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Brandenburg: Neue Töne gegen Rechtsextremisten

Mit einem Konzert für Neonazi-Opfer versuchte Templin seinen angeschlagenen Ruf aufzubessern

Templin - Jörg Krüger ist zufrieden. Endlich werde die Gefahr durch Rechtsextreme in Templin erkannt, sagt er. Knapp 400 Menschen haben sich an diesem Samstagabend vor seinem Irish Pup zu einer Benefizveranstaltung gegen rechte Gewalt eingefunden. Rechtsextreme gehören hier um Stadtbild: Ein Glatzkopf schiebt auf dem Gehweg einen Kinderwagen vor sich her. Auf seinem Kapuzenpullover prangt in großen Lettern: „Devision Thor Steinar“.

Das Image Templins, der „Perle der Uckermark“, ist ramponiert – seit dem brutalen Mord zweier Neonazis an Krügers Onkel, dem 55-jährigen Bernd K., am 22. Juli und einer weiteren Attacke gegen einen Jugendlichen, die die Staatsanwaltschaft am „Rande eines Tötungsdelikts“ ansiedelt. Bernd K. war eine „gescheiterte Existenz“ sagen die Leute in der uckermärkischen Kleinstadt, „der konnte keiner Fliege etwas zu leide tun“.

Schon wenige Tage nach dem Gewaltexzess kam Krüger die Idee für ein Benefizkonzert samt Informationen über das Ausmaß der rechtsextremen Szene in Templin. Da hatte Krüger gerade den Bürgermeister Ulrich Schoeneich (parteilos) im Radio reden gehört, es gebe keine solche Szene in seiner Stadt. Das Ordnungsamt nickte Krügers Plan ab, dann aber intervenierte Schoeneich. Die Veranstaltung wurde abgeblasen.

Fortan hagelte es Negativschlagzeilen über Templin. Erst der Mord, dann ein Bürgermeister, der nichts von Neonazis in seiner Stadt wissen wollte. Und schließlich schob er Staatsanwaltschaft und Innenministerium die Schuld zu, diese hätten ihn nicht über den Ernst der Lage informiert.

Nun hat die Stadt die Benefizaktion unter der Ägide des Bürgermeisters doch noch abgehalten. „Wir wollen keine Gewalt mehr, wir wollen keine Opfer von Gewalt mehr, das muss unser Ziel sein“, sagt Schoeneich auf der Bühne. Zugleich räumt er ein, dass zahlreiche Templiner Angst hätten und auch Urlauber sich überlegten, ob sie die Stadt noch besuchen könnten. Doch gegenüber den PNN äußert sich der Bürgermeister nur zurückhaltend. Er wolle erst ein Treffen mit Verfassungsschutz, Polizei und Mobilem Beratungsteam Anfang September abwarten. So müsse er sich informieren, was genau unter den Begriffen „rechtsextreme Szene oder Struktur“ zu verstehen sei. „Meine letzte Information von der Polizei war, Templin ist eine Insel der Glückseeligen“, erklärt Schoeneich. Und er betont, er sei gegen jede Form von Gewalt, „egal ob von rechts, von links oder aus der Mitte“. Rückendeckung bekommt der Bürgermeister von der örtlichen SPD, aus der er vor mehreren Jahren ausgetreten war. Die Stadt sei von der Polizei nicht über das Ausmaß der Neonazi-Szene nur unzureichend informiert worden, erklärt der stellvertretende SPD-Ortschef, Christian Hartphiel.

Kritik muss sich Schoeneich aber vom Verein Opferperspektive gefallen lassen, auch wenn der Bürgermeister an diesem Abend mit einem großen Sammelkarton zu Spenden für die Opfer rechtsextremer Gewalt aufruft. Johanna Kretschmann erklärt in ihrer Rede, die Stadt müsse das Problem konkret benennen, nämlich nicht einfach nur Gewalt, sondern die Gewalttaten von Rechtsextremisten. Zugleich lobt die Opfer-Beraterin das Engagement des Mit-Veranstalters und Gastwirts Jörg Krüger, der die Benefizveranstaltung gegen anfänglichen Widerstände der Stadt durchgesetzt hat. „Er setzt damit Impulse für eine Arbeit, die jetzt erst anfängt“, so Kretschmann. Aus der Mitte der Gesellschaft müssten Protest und Widerstand gegen Rechtsextremismus kommen.

Auch Besucher der Veranstaltung halten ihrem Bürgermeister vor, dass er den Ernst der Lage verkannt habe. „Es wurde in der Vergangenheit schon öfter auf das Problem hingewiesen. Herr Schoeneich hat es in meinen Augen einfach verschlafen“, sagt Lothar Priewe, der ehrenamtlich im Arbeitskreis des uckermärkischen Integrationsbeauftragten mitarbeitet. Und es fehle im Gegensatz zu anderen Städten wie Angermünde und Prenzlau an zivilgesellschaftlichen Strukturen in Templin. Nach den Reden und den Konzerten zweier lokaler Bands zünden die Teilnehmer der Veranstaltung noch Kerzen an und gedenken des Mordopfers.

Jürgen Lorenz vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechts sieht die Anlaufschwierigkeiten des Bürgermeisters pragmatisch: „Da ist jetzt Bewegung drin. Auch Dornröschen musste mehrmals geküsst werden, bevor sie aus ihrem Schlaf aufgewacht ist.“ Und auch Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp, Koordinator des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“, erklärte, es sei gut, dass die Templiner sich nun verstärkt gegen Rechtsextremismus engagierten.

Erst am Dienstag bekam das die NPD zu spüren. Mehrere Kader von außerhalb stellten sich auf den Markplatz und drängten die Bürger dazu, der Partei mit einer Unterschrift zur Kandidatur bei den Kommunalwahlen am 28. September zu verhelfen. Landessprecher Thomas Salomon sagte zwar: „So ein wertvolles Pflaster wie die Uckermark können wir nicht ungenutzt lassen.“ Doch mehrere Einwohner der Stadt versammelten sich spontan und protestierten gegen die Aktion der Rechtsextremen.

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