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Warten, bis der Arzt kommt. In vielen Regionen Brandenburgs fehlen Fachärzte. Das soll sich durch die neue Hochschule in Neuruppin ändern, deren Gründung an diesem Dienstag vollzogen wird.

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Brandenburg: Neues aus Neuruppin

Brandenburg bekommt die erste Medizin-Hochschule des Landes – und will so mehr Ärzte aus den Städten locken. Im April 2015 sollen die ersten 90 Studenten anfangen

Berlin/Neuruppin – Wenn an diesem Dienstag die erste Medizinische Hochschule in Brandenburg eröffnet, werden sich nicht nur besorgte Patientenvertreter und strebsame Beamte des Landesgesundheitsministeriums freuen. Auch Jens-Peter Golde (Pro Ruppin), der Bürgermeister von Neuruppin, dürfte sich sagen: Endlich! Denn Hochschulen regen, zumindest statistisch betrachtet, das Wirtschaftwachstum an.

Insofern ist die private Medizinische Hochschule Brandenburg, deren Gründung offiziell auf dem Neuruppiner Campus vollzogen wird, nicht nur ein mögliches Mittel gegen den drohenden Ärztemangel in den ländlichen Regionen. Sie wird in den brandenburgischen Behörden von vielen auch als potenzieller Jobmotor begrüßt.

Die Privatuniversität ist zwar klein, ab April 2015 beginnen 90 Studierende in den Fächern Humanmedizin und Psychologie. Doch weil auch Neuruppin nicht sehr groß ist, dürfte die Hochschule dennoch einen Effekt haben. Während die Stadt zur Wende fast 35 000 Einwohner hatte, sind es inzwischen nur noch 30 000. Einer Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft zufolge sinkt die Quote an Erwerbslosen und die Kaufkraft pro Kopf steigt, wenn vor Ort eine Hochschule eröffnet wird.

„Nun gehen erst mal die Bewerbungen ein“, sagt Dieter Nürnberg. Der Internist ist an der neuen Lehrstätte für Hochschulentwicklung zuständig. Dass alle Studienplätze belegt werden, bezweifelt niemand. Nach Neuruppin werden wohl auch Studenten ziehen, die mehr ausgeben können als die knappen Bafög-Mittel. Die Privathochschule kostet fast 600 Euro Gebühren im Monat. Zwar soll es für Studenten umfangreiche Darlehen von Partnerkliniken geben, viele Neuankömmlinge werden dennoch aus gut situierten Familien stammen.

In der Stadt könnten langfristig neue Kneipen und Buchläden, Klubs und Bekleidungsgeschäfte entstehen, schließlich werden jedes Jahr neue Studenten aufgenommen, im bescheidenen Maße dürfte Neuruppin also wachsen. Die Hochschule soll aber nicht nur Neuruppin helfen. Ab dem fünften Semester werden die Studenten in Brandenburg an der Havel unterrichtet. Gesellschafter der Hochschule sind die Ruppiner Kliniken, das Städtische Krankenhaus Brandenburg, die Neuruppiner Stadtwerke und die Sparkasse.

Bislang ist die Charité in Berlin in der Region die einzige Universitätsklinik – noch dazu die größte Europas. In Berlin gibt es auch deutlich mehr Ärzte pro Einwohner als in den meisten anderen Bundesländern. Brandenburg dagegen ist gerade mit Blick auf bestimmte Fachärzte eines der am schlechtesten versorgten Bundesländer.

Drei Jahre hatten Forscher und Ärzte mit dem Brandenburger Wissenschaftsministerium unter Sabine Kunst (parteilos, für SPD) über die Zulassung verhandelt. Die gab es in diesem Sommer. Für die nach Theodor Fontane benannte Brandenburger Fakultät gilt nun: Die jungen Ärzte bleiben während ihrer Facharztausbildung nach dem Studium noch in Brandenburger Kliniken. Wenn die fünf Jahre dauernde Spezialisierung dann abgeschlossen ist, werden die Nachwuchsmediziner insgesamt elf, zwölf Jahre in Brandenburg verbracht haben. Nach der Ausbildung, im Alter von rund 30 Jahren, könnten viele von ihnen in Brandenburg heimisch geworden sein. Beginnt ein Absolvent nach dem Studium außerdem fest in der Klinik zu arbeiten, die ihm während des Studiums ein Darlehen gewährt hat, muss er den Kredit nicht zurückzahlen.

Das Studium in Neuruppin verfolgt also eine klare gesundheits- und arbeitsmarktpolitische Absicht: Mediziner in der Mark zu halten. Schon während der ersten Semester sind regelmäßig Praxistage geplant, die Studierenden sollen bei Hausärzten in den Gemeinden vor Ort mithelfen.

Die Gründungszeremonie an diesem Dienstag ist übrigens als kleinere Veranstaltung geplant. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist sowieso gerade im Urlaub. Ein großes Einweihungsfest steht kommendes Jahr an. „Wir überlegen, ob man dies womöglich mit der Immatrikulationsfeier im April zusammenlegt“, sagt Mediziner Nürnberg. Dann werden wohl auch Vertreter der Landesregierung vorbeischauen – selbst wenn sie sich an der Hochschule finanziell nicht beteiligt haben.

Welche Standards die Versorgung in Brandenburger Krankenhäusern erfüllt, erfahren sie auf dem Tagesspiegel-Portal www.gesundheitsberater-berlin.de.

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