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Nach Kreisreform-Absage in Brandenburg: Womit kommt Woidke aus der Deckung?

Nach Kreisreform-Absage wartet SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke auf Kommunalvorschläge. Und die Kommunen warten auf Woidke. Droht eine neue Blockade um leistungsfähigere Verwaltungen?

Potsdam - Keiner will als Erster aus der Deckung: Nach der Absage der Kreisgebietsreform sehen die vierzehn Landkreise, vier kreisfreien Städte und Kommunen im Land nunmehr die rot-rote Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in der Pflicht. Sie müsse aufzeigen, wie es nun weitergeht, etwa Kooperationsmodelle für leistungsfähigere Verwaltungen im Land vorschlagen. Das haben jetzt der Landkreistag und Städte- und Gemeindebund erklärt – und damit Woidke widersprochen. Der nämlich hatte am Dienstag nach der Kabinettssitzung die „kommunale Familie“ aufgefordert, wie diese es in den Anhörungen im Innenausschuss des Landtages versichert habe, Vorschläge für engere Kooperationen etwa zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen zu machen. Das aber lehnt die Kommunalebene ab.

Schalten die Kommunalverbände nach dem Sieg, nach der Absage der Reform, auf Blockade um? „Nein, das machen wir nicht. Wir stehen zu unseren Aussagen“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der auch Präsident des Städte- und Gemeindebundes ist, am Mittwoch den PNN. Die Kommunen seien gesprächsbereit. „Aber klar ist, dass die Federführung beim Land, beim Ministerpräsidenten liegt.“ Nötig sei eine Funktionalreform aus einem Guss, die Aufgaben zwischen Land, Kreisen und Kommunen müssten neu verteilt werden. „Es wäre ein falsches politisches Signal, nun alles auf sich beruhen zu lassen.“

SPD-Landrat Blasig: Blockade-Verdacht ist "Blödsinn"

Und Wolfang Blasig, SPD-Landrat von Potsdam-Mittelmark und Präsident des Landkreistages, bezeichnete einen Blockade-Verdacht als „Blödsinn“. Die Landkreise seien kooperations- und dialogbereit. Das sei auch kein Widerspruch zu einem Beschluss, den der Vorstand des Landkreistages, paritätisch aus Landräten und Kreistagspräsidenten besetzt, am Vortag gefasst hatte. Darin war aus einem Entwurf der Passus gestrichen worden, der eine aktive Rolle der Kreise bei der Einführung neuer Kooperations-Modelle vorsah.

Blasig erklärte dies mit dem Einstimmigkeitsprinzip des Gremiums und mit der Unsicherheit, was die Regierung jetzt eigentlich vorhat. „Natürlich haben wir Vorstellungen, wie es weitergeht. Aber wir warten zunächst die Einlassungen der Regierung ab und werden uns dann konstruktiv in den Prozess einbringen.“ So sei unklar, ob die Regierung überhaupt noch an einer Funktionalreform, also neuen Zuständigkeiten und einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Land, Kreisen und Kommunen arbeite.

Wie umgehen mit den hohen Schulden ser kreisfreien Städte?

In Kürze soll es auf Einladung Woidkes – noch vor der Landtagssitzung am 15. November und seiner angekündigten Regierungserklärung – ein Treffen mit den Chefs der kommunalen Spitzenverbände geben. Ein Termin stand am Mittwoch noch nicht fest. Viel Zeit lassen kann man sich aber nicht. Vor allem wegen der akuten Finanznöte der hochverschuldeten kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder), die permanent mit Kassenkrediten, einer Art Kommunaldispo, in extremer Höhe wirtschaften: in Frankfurt (Oder) 125 Millionen Euro, in Brandenburg/Havel 150 Millionen Euro und in Cottbus sogar 252 Millionen Euro.

Ursache sind die in Brandenburgs „Großstädten“ besonders hohen Soziallasten, die kostenintensive Infrastruktur etwa für Kultur und Soziales, was jedoch unstrittig ist. Strittig ist, ob die Verwaltung der Städte aufgebläht ist und die Förderung durch das Land zu gering.

„Niemand kann erwarten, dass wir Gesetzesentwürfe vorlegen, die Regierungsarbeit machen“

Man müsse das Problem grundsätzlich und strukturell lösen, auch über das Finanzausgleichsgesetz, sagte Jakobs. Man sei auch zu engeren Verwaltungskooperationen zwischen kreisfreien Städten und Kreisen bereit. In den Anhörungen im Innenausschuss hatte der Landkreistag – unterstützt vom Städtebund – konkret vorgeschlagen, statt der Zwangsfusionen und Zwangseinkreisungen der drei Städte auf Pflichtkooperationen mit Umlandkreisen zu setzen, etwa auf gemeinsame Ämter, die der Gesetzgeber ähnlich wie bei den kreisübergreifenden Leitstellen im Rettungsdienst vorgeben könnte. Das nahm Blasig auch nicht zurück, aber er betonte: „Niemand kann erwarten, dass wir Gesetzesentwürfe vorlegen, die Regierungsarbeit machen“, so der Landkreis-Präsident. Ähnliches sagte Jakobs.

Über ein schärferes Gesetz zur Kommunalen Gemeinschaftsarbeit könnten die drei kreisfreien Städte etwa zu gemeinsamen Ämtern mit den Umlandkreisen verpflichtet werden – im Gegenzug für eine Teilentschuldung durch das Land. An der wollen Woidke und Finanzminister Christian Görke (Linke) zwar festhalten. Eine Überweisung der Landes-Millionen ohne Auflagen, ohne Absicherungen gegen eine erneute Schuldenspirale, lehnt das Land bisher ab. Die Zeit aber wird knapp. Wenn im Januar der Entwurf für den Doppelhaushalt 2018/2019 vorgelegt wird, müsste Klarheit herrschen.

Nach dem Aus der Kreisreform in Brandenburg: Droht neues Zerwürfnis zwischen Kommunen und Landkreisen?

Absehbar ist, dass im Detail viel Zündstoff liegt und in diesem Verteilkampf neue Auseinandersetzungen zwischen Land- und Kommunalebene, aber auch zwischen Kreisen und kreisfreien Städten programmiert sind. Hinzu kommt, dass eine solche Gesetzesnovelle höchste Präzision erfordert, zu der das von Minister Karl-Heinz Schröter (SPD) geführte Innenministerium jedenfalls bei Kreisreformgesetzen nicht in der Lage war. Die Kommunalabteilung ist personell ausgezehrt, Fachleute sind frustriert in andere Ministerien gewechselt. Gleichwohl zeigte sich Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers sicher, dass das Innenministerium diesmal handwerklich gute Arbeit abliefert.

Nach den Verlautbarungen der kommunalen Spitzenverbände bekräftigte Regierungssprecher Florian Engels am Mittwoch die ausgestreckte Hand der Landesregierung, mit der Kommunalebene einen Weg zu finden. „Wir nehmen die Äußerungen mit Interesse zur Kenntnis“, sagte Engels. „Jetzt geht es darum, das Gespräch konstruktiv aufzunehmen.“ Am Donnerstag tagt der Innenausschuss des Landtages erstmals nach dem Reformstopp. Dann wird der zuständige Kommunalminister Karl-Heinz Schröter (SPD) erklären müssen, wie es weitergehen soll, nachdem er mit seinem Vorgehen vor der Reformabsage die Kommunen auf die Barrikaden getrieben hatte.

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