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Einige Mitglieder der Neonazi-Gruppe "MS88".

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Neonazi-Konzerte in Brandenburg: Braune Umtriebe aus Oberhavel

Sie veranstalten Fußballturniere und von Behörden unentdeckte Konzerte. Jetzt gerät eine bislang kaum beachtete Gruppe von Neonazis in Brandenburg in den Fokus. Sie nennen sich „Märkische Skinheads 88“ und planen in Finowfurt ein „Freiluftkonzert in Mitteldeutschland“. Der Kopf der Gruppe kommt aus Velten (Oberhavel).

Das Gelände des Ex-DVU Landesvorsitzenden und aktuellen Landesvorsitzenden der Splitterpartei „Die Rechte“, Klaus Mann, im brandenburgischen Finowfurt (Barnim) ist zu einem Erlebnispark für Neonazis geworden. Seit Jahren finden hier Rechtsrockkonzerte statt. Dieses Jahr veranstalteten die Manns bereits das Sommerfest der „Rechten“ sowie nicht näher definierte Benefizkonzerte. Auch für die zweite Jahreshälfte sind Konzerte geplant, wie mit der Bremer Band „Kategorie C“ am 17. August, dem Todestag des Nazi-Verbrechers Rudolf Heß., oder der „Preußentag“ der NPD im Oktober. Regional wie überregional ist das private Grundstück inzwischen ein Mekka für Rechtsrockanhänger.

Auch für den 27. Juli liegt eine Anmeldung vor, im Internet mobilisiert eine Gruppierung unter den Namen „MS 88“ zum „Freiluftkonzert in Mitteldeutschland“. „MS 88“ ist die Abkürzung für eine kameradschaftsähnliche Struktur aus Velten (Oberhavel) und steht ausgeschrieben für „Märkische Skinheads 88“.  Die Zahl 88 ist ein Code und bedeutet "Heil Hitler". Auf den Eintrittskarten steht: "Gemeinschaft ist unsere Waffe."

In den vergangenen Jahren veranstaltete „MS 88“ Konzerte in Brandenburg im zweistelligen Bereich. Ein Großteil der Konzerte konnte ohne Störung und das Eingreifen der staatlichen Behörden in Oranienburg (Oberhavel) stattfinden. Erst Recherchen von Neonazi-Gegnern vor Ort brachten hier ein „Nationales Jugendzentrum“ zu Tage, in dem allein acht solcher Rechtsrockkonzerte im Jahr 2011 stattgefunden haben sollen. Der Mietvertrag wurde nach Bekanntwerden des Ortes aufgelöst. Laut brandenburgischem Verfassungsschutz war die Räumlichkeit durch die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), der Jugendorganisation der NPD, angemietet.

Als Anmelder der Veranstaltung am 27.Juli tritt der Veltener Robert W. (25) auf. Seit längerem sind seine Kontakte in die Rechtsrockszene bekannt. Für die Mobilisierung der Anhänger im braunen Milieu sind Konzerte und Musik elementar. Hierbei spielt W. nach PNN-Recherchen im nördlichen Brandenburg eine Schlüsselrolle.

Im Rahmen einer Razzia gegen die Berliner Neonaziband „X.x.X.“ (auch bekannt unter Deutsch.Stolz.Treue oder DST) war Ende 2011 auch die Garage von Robert W. durchsucht worden. Er war damals beschuldigt worden, strafrechtlich relevante Tonträger mit volksverhetzenden Texten produziert und kommerziell verbreitet zu haben. Bei ihm wurden dann tatsächlich versandfertige CDs beschlagnahmt. Seit längerem soll er da bereits mit Rechtsrock-Produkten in einem inzwischen geschlossenen rechten Forum gehandelt haben.

Inzwischen macht W. auch bei der NPD mit. Im Februar wählte der NPD-Kreisverband Oberhavel einen neuen Vorstand und vermeldete, dass der Altersdurchschnitt im Vorstand um 20 Jahre gesunken sei. Hintergrund ist das Abwandern von älteren Parteimitgliedern in die Landes- und Bundespartei sowie der massive Eintritt von jungen Neonazis, welche vorher im Spektrum der JN und der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) aktiv waren. Auch W. kam so in die NPD und wurde in den Kreisvorstand gewählt.

Aus dieser Position heraus meldete er bereits am 21. April 2013 in Hennigsdorf eine Kundgebung für die NPD an. Auch im vergangenen Jahr, als er noch nicht offiziell Mitglied der NPD war, fiel er bereits in Oberhavel auf. Zum Geburtstag des NS-Kriegsverbrechers Erich Priebke schaltete er eine Geburtstagsanzeige in der Lokalzeitung. Einen Tag später organisierten Neonazis aus Berlin und Oberhavel einen Fackelmarsch durch Hennigsdorf, die Polizei zählte 30 bis 50 vermummte Teilnehmer und konnten nur einige Beteiligte stellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Sogar eine Belohnung wurde für Hinweise zu den Drahtziehern des Aufmarsches wurden ausgesetzt.

Auf Bildern aus dem Jahr 2011, welche im Umfeld der Konzerte in Oranienburg gemacht wurden, ist W. hinter einem Transparent der Gruppe „Märkische Skinheads 88“ zu sehen. Weitere NPD-Mitglieder sowie Neonazis aus dem Spektrum der „Freien Kräfte“ gehören zum „MS 88“. Kenner der rechten Szene sehen in W. ein Bindeglied zwischen der NPD und der starken subkulturellen Neonaziszene in Oberhavel.

Das Konzert am 27. Juli wird mit einem Verweis auf zwei Konzerte der letzten Jahre beworben. Bei einem der Konzerte handelte es sich um ein „Sportfest“ mit musikalischem Rahmenprogramm. Im vergangenen Jahr fand das Konzert, was von den „Märkischen Skins“ beworben wurde, ebenfalls in Finowfurt statt, das Motto: „Stärke Körper und Geist.“ Es wurde allerdings von der Polizei aufgelöst.

Im selben Jahr versuchte Robert W. zum 1. September in Sportfest in Velten zu arrangieren. So wollte er beim örtlichen Rugbyverein ein Fußballturnier anmelden. Solche „Nationale Fußballturniere“ dienen zur Vernetzungstreffen über die Landesgrenzen hinaus. Der Verfassungsschutz schaltete sich ein, der Rugbyverein entschied keinen Vertrag mit W. einzugehen.

Eine anschließende rechte Protestkundgebung wurde vom Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke angemeldet. An der Demonstration in Velten nahmen Personen teil, welche laut Kennern der Szene auch dem Fackelmarsch, welcher Monate zuvor stattfand, zugerechnet werden. Weiterhin berichten Kenner der rechten Szene, dass die Neonazis um W. seit Jahren versuchen, einen Fuß in die Sportvereine zu setzen. Mehrere Neonazis, darunter W., spielten und spielen sogar heute noch in den lokalen Fußballvereinen in Oberhavel.

Wie das Portal „gegenrede.info“ berichtet, soll Robert W. neben dem Konzert in Finowfurt auch eines in Viereck bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) angemeldet haben. Es soll ebenfalls am 27. Juli stattfinden. Offenbar sucht W. nach zuletzt massiven Protesten in Finowfurt einen Ausweichort. Erst im April schafften es Bürgerinnen und Bürger erstmalig ein Konzert auf dem Gelände der Familie Mann in Finowfurt zu stören und blockierten zum Teil erfolgreich Wege zum Gelände. Auch die Polizei greift bei den Konzerten immer härter durch, schreitet bei jedem Hitlergruß, jeder Ordnungswidrigkeit oder jedem verbotenen Lied auf dem Privatgelände ein – und bricht die Veranstaltung ab.

Ob sich Viereck als Ausweichort eignet, ist fraglich. 2012 hatte das Bündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt“  2000 Menschen zum Protest gegen das Pressefest der NPD-Postille "Deutsche Stimme" in Viereck mobilisiert. Ungestört dürfte es für das „Freiluftkonzert in Mitteldeutschland“ von „MS 88“ kaum werden, weder in Finowfurt noch in Viereck.

Sören Kohlhuber

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