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Volksinitiativen wie die für eine Ausrufung des Klimanotstandes haben wegen Corona Probleme bei der Unterschriftensammlung. 

© Wolfgang Kumm/dpa

Neue Plattform in Brandenburg: Volksinitiativen mobilisieren im Netz

Weil Corona das Unterschriftensammeln auf der Straße erschwert, gehen Brandenburger Volksinitiativen nun neue Wege. Sie werben gemeinsam im Internet - auch wenn das die Unterschrift auf dem Papier nicht ersetzt.

Potsdam - Ihre Hauptsammelzeit haben sie schon verpasst. Straßenfeste, Veranstaltungen mit vielen Menschen, Aktionen in Fußgängerzonen: perfekt für Volksinitiativen, um Unterstützer zu finden. Doch dann kam Corona – und machte auch den Initiativen einen Strich durch die Rechnung. Um dennoch Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu bekommen und im vorgeschriebenen Zeitraum die erforderliche Zahl an Unterschriften zusammenzutragen, haben sich drei Brandenburger Volksinitiativen nun zusammengetan und werben im Internet. 
Am Mittwoch ist die Plattform www.brandenburg-mitbestimmen.de an den Start gegangen, die über die Initiativen „Grundeinkommen testen“, „Klimanotstand ausrufen“ und „Verkehrswende in Brandenburg“ informiert. Unterschriftenlisten können dort kostenlos angefordert oder heruntergeladen werden – denn das Netz ersetzt nicht die Signatur auf dem Papier. „Für Volksinitiativen ist es derzeit schwer, sichtbar zu bleiben“, sagt Joy Ponader von der Grundeinkommen-Initiative. 
Angesichts der wieder steigenden Zahlen von Corona-Fällen sei der Ausbau von kontaktlosen Sammelmöglichkeiten besonders sinnvoll, ergänzt Anja Hänel, Mit-Initiatorin der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“, die gerade eine Fahrradaktionswoche organisiert, um für bessere Radwege zu mobilisieren. „Dabei ist es uns wichtig, die Hygieneregeln einzuhalten, um unsere Ehrenamtlichen und die Bevölkerung nicht zu gefährden. Doch das Unterschriftensammeln auf Abstand ist nicht immer einfach, und Demos und Veranstaltungen im großen Stil sind immer noch nicht möglich“, sagt Hänel. Über die Plattform im Netz hätten auch besonders gefährdete Zielgruppen die Möglichkeit, die Initiativen kontaktlos zu unterstützen. 

Längeres Sammeln von Unterschriften möglich 

In der Coronakrise können Volksinitiativen ihre Unterschriftensammlungen verlängern. Im Mai beschloss der Landtag ein entsprechendes Gesetz, das von der oppositionellen Linken eingebracht worden war. Die Volksinitiativen hatten nach bisheriger Gesetzeslage ein Jahr Zeit, um die erforderlichen 20.000 Unterschriften zu sammeln. Dann muss sich der Landtag mit dem Anliegen befassen. Inzwischen können im Fall „einer Pandemie, Epidemie, Naturkatastrophe oder eines anderen vergleichbaren unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses“ bei erheblichen Beeinträchtigungen drei Monate Fristverlängerung beantragt werden. Wenn die Beeinträchtigungen danach fortbestehen, können weitere drei Monate Verlängerung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet die Landtagspräsidentin. 
Die Volksinitiative zum Grundeinkommen startete erst zum Jahresanfang und hat deshalb noch keine Verlängerung beantragt. Die Initiativen zur Verkehrswende und zum Klimanotstand dürfen jeweils drei Monate länger sammeln – bis Ende Oktober, falls sie nicht einen erneuten Fristaufschub beantragen. Für eine Verkehrswende haben bislang knapp 12.600 Menschen unterzeichnet, eine landesweite Ausrufung des Klimanotstandes unterstützen laut der neuen Plattform bislang nur gut 2400 Brandenburger. 

Manche Ziele finden sich im Koalitionsvertrag 

Corona sei nicht das einzige Hindernis, Unterstützer zu finden, meint Henning Schluß. „Insbesondere auch die Volksinitiative Klimanotstand, aber auch die zur Verkehrswende hatten es ironischerweise gerade deshalb nicht leicht, weil einige ihrer Ziele es sogar in den Koalitionsvertrag geschafft haben“, sagt Schluß, der im August 2019, also noch vor der Landtagswahl, gemeinsam mit seiner Tochter die Klima-Initiative ins Leben rief. „Viele Brandenburger dachten sich dann, prima, dann ist die Sache doch erledigt. Leider aber ist das mitnichten so“, konstatiert der Bildungsforscher aus Oranienburg. Deswegen brauche es die Volksinitiativen, um den Druck aufrecht zu erhalten. Eine Forderung der Volksinitiative, den unter Rot-Rot abgeschafften Nachhaltigkeitsbeirat wieder einzusetzen, habe es beispielsweise zwar in den rot-schwarz-grünen Kenia-Vertrag, leider aber nicht bis in die Wirklichkeit geschafft, so Schluß. Gerade auch weil die jungen Aktivisten von Fridays for Future wegen Corona lange Zeit nicht demonstriert hätten, habe es sich die Politik in Klimafragen wieder im „Business as usual“ gemütlich machen können, meint er. Letztlich könne Corona aber auch ermutigend für Prozesse direkter Demokratie wirken, sagt der Erziehungswissenschaftler. „Denn Corona hat sehr deutlich gemacht, dass Politik schon handeln kann, wenn sie will.“ 

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