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Nach Vorwürfen gegen Haasenburg-Heime: Ministerin: Es geht um massiv verletzte Menschenrechte

Fixiert und Isoliert? Eine Expertenkommission prüft die Vorwürfe gegen die Haasenburg-Heime.

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Potsdam/Berlin/Cottbus - Die Misshandlungsvorwürfe gegen den privaten Heimbetreiber Haasenburg GmbH werden seit Freitag von einer unabhängigen Kommission untersucht. „Das sind ja keine Bagatellen, sondern es geht hier um Vorwürfe von massiven Menschenrechtsverletzungen“, sagte Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch (SPD) am Freitag bei der Vorstellung der von ihr einberufenen Kommission unter Vorsitz des Berliner Diplompsychologen Martin Hoffmann in Potsdam.

Die fünf Kommissionsmitglieder kommen aus der Jugendhilfe, Kinderpsychiatrie, Sozialpädagogik und aus einem Jugendamt. Bis Jahresende sollen die Experten einen Bericht vorlegen und dafür nicht nur die Vorwürfe gegen den Betreiber und das pädagogische Konzept prüfen, sondern auch ein mögliches Versagen der Aufsichtsbehörden aufklären – und Vorschläge für den künftigen Umgang mit den verhaltensauffälligen Jugendlichen erarbeiten. Der private Betreiber unterhält drei Jugendhilfeeinrichtungen in Brandenburg, in Jessern, Neuendorf (Dahme-Spreewald) und Müncheberg (Märkisch-Oderland). Von den 114 Plätzen sind 56 für die – auf Gerichtsbeschluss erfolgte – sogenannte geschlossene Unterbringung von besonders schwierigen Jugendlichen vorgesehen. Verschiedenen Berichten zufolge sollen Jugendliche in den Haasenburg-Heimen bei Anti-Aggressionsmaßnahmen stundenlang fixiert worden sein, sodass es zu Knochenbrüchen kam. Zudem soll ein ungewöhnlich harter Drill herrschen.

Für angeblich mehrtägige Fixierungen oder monatelange Isolation beziehungsweise schwere Körperverletzungen im Rahmen von Anti-Aggressions-Maßnahmen gebe es „weder eine Rechtsgrundlage noch eine Legitimation“, sagte Münch. Bei einer vor knapp zwei Wochen vom Ministerium geschalteten Hotline haben sich laut Ministerium bislang 17 frühere Insassen, Ex-Mitarbeiter und andere Bürger gemeldet und über Missstände in der Haasenburg berichtet. Dabei gehe es aber ausschließlich um Vorfälle in der Vergangenheit, sagte Münch. Derzeit gebe es keine Anhaltspunkte dafür, „dass dort zurzeit Menschenrechtsverletzungen passieren“.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt jetzt bereits in zwei Fällen wegen des Anfangsverdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der Körperverletzung. Eine 19-Jährige, deren Vorwürfe bis 2006 zurückreichten, sei vernommen worden, sagte eine Sprecherin den PNN. Die junge Frau habe selbst keine Anzeige erstattet, sich aber in einer Fernsehsendung geäußert und von Fixierungen berichtet. Daraufhin habe man Ermittlungen von Amts wegen eingeleitet.

In einem anderen Fall wird aufgrund der Anzeige eines 19-Jährigen ermittelt, der wegen einer Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus in Eberswalde ist. Er gab an, dass er mehrere Tage am Bett fixiert worden sei. Laut Staatsanwaltschaft bezieht sich die Anzeige auf einen mehrmonatigen Aufenthalt im Jahr 2010.

Sollten die Vorwürfe zutreffen, hätte die Haasenburg GmbH, die die einzige geschlossene Unterbringung von Jugendlichen im Land anbietet, gegen die seit Anfang 2010 geltende Betriebserlaubnis der Landesbehörden verstoßen. Wegen mehrerer Vorfälle – darunter der Tod einer 16-Jährigen im Jahr 2008 – hatte das Landesjugendamt die Haasenburg-Heime scharfen Kontrollen unterzogen, Missstände festgestellt und strenge Auflagen erteilt. Fixierliegen, Einheitskleidung und Clogs wurden verboten. Münch sagte, auf Hinweise zu Missständen habe das Landesjugendamt mehrfach reagiert und wegen fehlenden Personals auch vorübergehend die Belegung gestoppt: „Die Haasenburg ist die am meisten kontrollierte Einrichtung in Brandenburg“, sagte Münch. Die Mitarbeiter seien auch ihren Meldepflichten bei sogenannten Antiaggressionsmaßnahmen nachgekommen und hätten zugesagt, mit der Untersuchungskommission zu kooperieren.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem forderte, auch die pädagogischen Methoden der Heime der Haasenburg müssen durch die Kommission geprüft werden. „Allein die Tatsache, dass jemand Fixierliegen einsetzt, offenbart ein pädagogisches Verständnis, das nicht dadurch verschwindet, dass man eine Liege abschafft. Auch wäre es aus meiner Sicht notwendig, den Opfern Hilfe anzubieten“, sagte die Potsdamerin. „Es geht hier nicht nur um die Haasenburg“, sagte Marianne Burkert-Eulitz, Grünen-Sprecherin für Familie, Jugend und Kinder im Berliner Abgeordnetenhaus. „Für diese Jugendhilfe-Einrichtungen gibt es im Gegensatz zum Jugendstrafvollzug keine rechtlichen Regelungen für die Durchführung der freiheitsentziehenden Maßnahmen. Das ist schlecht für die Jugendlichen, aber auch für die Erzieher.“ Ihre Fraktion hat daher beim wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung notwendig und möglich ist. Die Antwort steht noch aus.

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