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Brandenburg: Mörke tauscht Polizeiführung in Uckermark aus

Brandenburgs Polizeipräsident geht gegen rechte Umtriebe vor – für ihn sind es jedoch Einzelfälle

Potsdam - Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke nennt es ein starkes Signal nach innen: Die Führung der Polizeiinspektion Uckermark wird wegen des Umgangs mit rechtsextremen Verstrickungen von Beamten ausgetauscht. Immerhin ist dieser Bereich zuständig für die Privathäuser von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Brandenburgs Ex-Regierungschef Matthias Platzeck (SPD). Eine Beamtin soll aus dem Dienst entfernt werden. Und es laufen Ermittlungen wegen Strafvereitlung im Amt und Volksverhetzung gegen einen weiteren Polizisten. In allen Fällen gibt es zudem Disziplinarverfahren. Am Donnerstag legte Mörke einen Untersuchungsbericht vor. Olaf Fischer, Chef der Polizeidirektion Ost, untersuchte mit einer 14-köpfigen Ermittlergruppe sechs Wochen lang die Vorwüfe, befragte 89 Beamte. Nun liegt das Ergebnis vor – ein Überblick:

Eine Beamtin mit Neonazi-Familie

Eine 37 Jahre alte Beamtin ist trotz bekannter familiärer Verstrickungen in die Neonazi-Szene 2011 in den Führungsstab der Inspektion geholt worden. Dabei war es dort ein „Allgemeingut“, wie Mörke sagte, dass ihr Ehemann und ihr Bruder führende Neonazis in Vorpommern waren. Sie lebte dort in Löcknitz, einer Neonazi-Hochburg, laut Mörke für einen Demokraten sicher kein Ort zum Leben. Vor ihrer Beförderung in den Führungsdienst distanzierte sich die Frau gegenüber dem Vize-Chef der Inspektion von den braunen Umtrieben in ihrer Familie. „Nachgeprüft hat dies aber keiner. Das war naiv. Da fehlte die nötige Sensibilität“, sagte Mörke. Auch 2014 beließ es der Vize- Chef bei einer Ermahnung. Ein bekannter Neonazi-Musiker hatte sich in eine von ihr und anderen Neonazis mitfinanzierte Immobilie in Brüssow (Uckermark) einquartiert, bekannt wurde das durch einen aufmerksamen Revierpolizisten. Auf Druck ihres Vorgesetzten zog sich die Frau aus dem Geschäft zurück. Dabei beließ es der Inspektions-Vize. Im Frühjahr 2015 wurde die Beamtin angezeigt – wegen Bedrohung. Sie wollte verhindern, dass ein Foto ihrer Hochzeitsfeier im Jahr 2007 bekannt wird. Darauf zu sehen sind acht Männer, auch ihr Gatte mit Hakenkreuzbinde, beim Hitlergruß. Geschehen ist nichts. Infolge der internen Untersuchungen ist die Frau seit einer Woche vom Dienst suspendiert. Sie soll aus dem Dienst entfernt werden. Bisher hat sie sich nicht von den rechten Verbindungen ihren Mannes distanziert, sie haben Kinder und sind verschuldet. Für Mörke bestehen ernsthafte Zweifel an der Treue und Loyalität zu ihrem Dienstherrn. Im Zweifel sei dies ein Fall für die Verwaltungsgerichte.

Die autoritären Vorgesetzten

Auch gegen den Vize-Chef der Inspektion läuft ein Disziplinarverfahren, weil er die Beamtin trotz der brisanten Hinweise förderte. Diese habe zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Polzei beigetragen, erklärte Mörke. Zudem wurden ihm sein berüchtigter autoritärer Führungsstil und seine Machtspiele zum Verhängnis. Die Beamtin galt als überaus engagiert, der Vize-Chef nutzte offenbar auch ihre offene Flanke in der Familie aus. Unter ihm sprachen sich die Beamten als Kameraden an, was in der Brandenburger Polizei ungewöhnlich und vor dem rechten Hintergrund nicht angebracht sei. „So etwas möchte ich nicht hören“, sagte Mörke. Der Vize-Chef hatte schon 2013 Ärger wegen eines SMS-Signaltons im „Hiltersprech“, wie Fischer sagte: „Achtung, Nachricht von der Ostfront.“ Der Vize-Chef bezeichnete den damals gegenüber Fischer als Satire – daran gibt es aber weiter Zweifel. Besonders pikant: Mehrere Beamte hatten den Ton über mehrere Jahre im Dienst bei ihrem Vize-Chef gehört – dagegen getan hat niemand etwas. Auch der Chef der Polizeiinspektion geht – aber in Pension, freiwillig, im Dezember. Den Antrag auf Verlängerung der Dienstzeit zog er zurück. Bis dahin ist er von seinen Aufgaben entbunden und wurde versetzt. Er will von den rechten Umtrieben nichts gewusst haben. Mörke sagte: „Das glaube ich ihm nicht.“ Er spricht von Führungsversagen in der Inspektion Uckermark. Allerdings schritt über Jahre auch kein untergebener Beamter ein und informierte höhere Stellen.

Den Hitlergruß nicht angezeigt

Gegen einen Beamten in Schwedt wird zudem wegen Strafvereitlung und Verdacht auf Volksverhetzung ermittelt. Er hat bei einem Einsatz im Oktober 2014 keine Anzeige gegen Jugendliche wegen des Hitlergrußes erstattet und keine Personalien aufgenommen, nur Platzverweise erteilt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt deshalb. Laut Mörke gibt es keinen Anhaltspunkt für ein rechtsgerichtetes Motiv bei diesem Beamten, er habe nicht systematisch braunes Gedankengut auf der Schwedter Wache verbreitet. Allerdings ist nun ein Verweis gegen den Mann rechtskräftig geworden. Der Beamte, damals beim Landeskriminalamt, war 2005 und 2006 bei Neonazi-Aufmärschen in Halbe dabei und wurde in die Uckermark strafversetzt, seitdem war es ruhig um ihn, er fiel nicht mit rechten Sprüchen auf. Der Beamte ging aber gegen die Versetzung bis zum Bundesgerichtshof (BGH) vor, doch der bestätigte das Vorgehen der Polizeiführung. „Gestern kam die Entscheidung“, sagte Mörke.

Einzelfälle oder Korpsgeist?

Ansonsten seien keine rechten Umtriebe bei der Polizei in der Uckermark festgestellt worden, es handele sich um Einzelfälle, sagte Mörke. Rechtsextremes Gedankengut habe in der Brandenburger Polizei keinen Platz.  Die Grünen-Innenexpertrin Ursula Nonnemacher sieht das anders: „Das Erschreckende ist, dass viele der heute vorgestellten Erkenntnisse polizeiintern schon seit Jahren bekannt sind.“ Nötig sei eine Ombudsstelle beim Landtag. Es gelte auszuschließen, dass solche Vorfälle aus „Angst vor dienstlichen Konsequenzen und falsch verstandenem Korpsgeist unter der Decke gehalten werden können“.Alexander Fröhlich

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