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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

© Fabian Sommer/dpa

Nach Kritik an unlauterer Wahlwerbung: Woidke: "Dies war ein Fehler"

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke steht nach Wahlwerbung für den SPD-Bürgermeisterkandidaten in Neuruppin unter Druck. Nun räumt er seinen Fehler ein. 

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat seinen Wahlaufruf für den SPD-Kandidaten bei der Neuruppiner Bürgermeisterwahl als Fehler eingestanden. „Ganz klar: Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Woidke am Abend in Potsdam gegenüber dieser Zeitung. „Asche auf mein Haupt!“ Die Kritik sei nachvollziehbar und berechtigt. „Ich vertrete selbst seit jeher die Auffassung, dass zwischen Regierungs- und Parteiamt konsequent zu trennen ist“, so Woidke weiter. „Um so mehr ärgere ich mich selbst jetzt über diesen Fehler, den ich bedauere. Im Wahlkampf passieren manchmal Fehler, und dieser war ein solcher.“

Eine Anzeige war in mehreren Zeitungen erschienen 

Die Stichwahl für den Bürgermeisterposten in der Fontanestadt Neuruppin hatte am Sonntag überraschend der SPD-Kandidat Nico Ruhle gewonnen. Woidke war danach unter Druck geraten, weil vorher in zwei Lokalzeitungen, einem Anzeigenblatt und in sozialen Medien Wahlaufrufe der SPD erschienen waren, in denen er als Ministerpräsident – nicht als SPD-Landesvorsitzender – für den SPD-Kandidaten geworben hatte. 

Regine-Hildebrandt-Haus soll nicht beteiligt gewesen sein 

Es soll laut SPD ein Alleingang der dortigen Gliederungen gewesen sein. Woidke und auch das Regine-Hildebrandt-Haus seien an diesen Anzeigen in keiner Weise beteiligt gewesen, wie der scheidende SPD-Landesgeneralsekretär und Landtagsfraktionschef Erik Stohn klarstellte. Es sei ein örtliches Missgeschick im Schlussspurt des kommunalen Wahlkampfes gewesen, sagte Stohn.  Der Vorgang befeuert gleichwohl im Land Brandenburg die Grundsatzdebatte, was Regierungsmitglieder in Wahlkampfzeiten zu tun und zu lassen haben. Der Fall Neuruppin soll Thema im Hauptausschuss des Landtages werden. 

Die Freien Wähler forderten am Dienstag eine Fair-Play-Kommission, um solche Verstöße gegen das regierungsamtliche Neutralitätsgebot künftig im Land zu ahnden, auch mit Ordnungsgeldern in fünfstelliger Höhe. Die Linken wollen im Hauptausschuss eine Missbilligung der Staatskanzlei durchsetzen. 

Belastung für die Kenia-Koalition 

Der Vorgang belastet auch die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen, die in Brandenburg seit Herbst 2019 regiert. Als Oppositionsparteien hatten Grüne und CDU vorher einen klaren Kodex für Regierungsmitglieder gefordert und im Koalitionsvertrag auch durchgesetzt. Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke sagte am Dienstag, dass das Eingreifen Woidkes Thema im Kenia-Koalitionsausschuss werde. In die Debatte hatte sich auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann eingeschaltet, der Woidke persönlich in Schutz nahm, mit einem warnenden Hinweis auf Wirkungen. Redmann: „Wir sind in einer Zeit, in der von allen möglichen Ecken, insbesondere von Extremisten, die Legitimität demokratischer Wahlen in Zweifel gezogen wird.“ Es sei „das Interesse aller Demokraten, da gar nicht erst einen Zweifel aufkommen zu lassen“, so Redmann. Das sieht Woidke, wie er mit seiner für einen Regierungschef ungewöhnlich klaren Bitte um Entschuldigung deutlich machte, offensichtlich genauso.

2019 ging es um Wahlwerbung an Schulen  

Schon früher war die SPD mit unlauterer Wahlwerbung negativ aufgefallen. Das Brandenburger Bildungsministerium hatte im August 2018 eine Aktion der damaligen SPD-Landtagsabgeordneten Simona Koß  als unzulässige Wahlwerbung gerügt. Koß hatte in mehreren Schulen ihres Wahlkreises Schüler über gesunde Ernährung informiert und rote Brotboxen mit der Aufschrift „Guten Appetit! Eure Simona Koß“ verteilt. Dies sei ein Verstoß gegen das Brandenburgische Schulgesetz. Die ehemalige Schulleiterin Koß war bei der Landtagswahl am 1. September erneut für die SPD als Direktkandidatin im Wahlkreis 34 (Märkisch-Oderland IV) angetreten - schaffte aber den Wiedereinzug in den Landtag nicht. Nun ist sie SPD-Kandidatin für die Bundestagswahl 2021. 

Zwei Jahre zuvor stand der damalige Staatssekretär des von der SPD geführten Bildungsministeriums, Thomas Drescher,  wegen Wahlwerbung massiv in der Kritik.  Er war im Wahlkampf der SPD-Bürgermeisterkandidaten in Zeuthen und Bestensee (Dahme-Spreewald) aufgetreten.  Die Linke, damals noch Koalitionspartner der SPD, fand seinerzeit deutlich Worte. Der damalige Linksfraktionschef Ralf Christoffers sagte: "Ich halte eine ausgesprochene Sensibilität für angebracht, wenn Mitglieder der Landesregierung, ob Minister oder Staatssekretäre, Termine wahrnehmen."

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