zum Hauptinhalt

Brandenburg: Näschen in der Grube

In Brandenburg befinden sich zwei Dutzend Deponieprojekte in Planung – mehr als in anderen Bundesländern.

Potsdam - In Alt Golm, rund 80 Kilometer östlich von Berlin, ist es schon passiert. Dort wurde eine ausgebeutete Kiesgrube in eine Mülldeponie umfunktioniert. Seit Jahresbeginn karren Lastwagen Abfälle aus der Industrie und der Bauwirtschaft heran. Doch das ist erst der Anfang eines landesweiten Deponiebooms. Künftig könnten die Mülltransporte auch nach Duben bei Luckau, Vietznitz bei Wiesenaue oder nach Luckenwalde rollen. Nach PNN-Informationen befinden sich in Brandenburg rund zwei Dutzend Deponieprojekte in Planung – so viele wie in keinem anderen Bundesland.

6,5 Millionen Kubikmeter Bauschutt und andere mineralische Abfälle der Industrie fallen jedes Jahr in Berlin und Brandenburg an. Die große Masse davon wird wiederverwertet. Zum Beispiel als Recyclingbaustoff in Straßen oder als Füllmaterial in Tagebauen. Nur ein ganz geringer Anteil muss derzeit deponiert werden. Doch das wird sich ändern, wie Ulrich Stock vom brandenburgischen Landesamt für Umwelt (LfU) gegenüber den PNN ankündigt. Stock zufolge fallen bedeutsame Verwertungswege künftig weg. Bauwirtschaft und Industrie brauchten deshalb neue Deponien für ihren Müll.

Doch die bestehenden Endlagerkapazitäten in Brandenburg drohten laut einer Studie, die das LfU durchführen ließ, schon in diesem Jahr auszugehen. Alt Golm und andere Projekte, etwa die abgeschlossene Erweiterung der VEO-Deponien in Eisenhüttenstadt, verhinderten einen Engpass. Nun kündigen sich weitere Deponien an.

Die UDG, die Entsorgungsfirma des Landkreises Uckermark, ist bereits dabei, ihre Deponie Pinnow zu vergrößern. Der SBAZV, der Abfallzweckverband der Landkreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald, will bei Königs Wusterhausen ein Grubenloch in einen Müllberg verwandeln. Auch die Berliner Stadtreinigung plant eine Aufstockung ihrer Deponie in Schöneiche – obwohl in Sichtweite die MEAB, die Entsorgungsgesellschaft der Länder Berlin und Brandenburg, bereits massiv ausbaut. Doch selbst bei der MEAB geht noch mehr. Ihr Antrag für eine Erweiterung der Deponie Deetz ist schon gestellt. Aber nicht nur Firmen der öffentlichen Hand befinden sich im Deponieboom. Auch private Unternehmer wittern ein Geschäft. Allerdings haben die meisten von ihnen keine Erfahrung im Betrieb von Deponien. Sie verdienen ihr Geld bislang mit der Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Doch ob die Firmen nun Erdtrans, Baustoffe Flechtingen, Silex Kieswerk oder Happy Kies heißen – künftig wollen sie auch mit Müll Kies scheffeln.

Die Liste, die das Landesumweltamt über alle Vorhaben führt, ist lang. Mittlerweile doppelt so lang wie noch vor anderthalb Jahren. Sie umfasst heute insgesamt 25 Projekte an 19 Standorten. Ein bestimmter Deponietyp ist besonders häufig vertreten.

Deponien werden in Deutschland in fünf verschiedene Typen unterteilt. Die Unterteilung reicht von Klasse 0 für unbelasteten Abfall bis Klasse 4 für giftigen Sondermüll. Das Gros der neuen Halden in Brandenburg werden Deponien der Klasse 1 – für Schutt vom Bau, Sande aus Gießereien, Asche aus Kraftwerken und Schlacke aus Stahlfabriken. Knapp 95 Prozent der neuen Deponien entfallen allein auf diesen Deponietyp.

Läuft alles wie geplant, dann entstehen in Brandenburg nach aktueller Berechnung neue Deponiekapazitäten von insgesamt fast 40 Millionen Kubikmetern. Das Ende ist damit aber noch nicht erreicht. Denn wie Ulrich Stock vom LfU Anfang März auf der Leipziger Deponiefachtagung berichtete, gibt es „mehr oder weniger konkrete Absichtsbekundungen“ für weitere Vorhaben.

Auch wenn sich viele Projekte noch in einer frühen Planungsphase befinden, ist doch schon jetzt sehr wahrscheinlich, dass die meisten umgesetzt werden. Das LfU sieht den Bedarf dafür. Damit ist die erste Hürde bereits überwunden. Andere Hindernisse gibt es kaum. Enteignungen etwa seien nicht erforderlich, alle potenziellen Betreiber seien im Besitz der Flächen, wie Experte Stock in Leipzig weiter erzählte.

Im Grunde steht nur noch einer den Deponieplänen im Weg: der Bürger. Doch bislang gehen die meisten Projekte völlig geräuschlos über die Bühne. Lediglich in Luggendorf bei Groß Pankow, in Neuendorf im Löwenberger Land und in der Fresdorfer Heide nahe Potsdam protestieren Anwohner lautstark gegen die Vorhaben.

In Luggendorf und in der Fresdorfer Heide rührt der Protest auch daher, dass beide Kiesgruben in der Vergangenheit als illegale Deponien missbraucht wurden. Nach PNN-Recherchen sind mit den Standorten Vietznitz und Luckenwalde noch andere Gruben betroffen, die auf der Vorhabenliste des LfU stehen. Auch das Gelände einer ehemaligen Sortieranlage bei Pinnow, wo mehr als 40 000 Tonnen Müll herrenlos vor sich hin rotten, haben Deponiebauer im Blick. 15 Jahre lang wollte dort niemand den Dreck wegräumen. Jetzt auf einmal aber will die UDG, die Entsorgungsfirma des Landkreises Uckermark – vorausgesetzt sie darf diese Fläche ihrer Deponie Pinnow einverleiben.

Michael Billig

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false