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Update

Nach Pharmaskandal in Brandenburg: Gesundheitsministerium sperrt Lunapharm dauerhaft

Lunapharm dauerhaft keine Medikamente mehr in Brandenburg verkaufen. Das Gesundheitsministerium hat dem Pharmahändler die notwendige Erlaubnis entzogen. Das Unternehmen wehrt sich dagegen.

Potsdam - Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Skandals um illegale Krebsarzneien ziehen die Brandenburger Behörden nun härtere Konsequenzen. Dem Pharmahändler Lunapharm aus Mahlow (Teltow-Fläming), der im Verdacht steht, geklaute und womöglich unwirksame Medikamente aus Griechenland vertrieben zu haben, wurde am Dienstag durch das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) das Herstellen und Inverkehrbringen von Arzneimitteln dauerhaft untersagt. Das bestätigte die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Gerlinde Krahnert, auf Anfrage. Zuvor hatte das ARD-Magazin „Kontraste“, das die Affäre im vergangenen Juli öffentlich machte, darüber berichtet.

In dem Bescheid heißt es laut „Kontraste“, dass Lunapharm „in quantitativer wie qualitativer Hinsicht kontinuierlich über einen langen Zeitraum und in schwerwiegender Weise gegen arzneimittelrechtliche Vorgaben verstoßen“ habe. Zudem sei davon auszugehen, dass die Lunapharm Deutschland GmbH und deren Geschäftsführerin ihre Tätigkeiten auch zukünftig nicht in Übereinstimmung mit dem geltenden Arzneimittelrecht ausüben werden. So habe Lunapharm „in Kenntnis der Rechtswidrigkeit zahlreiche Arzneimittel von einer griechischen Apotheke bezogen, die zur Lieferung nicht befugt war“. Zudem habe der Händler das Krebsmedikament Herceptin aus Italien vertrieben, obwohl „alle europäischen Großhändler seit 2014 wüssten oder wissen müssen, dass es auf legalem Weg – nach wie vor – nicht möglich sei, Herceptin aus Italien zu beziehen“. Seit dem 6. August 2018 hat das umstrittene Pharmaunternehmen zudem keine Großhandelserlaubnis mehr. Diese Regelung gilt laut Ministerium bis zum 6. Februar 2019 und sei von der aktuellen Entscheidung unberührt. Weitere Auskünfte könnten derzeit nicht gegeben werden.

Schadensersatzklage droht

Vertreter von Oppositions- und Regierungsfraktionen im Landtag begrüßten das Vorgehen der Behörden. Die Behörden müssten einschreiten und in so einem Fall auch das Risiko eingehen, auf Schadensersatz verklagt zu werden, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jan Redmann. Lunapharm hatte bereits im Oktober angekündigt, die Landesregierung auf einen dreistelligen Millionenbetrag verklagen zu wollen. Die Behörden hätten auf Grundlage nicht bewiesener Vorwürfe einen massiven wirtschaftlichen Schaden verursacht. Die Schadensersatzklage sei in Vorbereitung, sagte Lunapharm-Sprecher Klaus Kocks am Dienstag den PNN. Gegen den nun zugestellten Bescheid werde man Widerspruch einlegen und „jeden Punkt“ ausklagen, so Kocks. Zudem strebe das Unternehmen eine Verfahrungsrüge an, weil der rbb den Bescheid vor dem Betroffenen selbst erhalten habe.

Das Vorgehen des Landesamtes gegen Lunapharm sei richtig, betonte auch Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers. Ob der Schritt schneller möglich gewesen wäre, könne er nicht beurteilen. Erste Hinweise auf den Vorgang bekam das Landesgesundheitsamt Ende 2016, seit Frühjahr 2017 war der Behörde bekannt, dass die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Er sei insgesamt sehr zufrieden damit, wie die neue Gesundheitsministerin und Parteikollegin Susanna Karawanskij die Aufklärung der Affäre vorantreibe. Karawanskij übernahm das Amt im September von Diana Golze, die im Zuge des Skandals zurückgetreten war.

"An Grenzen ärztlicher Schweigepflicht gestoßen“

Karawanskij hatte unter anderem versprochen, verunsicherte Patienten besser informieren zu wollen. Stand September waren 277 Patienten in Berlin und Brandenburg identifiziert worden, die mutmaßlich gestohlene Krebsarznei erhielten. Es habe sich als außerordentlich schwierig erwiesen, weitere möglicherweise betroffene Patienten zu identifizieren, erklärte Ministeriumssprecherin Krahnert am Dienstag. „Wir sind dabei an Grenzen ärztlicher Schweigepflicht gestoßen“, so Krahnert. Das Haus habe sich bemüht, sowohl Apotheker als auch Ärzte zu sensibilisieren. Zudem soll dauerhaft eine Koordinierungsstelle für die Wahrnehmung von Patienteninteressen in verschiedenen Gremien geschaffen werden.

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