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In Brandenburg könnte es künftig weniger Apotheken geben (Symbolbild)

© dpa

Nachwuchs dringend gesucht: Drohendes Apothekensterben in Brandenburg

Pharmazeuten sind rar. Die Brandenburger Apothekerkammer fordert einen Studiengang an der neuen Medizinischen Fakultät in Cottbus.

Von Sandra Dassler

Cottbus/ Potsdam - Um die Kohle loszuwerden, nimmt die Politik derzeit bekanntlich eine Menge Kohle in die Hand. So will die Brandenburger Landesregierung mindestens 650 Millionen Euro von den insgesamt für das Bundesland bereitgestellten zehn Milliarden Euro für eine Medizinische Fakultät in Cottbus investieren. 1800 Studenten könnten künftig hier ausgebildet werden und mehr als 4000 Arbeitsplätze entstehen, darunter 70 Professuren.

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Die Fakultät ist zweifellos eines der wichtigsten Projekte, um den Strukturwandel in der Lausitz zu bewältigen – und schon jetzt ruhen viele Hoffnungen auf ihr. Unter anderem auch die der Landesapothekerkammer Brandenburg. Die fordert nun, an oder neben der Medizinischen Fakultät auch einen Pharmaziestudiengang einzurichten, sprich: Apotheker auszubilden. „Wir reden schon seit sieben Jahren mit der Landesregierung darüber, dass wir einen solchen Studiengang in Brandenburg dringend brauchen“, sagte der Präsident der Landesapothekerkammer, Jens Dobbert: „Schon 2015 hatte eine Studie der Zukunftsagentur Brandenburg die erschreckende Feststellung gemacht, dass im Jahr 2025 die Zahl der knapp 600 Apotheken im Land um fast ein Drittel schrumpfen könnte.“

Der Grund für diese Entwicklung ist ganz simpel: Mehr als 40 Prozent der Apotheken-Inhaber gehen in den nächsten acht Jahren in Rente. Und finden keine Nachfolger – vor allem, weil einfach zu wenig ausgebildet wird. Jens Dobbert weiß das aus eigener Erfahrung. „Als ich von 1992 bis 1997 an der Freien Universität in Berlin studiert habe, waren es etwa 120 Studenten pro Semester, heute sind es weitaus weniger, obwohl der Bedarf gestiegen ist. Das reicht nicht einmal für Berlin.“

Versandhandel sei kein Ersatz

Dahin zieht es aber junge Leute naturgemäß stärker als in die ländliche Provinz, was die Nachwuchssorgen dort noch vergrößert. Für ein Flächenland wie Brandenburg wären 40 Prozent weniger Apotheken – darüber sind sich Gesundheitsexperten einig – schlichtweg eine Katastrophe. Denn bei einer Schließung müssen die Kunden, oftmals alte und kranke Patienten, nicht nur eine Straße oder eine U-Bahn-Station weiterfahren, sondern in zehn, fünfzehn oder zwanzig Kilometer entfernt liegende Städte. „Und der von manchen hoch gelobte Versandhandel wird die Apotheke vor Ort nicht wirklich ersetzen können“, meint Dobbert.

Schließlich ginge es ja auch um die fachmännische Beratung durch gut ausgebildete, kompetente und empathische Mitarbeiter. Hinzu komme, dass Pharmazeuten längst nicht mehr nur in Apotheken gebraucht würden. „Wir benötigen dringend mehr klinische Pharmazeuten“, sagt der Geschäftsführer des Cottbuser Carl-Thiem-Klinikums (CTK), Götz Brodermann: „Also sozusagen Apotheker in den Kliniken, sprich: am Bett der Patienten.“ 

Längst gebe es Empfehlungen, wonach Krankenhäuser pro 150 Betten einen Pharmazeuten beschäftigen sollten, der am besten auch bei der Visite anwesend sei und die Ärzte hinsichtlich der Arzneimitteltherapie berate. Im CTK geschehe dies zumindest auf den Intensivstationen bereits einmal pro Woche, sagt Götz Brodermann, aber das sei durchaus ausbaufähig. Deshalb und weil außerdem auch mehr Krankenhaus-Apotheken in Brandenburg gebraucht würden, hält er einen Pharmaziestudiengang für sinnvoll und notwendig.

Während sich Apothekerkammerpräsident Jens Dobbert als Standort dafür auch Senftenberg vorstellen kann, bevorzugt der Klinikchef allerdings Cottbus – aus einem ganz pragmatischen Grund: „Wie die künftigen Ärzte sollten auch die angehenden Pharmazeuten vom ersten Tag ihres Studiums an am Patienten lernen“, sagt er: „Da ist es natürlich besser, wenn zwischen Universität und Krankenhaus nur ein, zwei Kilometer und zehn Minuten mit dem Fahrrad liegen als eine Stunde Zugfahrt.“

Entscheidungen nach der Sommerpause

Fest steht, dass die neue Medizinische Fakultät eng mit dem Carl-Thiem-Klinikum zusammenarbeiten soll. Noch nicht ganz klar ist hingegen, ob die neue Fakultät an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg integriert oder als eigene Hochschule gegründet wird. Nach der Sommerpause werden wohl einige Entscheidungen dazu auch in Potsdam fallen müssen. Die Landesregierung hatte in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass sie die Versorgung im Land sichern wolle, in dem sie den Apothekern vor Ort die Möglichkeit gebe, zusätzliche therapeutische Dienstleistungen, etwa in der Krebstherapie anzubieten.

Für die Landesapothekerkammer ist das Wichtigste, dass die Ausbildung in der Lausitz erfolgt, weil es das ihrer Überzeugung nach vielen Studenten leichter mache, sich nach ihrem Abschluss hier auch niederzulassen. „Nicht wenige lernen ja während des Studiums ihren Partner kennen“, sagt Jens Dobbert: „Deshalb ist es bislang schwierig, junge Menschen, die in Leipzig, Berlin oder gar in den westlichen Bundesländern Pharmazie studierten, wieder zur Rückkehr nach Brandenburg zu bewegen.“ Dabei hätten die jungen Apotheker hier eines ganz gewiss: eine Arbeitsplatzgarantie.

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