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Wiederholungsgefahr. Spandau wird jedes Jahr zum Neonazi-Treff.

© P. Zinken/dpa

Nazi-Aufmarsch in Berlin: 1000 Neonazis in Spandau erwartet

Rechtsextremisten wollen am Samstag wieder an Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß erinnern. Ein breites Bündnis ruft zu Protesten auf – Berlins Innensenator sieht keine Chance für ein Verbot der braunen Demo.

Von Frank Jansen

Berlin - Dem Bezirk Spandau steht ein anstrengender Samstag bevor. Neonazis wollen wie im vergangenen Jahr mit einem Aufmarsch an Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter in der NSDAP, erinnern. Heß hatte sich am 17. August 1987 im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis erhängt. Die Sicherheitsbehörden erwarten 1000 Rechtsextremisten und eine noch größere Zahl von Gegendemonstranten. Im vergangenen Jahr hatten Nazigegner am 19. August die Route der Rechten blockiert. Die Heß-Fans konnten nur in der Umgebung des Bahnhofs Spandau demonstrieren. Ein ähnliches Szenario sei wieder zu erwarten, heißt es in Sicherheitskreisen. Und womöglich noch mehr.

Der Ex-Chef der Berliner NPD, Sebastian Schmidtke, hat für Samstag eine Demonstration in Mitte angemeldet. Offenbar wollen die Neonazis dahin ausweichen, sollten Gegendemonstranten wieder den geplanten Marsch durch Spandau verhindern. Und wenn die Rechten auch in Mitte nicht durchkommen, wollen sie es nach Informationen dieser Zeitung in Lichtenberg versuchen.

Gegen die Glorifizierung von Heß, der nach Ansicht der Neonazis ermordet wurde, regt sich massiver Widerstand. Bei der Polizei sind bislang Anmeldungen zu elf Protestaktionen eingegangen. Ein erster Aufzug ist schon für den frühen Freitagabend in Spandau geplant. Das Spandauer Bündnis gegen Rechts will bereits am Jahrestag des Todes von Heß „auch nur die kleinsten Ehrenbekundungen“ verhindern, wie es im Aufruf heißt. Am Samstag will das Bündnis dann wieder demonstrieren. Den Aufruf unterstützen unter anderem die Spandauer SPD, die Berliner Grünen, der Türkische Bund in Berlin- Brandenburg, die katholischen Pfarrgemeinden in Spandau, aber auch die linksextreme Gruppierung „Interventionistische Linke Berlin“.

Die Initiative „Berlin gegen Nazis“ hat sich zudem die kuriose Aktion „Ein Cent gegen Nazis“ ausgedacht. Der Aufmarsch der Rechten soll in klingende Münze für den Verein Sea-Watch umgesetzt werden. Sea-Watch beteiligt sich an der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. „Berlin gegen Nazis“ ruft dazu auf, für jeden Neonazi, der in Spandau aufläuft, einen Cent für Sea-Watch zu spenden.

Die Aktion liefe ins Leere, würde die Polizei den Heß-Marsch verbieten. Neben linken Gruppen fordert das auch der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner. „Spandau ist kein Wallfahrtsort für Neonazis und darf auch keiner werden“, sagt Wegner. In einem Brief bat er Innensenator Andreas Geisel (SPD), ein Verbot zu prüfen. Geisel sieht aber keine Handhabe, den Neonazis die Versammlungsfreiheit zu verwehren.

Die Neonazis werden allerdings auch dieses Jahr nicht offen Heß huldigen können. Wie schon 2017 dürften beim Aufmarsch keine Heß-Bilder gezeigt und keine Parolen gerufen werden, die Heß verherrlichen, sagen Sicherheitskreise. Die Rechtsextremen hatten sich allerdings im vergangenen Jahr nah an die Glorifizierung herangewagt. Die Neonazis an der Spitze der Demonstration trugen ein Transparent mit der Parole „Ich bereue nichts“. Den Spruch hatte Heß 1946 als Angeklagter beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess von sich gegeben. 

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