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Markovs Sparpläne: Blankes Entsetzen in der Justiz

In Brandenburgs Justiz formiert sich massiver Widerstand gegen den von Finanzminister Helmuth Markov (Linke) geplanten Personalabbau.

Potsdam - Mehrere Justizverbände reagierten am Dienstag mit „blankem Entsetzen“ auf den Vorstoß des Finanzministeriums, das die Zahl der Stellen in der Justiz bis zum Jahr 2018 von bislang 5215 auf 4300 Stellen senken will. „Die Justiz wird ihre gesetzlichen Aufgaben mit der vorgesehenen Streichung von 15 Prozent aller Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht mehr erfüllen können“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Landesverbände von Deutschem Richterbund, der Vereinigung der Verwaltungsrichter, des Bundes der Rechtspfleger des Amtsanwaltsvereins und der Deutsche Sozialgerichtstag warnten in einem dramatischen Appell, „weitere Kürzungen der Stellenzahl kann die Justiz nicht mehr verkraften“. Brandenburg werde künftig vor „kaum noch lösbaren Problemen stehen“.

Wie berichtet, will Markov laut seinem Entwurf zur „Personalbedarfsplanung bis 2018“ von den aktuell knapp 48 000 Stellen im Landesdienst in den nächsten sechs Jahren 6200 Stellen streichen. Besonders tief sind die Einschnitte bei der Justiz. Von den bislang insgesamt 5215 Stellen sollen im Jahr 2018 noch 4300 Stellen übrig bleiben. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit soll die Zahl der Stellen von 2484 auf 2141 sinken. Statt der aktuell noch 700 Staatsanwälte sollen es dann nur 591 geben. Insgesamt sollen Gerichte und Staatsanwaltschaften 556 Stellen und damit jeden siebten Arbeitsplatz einsparen.

Der Landesvorsitzende des Richterbundes, Matthias Deller, sagte, bei den Sparplänen würde bewusst der für eine funktionsfähige Justiz erforderliche tatsächlichen Personalbedarf nicht berücksichtigt. Zudem ignoriere die Landesregierung, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften der einzige Arbeitsbereich des Landes seien, bei denen der Personalbedarf exakt nach einem deutschlandweit verbindlichen Berechnungssystem errechnen kann.

Tatsächlich wird dem Personalbedarfsberechnungssystem (Pepsi) einheitlich der Bedarf an Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern nach der Zahl eingehender Fälle ermittelt. Dies könne nicht an Einsparkonzepten gemessen werden, sagte Christian Mecke, Richter am Bundessozialgericht und Sprecher des Deutschen Sozialgerichtstages. „Wer die Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften nach Kassenlage vornimmt, verstößt gegen Verfassungs- und Europarecht“, sagte er.

Sogar das Landesverfassungsgericht hat bereits 2009 in einem Urteil festgestellt, dass die Berechnung des Personalbedarfs „den Anspruch des Bürgers auf ein zügiges Gerichtsverfahren zu beachten“ habe. Deller sieht diesen „verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruch“ durch Markovs Pläne in Gefahr. Zudem erinnerte an entsprechende Vorgaben in der Landesverfassung, deren Verabschiedung und Inkrafttreten derzeit gefeiert werden. Demnach hat jeder Anspruch auf ein zügiges Verfahren.

Deller warnte, sollte sich Markov durchsetzen, würden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren noch länger dauern als ohnehin schon. Statt Einsparungen drohten dem Land dann Strafzahlungen für unangemessen lange Verfahren. Selbst Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) will das aber vermeiden, bislang aber hält er sich öffentlich mit Kritik an seinem Parteigenossen zurück. Der Streit um die Stellenausstattung wird vorerst noch auf Arbeitsebene zwischen den Ministerien ausgetragen. Aber nach internen Einschätzungen des Justizressorts sind die Sparpläne überhaupt nicht einzuhalten. Denn die Behörden arbeiten bereits am Limit. „Leider erlaubt sich das Land Brandenburg schon heute in manchen Arbeitsbereichen der Justiz eine schlechte Personalausstattung“, kritisieren die Verbände. Nach PNN-Recherchen sind die Staatsanwaltschaften bis zu 15 Prozent unterbesetzt.

Die Verbände gehen auch davon aus, dass der erwartete Bevölkerungsrückgang im Land die Justiz nicht entlasten werde. Denn es gibt durch die Alterung einen rasanten Anstieg bei Verfahren zur Betreuung und zum Nachlass. Bei den Sozialgerichten gab es seit 2006 Zuwächse von bis 40 Prozent bei Verfahren zur Kranken- und Pflegeversicherungen und beim Schwerbehindertenrecht. Zudem befürchten Gerichte und Staatsanwaltschaft eine Zunahme durch den Hauptstadtflughafen BER – wegen Schadenersatzklagen, Lärmschutz und Asylverfahren. Auch durch die Energiewende seien mehr Verfahren durch den Bau von Leitungen sowie Solar- und Windparks zu erwarten.

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