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Kenia-Koalitionäre? Steeven Bretz (l.), Generalsekretär der CDU Brandenburg, Grünen-Landeschefin Petra Budke und SPD-Generalsekretär Erik Stohn.

© Monika Skolimowska/dpa

Nach der Landtagswahl: CDU-Machtkampf belastet Regierungsfindung

Die Sondierungen für eine Koalition beginnen. Der Machtkampf in der CDU wird dabei zur Belastung. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke wegen Trauerfalls bei ersten offiziellen Treffen nicht dabei

Potsdam - Es wird eine komplizierte Operation: In Brandenburg beginnt die von Ministerpräsident Dietmar Woidke geführte SPD nach ihrem Wahlsieg bei der Landtagswahl jetzt mit den Sondierungen für eine neue Regierungskoalition. Allerdings wird Woidke wegen eines Trauerfalls in der Familie zum Auftakt nicht dabei sein. Sein Vater ist am Mittwochmorgen verstorben, bestätigte Regierungssprecher Florian Engels. Der Ministerpräsident werde diese Woche keine dienstlichen Termine mehr wahrnehmen.

Am Donnerstag will die SPD mit CDU und Linken sprechen

Die ersten Sondierungsrunden, bei denen es noch nicht um harte Themen geht, leitet deshalb auf SPD-Seite Vize-Parteichefin Kathrin Lange. Am heutigen Donnerstag wird in Potsdam zuerst mit der Union sondiert und dann am Nachmittag mit den Linken, die seit zehn Jahren Juniorpartner in einer rot-roten Koalition waren. Nach dem Wahlergebnis hätte eine Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen eine Fünf-Stimmen-Mehrheit im Landtag. Bei Rot-Rot-Grün wäre es nur eine Stimme. Vor diesem Hintergrund wird der aktuelle Machtkampf in der Union mit dem anhaltenden Versuch, Ingo Senftleben als Fraktions- und Parteichef, als Chefsondierer und möglichen Minister zu stürzen, zur Belastung für die Regierungsbildung im Land. Bei Sozialdemokraten und Grünen wird diese Entwicklung mit Sorge betrachtet.

„Dieses Land braucht eine stabile Regierung. Dafür ist es wichtig, dass wir stabile Partner haben“, sagte Vize-SPD-Parteichefin Katrin Lange am Mittwoch den PNN. Und die frühere SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz, die gemeinsam mit Vize-Kanzler Olaf Scholz für den SPD-Bundesvorsitz kandidiert, kommentierte die CDU-Querelen so: „Die SPD ist stabil wie immer. Die CDU zerlegt sich und lässt Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit aufkommen“, warnte Geywitz. „Mit einer sauber gespaltenen Fraktion kann man nicht regieren.“

Bei der CDU proben sechs Abgeordnete den Aufstand gegen Senftleben

Es sind sechs Abgeordnete, die den Aufstand proben. Sie könnten auch die Wahl eines Ministerpräsidenten scheitern lassen. Wie berichtet, will der Abgeordnete Frank Bommert, letzte Legislatur ein Hinterbänkler im Landtag, bei den Vorstandswahlen der neuen Landtagsfraktion gegen Senftleben antreten. Die sollen nun am Dienstag stattfinden. „Ich stehe bereit“, bekräftigte Bommert am Mittwoch. Er machte keinen Hehl daraus, dass er im Grunde nur kandidiert, um den Rückzug Senftlebens durchzusetzen. Es sei schließlich unabdingbar, dass der die Verantwortung für das Wahlfiasko der Union übernehme. Bommert verwies darauf, dass Senftleben etwa vor der Wahl erklärte, nicht mit Woidke zu regieren. Wenn er jetzt das Gegenteil tue, schade das der Glaubwürdigkeit von Politik und nütze der AfD. Bommert deutete an, dass er seine Kandidatur für den Vorsitz auch zurückziehen würde, wenn sich ein Kompromisskandidat finde. Denkbar wäre etwa der Verkehrspolitiker Rainer Genilke, der bei beiden Seiten ein gutes Standing hat. „Es darf niemand aus der Riege sein, die uns das eingebrockt hat“, so Bommert. Und zwar auch nicht der parlamentarische Geschäftsführer Jan Redmann, der sich gerade ins Spiel bringe. Der lässt das offen. Es gebe derzeit zahlreiche Gespräche, „diesen greife ich nicht vor“, sagte Redmann der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob er selbst für den Vorsitz kandidieren wolle. „Ziel ist es, gestärkt die Sondierungen führen zu können.“

Weitere Senftleben-Gegner neben Bommert sind die gescheiterten Landesvorsitzenden Saskia Ludwig, Kreischefin in Potsdam-Mittelmark und Vertreterin der Werteunion, oder auch Michael Schierack. Dieser hatte zu verantworten, dass 2014 keine von Woidke damals favorisierte rot-schwarze Regierung zustande kam, weil er aus privaten Gründen kein Ministeramt übernehmen wollte. Unterstützer des Anti-Senftleben-Kurses sind auch der Innenpolitiker Björn Lakenmacher sowie die beiden neuen Abgeordneten Julian Brüning, der Chef der Jungen Union, und André Schaller. Beide hatten es beim ersten Aufstand der Anti-Senftleben–Allianz mit Hilfe der Kreisverbände von Bommert und Ludwig auf dem Listenparteitag auf sichere Listenplätze geschafft.

Grüne beschließen Sondierungsgespräche mit SPD, CDU und Linken

Wie der Machtkampf ausgeht, blieb am Mittwoch offen. Die Grünen, die die CDU am Dienstag zu ersten informellen Vorgesprächen eingeladen hatten, hielten sich nach dem Treffen in Potsdam entsprechend bedeckt und wollten keine Einschätzung dazu abgegeben, ob sich Senftleben halten können wird. Man habe „in konstruktiver und respektvoller Atmosphäre auf Augenhöhe miteinander geredet“, erklärten die Grünen-Spitzenkandidaten Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke anschließend. Mit dieser Haltung gehe man in die weiteren Gespräche. „Wir sind uns einig darüber, dass etwas Neues entstehen muss in der Art, wie zukünftig in Brandenburg Politik gemacht wird“, hieß es in der Erklärung der Grünen. Am Abend entschied der Parteirat der Grünen einstimmig, Sondierungsgespräche mit SPD, CDU und Linken aufzunehmen. An den Gesprächen wird neben den Spitzenkandidaten, den Landesvorsitzenden Petra Budke und Clemens Rostock sowie Fraktionschef Axel Vogel auch die in Potsdam lebende Bundesvorsitzende Annalena Baerbock teilnehmen.

Vor der Wahl, als die Grünen mit Umfragewerten von 17 Prozent selbst hoffen konnten, den Auftrag zur Regierungsbildung zu bekommen, hatten diese positive Signale in Richtung Senftleben gesandt. Raschke lobte dessen ökologischen Kurs. In der Verkehrspolitik habe sich die CDU sehr auf die Grünen zu bewegt, wohingegen es mit der SPD bei Energiepolitik und Landwirtschaft schwierig werden dürfte. Man müsse aber abwarten, ob sich der konservative Flügel um Ludwig und Bommert oder der um Senftleben in der CDU durchsetze. „Dieses Risiko haben wir auf dem Schirm“, hatte Spitzenkandidatin Nonnemacher kurz vor der Wahl erklärt.

Linke stimmt für Sondierungsgespräche

Der Landesvorstand der Linken, die mit 10,7 Prozent hinter den Grünen auf Platz vier lagen, hat am Dienstagabend der Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen zugestimmt. „Wir werden sehr ernsthaft sondieren, welche Möglichkeiten für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis bestehen“, teilten die Landesvorsitzenden Diana Golze und Anja Mayer mit. Innerhalb der Linken gibt es aber auch kritische Stimmen, die die neue Rolle der Partei klar in der Opposition sehen. Am Donnerstagnachmittag ist ein erstes Gespräch mit der SPD geplant.

Die beiden Spitzenkandidaten Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter wurden am Mittwoch einstimmig zu Vorsitzenden der Landtagsfraktion gewählt. Der bisherige Fraktionschef Ralf Christoffers hatte den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. Thomas Domres bleibt parlamentarischer Geschäftsführer.

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