Überwachung etwa von WhatsApp undenkbar. Die Linke wolle ein Polizeigesetz, das die Freiheitsrechte der Bürger stärke. Auch die Grünen befürchten unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe. Die Gefahrenabwehr werde auf vage Verdachtsmomente gestützt. Die CDU, die ein neues Polizeigesetz seit Jahren fordert, hält sich auffällig zurück. Von der AfD heißt es, Schröter habe ihre Vorschläge aufgegriffen – nun drohe eine Koalitionskrise.

Tatsächlich ist in der Koalition eher von einer Krise des Innenministers die Rede: Bei der Kreisreform ist er gescheitert, beim Verfassungsschutz verweigert ihm die Linke trotz wachsender Aufgaben mehr Personal. Seit Monaten hat Schröter um mehr Befugnisse für die Polizei gerungen – nun hat es ihm wohl gereicht.

Kann die Polizei Schröters Vorschläge überhaupt umsetzen?

Doch selbst bei den Polizeigewerkschaften herrscht Unverständnis: Schröter wolle mit dem Kopf durch die Wand, keiner verstehe ihn mehr, es sei einsam um ihn geworden, heißt es. Zwar müsse das Polizeigesetz erneuert werden, doch was Schröter vorschlage, könne die Polizei nur zur Hälfte überhaupt umsetzen.

Nach Schröters Plänen soll die Schleierfahndung nicht mehr nur in der 30-Kilometer-Zone entlang der Grenze zu Polen erlaubt sein, die Polizei soll künftig ohne Anlass an Hauptverkehrswegen kontrollieren dürfen. Der Polizeigewahrsam soll bei Terror-Verdacht auf bis zu einen Monat verlängert werden können – „um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern“. Bei Terrorverdacht soll Personen – obwohl noch keine Straftat vorliegt – der Aufenthalt an bestimmten Orten oder der Kontakt zu bestimmten Personen untersagt werden. Zudem sollen terroristische Gefährder präventiv mit elektronischen Fußfesseln bis zu sechs Monate lang zur Gefahrenabwehr überwacht werden können. Wer Auflagen – Aufenthalt und Fußfessel – verletzt, soll bis zu vier Wochen in Gewahrsam genommen werden können. Auch Meldeauflagen bei befürchteten Verstößen gegen das Versammlungsgesetz sind geplant.

Zudem sollen die Videoüberwachung und Speicherfristen von zwei Tagen auf zwei Wochen ausgeweitet werden. Auch Bodycams sollen Beamte einsetzen. Für Online-Durchsuchungen und Überwachung von WhatsApp, für die auf Computer und Handys Überwachungssoftware nötig ist, soll die Polizei die Wohnungen Verdächtiger betreten können – ohne dass Bewohner wie sonst dabei anwesend sein müssen. Die sogenannte Quellen-Überwachung ist nötig, um etwa WhatsApp-Kommunikation abzufangen, bevor diese verschlüsselt übertragen wird. Abhörmaßnahmen sollen bei Gefahren vier Tage lang ohne Richterbeschluss erfolgen können.

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