zum Hauptinhalt

Brandenburg: Nachtflug-Gegner wittern Morgenluft

Nun gehen die Kritiker des künftigen Airports und der geplanten Flugrouten in die Offensive. Alle Hoffnung liegt auf dem Volksbegehren: 80 000 Unterschriften benötigen die Brandenburger. In Potsdam versucht man den Behördenweg zu erleichtern: Abgestimmt wird auch per Smartphone Derweil fürchten die Friedrichshagener neue Belastungen, wenn Maschinen ausweichen müssen

Von

Berlin/Potsdam - Die Fluglärmgegner gehen in die Offensive, und das gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen fokussieren sie alle Kräfte auf das brandenburgische Volksbegehren für ein totales Nachtflugverbot am Hauptstadtflughafen in Schönefeld. Zum anderen kündigen sie Widerstand an gegen eine Verbreiterung der hindernisfreien Korridore für Starts und Landungen, die die Deutsche Flugsicherung (DFS) vorgenommen haben soll. Davon sollen Zehntausende Berliner und Tausende im Großraum Potsdam/Teltow betroffen sein. „Die wissen noch gar nicht, was auf sie zukommt“, sagt eine Mitarbeiterin der Friedrichshagener Bürgerinitiative FBI, deren Aktivisten diese Abkürzung gerne aussprechen wie die jener US-Ermittlungsbehörde.

Ermittelt haben die Mitglieder nun angeblich, dass die sogenannten hindernisfreien Zonen um Starts und Landungen im Südosten verbreitert wurden und im Südwesten ohnehin sehr breit waren. Dadurch, so die Befürchtung, könnten die Maschinen bei Starts und Landung problemlos von den am 26. Januar festgelegten Flugrouten abweichen - mit entsprechender Lärmbelastung für Anwohner. Axel Raab, Sprecher der Deutschen Flugsicherung, dementierte dies am Sonntag. „Wir haben nichts an den hindernisfreien Zonen um die Flugrouten herum geändert“, sagte er auf Anfrage. „Dass es solche Zonen gibt, ist allein der Sicherheit geschuldet. Wenn ein Flugzeug gerade beim Start oder bei der Landung in einer Notsituation nach rechts oder links ausweichen muss, dürfen dort keine Hindernisse wie Hochhäuser oder Fabrikschornsteine stehen.“ Genutzt werden diese Korridore nur in Notfällen, also etwa bei starken Unwettern und keineswegs ständig, wie von den Bürgerinitiativen befürchtet.

Die aber halten dagegen, dass Abweichungen von den Flugrouten immer toleriert würden. Matthias Schubert von der Bürgerinitiative Kleinmachnow gegen Flugrouten sagte den PNN: „Die neuen Korridore belegen einmal mehr, dass die gesamte Region zwischen Potsdam und Erkner, der gesamte Südgürtel der Berliner Bezirke und die angrenzenden Kreise, Städte und Gemeinden in Brandenburg schwer vom Fluglärm betroffen sind.“

Flughafensprecher Ralf Kunkel sagt dagegen: „Das ist erst ab einer Höhe von 5000 Fuß, also etwa 1500 Metern, möglich. Auf die Schallschutzgebiete hat das keine Auswirkung.“ Tatsächlich können gestartete Flugzeuge im Westen ihre Routen etwa ab Großbeeren nach Norden und Westen auffächern. Kleinmachnow, Stahnsdorf, Teltow und Teile von Potsdam sind dann vom Fluglärm betroffen, aber mit Wannsee und Steglitz-Zehlendorf auch Berlin.

Die Hoffnungen der Fluglärmgegner richten sich nun auf den Erfolg des Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot in Brandenburg. Am BER gilt – wie vom Bundesgerichtshof bestätigt – nur zwischen 23.30 Uhr und 5.30 Uhr ein Flugverbot. Fluglärmgegner fordern ein generelles Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Sie berufen sich auf Studien des Umweltbundesamtes, das vor Gesundheitsschäden durch nächtlichen Fluglärm warnt.

Auch Brandenburgs Grüne forderten am Wochenede auf ihrem Programmparteitag einen Schallschutz für die Anrainer des neuen Flughafens in Schönefeld ohne Kompromisse. Entschädigungen könnten nur das letzte Mittel sein, die Verantwortlichen dürften sich nicht rauskaufen, betonte Grünen-Landesvorsitzende Annalena Baerbock. In erster Linie müsse der nötige Lärmschutz – zum Beispiel mit Spezialfenstern – umgesetzt werden. Generell forderten die Grünen erneut ein striktes Nachtflugverbot (siehe Beitrag links).

In Berlin war das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot erst vor wenigen Wochen gescheitert. Dort kamen nur 139 000 gültige Unterschriften zusammen, erforderlich waren 173 233. In Brandenburg müssen bis zum 3. Dezember zwar nur rund 80 000 Unterschriften zusammenkommen, aber das ist nicht unbedingt leichter: Erstens sind nur die um den Flughafen liegenden Gemeinden betroffen, während das Nachtflugverbot den Cottbusern, Senftenbergern oder Meyenburgern herzlich egal sein dürfte. Zweitens reicht, im Gegensatz zu Berlin, nicht die Unterschrift auf der Straße, die Brandenburger müssen ihre Unterschriften in den Amtsstuben leisten oder zumindest die Unterlagen dort anfordern.

Kritiker bemängeln, dass schon mehrere Volksbegehren in Brandenburg an dieser Hürde gescheitert sind. Deshalb gehen die Initiatoren des Volksbegehrens jetzt neue Wege, um die Menschen zu mobilisieren – zumindest in Potsdam. Smartphone-Nutzer brauchen dort nicht mehr ins Rathaus oder zu den vier anderen, nur begrenzt geöffneten Standorten in der Stadt, sondern können – wie die PNN berichteten – über ihr Handy Unterlagen anfordern oder sie sich schicken lassen (siehe Kasten). Diese Möglichkeit ist Teil der Kampagne, die die Bürgerinitiative „Schützt Potsdam“ einen Monat vor Ende des Volksbegehrens gestartet hat. Im gesamten Stadtgebiet sollen bis Dienstag 2000 Plakate hängen. Markus Peichl von der Potsdamer Initiative ist sich sicher, dass die 80 000 Unterschriften zusammenkommen.

„Wir haben jedenfalls schon weitaus mehr als 51 000 Unterschriften“, sagt Matthias Schubert. Allein an diesem Wochenende sind Hunderte von Anforderungen auf Übersendung der Unterlagen hinzugekommen. Schubert ist nicht nur Sprecher der Kleinmachnower Initiative, sondern auch Vorsitzender des Aktionsbündnisses für ein lebenswertes Berlin Brandenburg mit Fluglärmgegnern beider Länder. Die Berliner helfen jetzt im Umland beim Stimmensammeln. Weil die Kampagne für das Volksbegehren viel Geld kostet, treten die Aktivisten anderswo kürzer. Aus der wöchentlichen Montagsdemo in Friedrichshagen ist eine Mahnwache geworden. Immerhin Hunderte von Teilnehmern werden heute erwartet.

Parallel bereitet die Initiative in Kleinmachnow eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor. Im Juli war ihre Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Flugrouten gescheitert. Die Initiative sieht sich getäuscht, weil im Planfeststellungsverfahren stets von Geradeaus-Routen die Rede war.

Zur Startseite