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Amadeu Antonio Schimansky neben der Gedenktafel für seinen Vater Amadeu Antonio. Der gebürtige Angolaner Amadeu Antonio gilt als eines der ersten Todesopfer rassistisch motivierter Gewalt im Deutschland der Nachwendezeit.

© dpa

Nach Gewaltexzess in Eberswalde: Vor 25 Jahren starb Amadeu Antonio

Der Angolaner wurde nur 28 Jahre alt. Er war als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen - und wurde kurz nach der Wiedervereinigung von Rechten totgeprügelt.

Eberswalde - Die Tat geschieht wenige Wochen nach der deutschen Wiedervereinigung: Im brandenburgischen Eberswalde verprügeln bewaffnete Rechte mehrere Afrikaner mit Baseballschlägern und Latten.

Ein Angolaner wird bei dem Exzess so schwer verletzt, dass er nach Tagen im Koma stirbt. Der 28-jährige Amadeu Antonio ist eines der ersten Opfer rassistischer Gewalt nach der Wende. Das Verbrechen in der Nacht zum 25. November 1990 jährt sich zum 25. Mal - in einer Zeit, in der Angriffe gegen Asylbewerber und Anschläge auf Flüchtlingsheime bundesweit Schlagzeilen machen.

Erst Anfang November sprach Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) von einem „besorgniserregenden Anstieg“ von Gewalt gegen Flüchtlingseinrichtungen und Asylbewerber. Gemeldet worden seien rund 640 Übergriffe - von „Sachbeschädigung bis Mordversuch“. Der Minister beklagte eine „klammheimliche Zustimmung“ eines Teils der Bevölkerung zu solchen Taten. Zwei Drittel der Verdächtigen seien zuvor nicht mit rechter Gewalt in Erscheinung getreten.

„Ostdeutschland ist leider, wenn wir uns Gewalt gegen Flüchtlinge, die seit zwei Jahren massiv zunimmt, anschauen, trauriger Spitzenreiter“, sagt der Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin, Robert Lüdecke. „Sachsen sticht besonders hervor.“ Das Bundesland, in dem vor gut einem Jahr die Pegida-Bewegung begann, habe sich allgemein dem Thema Rechtsextremismus jahrelang „nicht nachhaltig angenommen“.

782 Fälle rechts motivierter Gewalt im vergangenen Jahr

Für das vergangene Jahr melden die ostdeutschen Beratungsstellen 782 Fälle politisch rechts motivierter Gewalt und sprechen von einem besorgniserregenden Anstieg. Mindestens 1.156 Menschen seien verletzt und massiv bedroht worden. In 60 Prozent der bekannten Fälle spielten rassistische Tatmotive eine zentrale Rolle. Die meisten Angriffe (257) hätten sich in Sachsen ereignet, ein Plus von 15 Prozent.

Für 2013 habe das Bundesinnenministerium für alle 16 Bundesländer 801 rechts motivierte Gewalttaten registriert - die Opferberatungsstellen hätten alleine für 6 Länder 737 Fälle festgestellt. Immer wieder beklagen Initiativen eine Diskrepanz zwischen eigenen Zahlen und den offiziellen von Behörden. Die, die mit den Anschlägen befasst sind, etwa das Bundeskriminalamt, nennen als Gründe dafür Nachmeldungen von Fällen zu späteren Zeitpunkten oder verschiedene Quellen.

Also immer wieder der Osten? Man dürfe die jüngeren Bundesländer nicht pauschal verurteilen, warnt Lüdecke. Brandenburg etwa, wo Antonio totgeprügelt wurde, sei ein „Vorzeigebundesland“ - mit einer sensibilisierten Polizei und einer guten Zusammenarbeit staatlicher Stellen und der dortigen Opferberatung.

Der Experte betont: „Wir haben deutlich höhere Fallzahlen im Osten, was rechte Gewalt angeht, aber wir haben umgekehrt im Westen ein großes Dunkelfeld.“ Das sei schwierig zu vergleichen. Auch die ostdeutschen Opferberatungsstellen erklären, dass sie für die Westländer „keine unabhängigen Zahlen“ vorlegen könnten.

Neues Wir-Gefühl?

Lüdecke sieht heute einen großen Unterschied zu der Stimmung in den 1990er Jahren mit den teils tödlichen Angriffen von Rostock- Lichtenhagen oder Solingen. „Wenn ein wütender rechter Mob, und davon gab es einige Vorfälle, durch die Straßen gezogen ist und Ausländer gejagt hat, das hat wirklich niemanden gejuckt.“ Heute würden solche Taten von der Mehrheit verurteilt. Er habe ein neues „Wir-Gefühl“ ausgemacht, das sich auch in der Flüchtlingshilfe ausdrücke, sagt Lüdecke. Aber: „Leider muss man sagen, dass Pegida und Co. einen langen Atem haben.“ Auch trügen soziale Netzwerke dazu bei, dass sich fremdenfeindliche Ansichten verbreiteten. Außerdem gebe es nach wie vor Regionen im Osten, in denen eine mögliche Angst von Asylbewerbern berechtigt sei.

Eberswalde kann Lüdecke zufolge eine positive Bilanz ziehen. Das Klima in der rund 41 000 Einwohner zählenden Stadt nordöstlich von Berlin sei so, dass Menschen mit Migrationshintergrund keine Angst mehr haben müssten. Der Ort hat ein Bürgerbildungszentrum nach Antonio benannt, außerdem gibt es eine Gedenktafel an einer verkehrsumtosten Straße. Alljährlich kommen Menschen im Spätherbst zusammen, um an die tödliche Attacke zu erinnern. Antonio starb am Nikolaustag vor 25 Jahren.

Leticia Witte, kna

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