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Nach den Anti-Kohle-Protesten in der Lausitz: Ökoterrorismus?

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter kündigt Konsequenzen nach den Anti-Kohle-Protesten in der Lausitz an. In Potsdam gab es einen gescheiterten Anschlag auf die Polizei, bei dem nun ein Zusammenhang zum Kohle-Protest geprüft wird.

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl Heinz Schröter (SPD) will den Polizeieinsatz bei den außer Kontrolle geratenen Anti-Kohle-Protesten vom Pfingstwochenende in der Lausitz gründlich auswerten. Das sagte Schröter am Donnerstag den PNN, nachdem zuvor Vattenfall-Vorstand Hartmuth Zeiß Kritik an den Sicherheitsbehörden geübt hatte – öffentlich, aber auch in einem Schreiben an die Landesregierung. Zeiß sagte am Donnerstag dieser Zeitung: „Bis vor Kurzem habe ich über das Wort Ökoterrorismus gelacht. Das Lachen ist mir nach diesem Wochenende vergangen.“ Da die Kohle-Gegner weiteren Widerstand und neue Aktionen angekündigt hätten, müsse nun Vorsorge getragen werden. Gemeinsam mit Polizei und Staatsanwaltschaft müssten Lösungen gefunden, um Straftaten in diesem Ausmaß zu verhindern.

Schröter erklärte: „Das wird sehr genau ausgewertet, um Schlussfolgerungen für künftige Einsätze zu ziehen.“ Er werde mit Vattenfall, Einsatzleitung, aber auch der Gewerkschaft der Polizei sprechen, um sich ein Bild zu machen. Die Polizei sei ein „lernendes System“, „Manöverkritik“ sei zwingend, sagte Schröter. Er stellte klar, dass militante kriminelle Anti-Kohle-Proteste nicht zu tolerieren sind. „Es sind Straftaten. Da macht es keinen Unterschied, ob sie jemand begeht, um die Welt zu retten durch das Abschalten eines Kraftwerks, oder um sich persönlich zu bereichern“, sagte der Innenminister. „Bei den Anti-Kohle-Protesten am Wochenende sind rote Linien überschritten worden. Da muss der Staat mit aller Härte und Konsequenz reagieren.“

Vattenfall und Sicherheitsbehörden hätten nicht mit Umfang der Protestaktionen gerechnet

Schröter verwies auf die zwischen Polizei, Vattenfall und Veranstaltern abgestimmte Deeskalationsstrategie und auf die schnelle Reaktion der Polizei nach der versuchten Besetzung des Kraftwerkes am Samstag. Nach Einschätzung von Vattenfall hätte danach hart durchgegriffen werden müssen. Zeiß bestätigte den PNN, dass er mit Schröter ein Treffen verabredet habe, um die Ereignisse des Wochenende auszuwerten. Vattenfall, aber auch die Sicherheitsbehörden hätten trotz der vereinbarten Deeskalationsstrategie nicht mit diesem Umfang der Protestaktionen – von der Besetzung des Tagebaus bis zur Blockade der Schienen der Kohlebahn und schon gar nicht der Erstürmung des Kraftwerks Schwarze Pumpe – gerechnet.

Brandenburgs früherer Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte: Dass ein Kraftwerk gestürmt worden sei, dass es Schienenkrallenanschläge gegeben habe, sei eine „Schweinerei“. Er äußerte Verständnis für die Kritik von Vattenfall, dass die Sicherheitsbehörden nicht hart genug durchgegriffen hätten. „Die Kritik ist nachvollziehbar. So etwas darf nicht passieren, so etwas darf nicht zugelassen werden.“

Sorge, dass sich Aktivisten radikalisieren

Bei den Sicherheitsbehörden wächst nun die Sorge, dass sich Öko-Aktivisten zunehmend radikalisieren. So versuchten am frühen Donnerstagmorgen ein junger Mann und eine junge Frau offenbar, mit einem Molotow-Cocktail einen Brandanschlag auf einen Polizeiwagen vor der Inspektion Potsdam zu verüben. Der Brandsatz verfehlte den Wagen. Zudem stehen sie im Verdacht, die Wand des benachbarten Innenministeriums besprüht zu haben – mit dem Spruch: „Lautonomi A.C.A.B“, also „All Cops are Bastards“. Nun wird geprüft, ob es einen Zusammenhang mit der Räumung des besetzten Waldstückes „Lautonomia“ am sächsischen Braunkohletagebau Nochten in der Lausitz am Mittwoch geben könnte. Der Staatsschutz ermittelt. Aktivisten von „Lautonomia“, die damit die Weiterführung des Tagebaus verhindern wollen, waren auch an den Protesten vom Wochenende beteiligt. In Berlin gab es wegen der Räumung durch die sächsische Polizei Solidaritätskundgebungen aus dem öko-autonomen Lager.

Auch der Braunkohletag des Lobbyvereins Bundesverband Braunkohle am gestrigen Donnerstag im Potsdamer Nikolaisaal stand wegen der jüngsten Ereignisse unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen, etwa mit Personenkontrollen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: „Bei uns ist Ende Gelände, wo Diskussionen durch Gewalt ersetzt werden sollen.“ Die schlimmsten Erwartungen seien bei dem Protest-Wochenende übertroffen worden. Mit Blick auf Brandenburgs Grüne sagte Woidke, er verurteile es, „wenn man sich danach nicht deutlich von Gewalt distanziert“. Die Proteste hätten den Kohle-Kritikern in der Lausitz einen Bärendienst erwiesen.

In der Debatte um die Energiewende forderte Woidke mehr Sachlichkeit. Aus seiner DDR-Erfahrung wisse er: „Immer wenn Ideologie die Ökonomie beeinflusst, geht das schlecht aus für die gesamte Gesellschaft.“ Die Energiewende werde nur mit der Braunkohle gelingen. Auch durch die Bundesregierung dürfe es keine „weiteren ideologiebedingten Belastungen“ der Braunkohle für den Klimaschutz geben, nötig sei für den Industriestandort Planungssicherheit. Erst wenn erneuerbare Energien eine sichere und bezahlbare Stromversorgung gewährleisteten, ende die Braunkohlebrücke.

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