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Love Parade: Schon wieder Liebeskummer

13 000 Raver wollen in Berlin die Loveparade neu beleben – fast genau ein Jahr nach der Katastrophe. Gründer Dr. Motte findet das fatal

Berlin - Inzwischen bekommen selbst die Veranstalter Bammel. Mehr als 13 000 Menschen haben schon auf Facebook zugesagt, an diesem Sonnabend mitzufeiern. Ab dem frühen Nachmittag wollen sie sich in Berlins Mitte treffen, vermutlich im Tiergarten, und dann bis nachts durchtanzen. Und das unter einem Namen, der eigentlich nie wieder verwendet werden sollte: „Loveparade“.

Ein Jahr ist die Horrorparade jetzt her, bei der in Duisburg in einem Massengedränge 21 Menschen ums Leben kamen und 500 verletzt wurden. Im Ruhrgebiet sind am Wochenende eine Reihe von Trauerveranstaltungen geplant, am Unglücksort werden Tausende Blumen abgelegt, die Polizeiseelsorge baut einen Pavillon auf, dazu gibt es Kunstaktionen, Gedenkgottesdienste, Glockenläuten. In Berlin sollen die Raver die Straße übernehmen. Gute Idee oder geschmacklos?

Die Initiatoren der „Loveparade 2011“ haben nichts mit den Organisatoren früherer Paraden zu tun und sind offensichtlich selbst überrascht, dass das Interesse an einem Wiederbeleben des Techno-Umzugs so groß ist. Für den Verlauf der Party wollen sie keine Verantwortung übernehmen. Am gestrigen Dienstag haben sie eine Mitteilung auf ihre Seite gestellt, in der sie davon abraten, am Wochenende tatsächlich nach Berlin zu reisen. Gleichzeitig halten sie weiter an den Rahmenzeiten fest: Wer am Sonnabend „von 14.00 bis 00.00 Uhr in Berlin“ auftauche, „tut dies auf eigene Rechnung“, heißt es nun. Ein Grund für den zumindest offiziellen Rückzieher dürfte vor allem die Warnung des Loveparade-Mitgründers Dr. Motte sein. Der kann „keine ordentliche Planung, kein Sicherheitskonzept“ feststellen und hält das Risiko eines solchen Massenraves für unkalkulierbar: „Die Sicherheit von Leib und Seele muss immer an erster Stelle stehen.“ Die Initiatoren der Facebook-Party haben auf Dr. Mottes Warnung reagiert: Sie teilen die Bedenken des Techno-Produzenten, heißt es. Die Seite mit dem Partyaufruf ist trotzdem weiterhin online.

Bei der Polizei ist bisher keine Anmeldung für Sonnabend eingegangen. Der Aufruf auf Facebook sei ihnen aber bekannt, sagt eine Sprecherin dieser Zeitung. Man werde sehen, was am Sonnabend passiert. Auf jeden Fall sei man vorbereitet.

Völlig überraschend kommt der Versuch der Loveparade-Wiederbelebung nicht. Schon einen Monat nach der Katastrophe von Duisburg hatte unter anderem der Münchener DJ Tom Novy gefordert, die Technoparade nicht zu beerdigen, sondern im nächsten Jahr wieder durch ihre Heimatstadt Berlin rollen zu lassen – als „Parade zu Ehren der Toten und Verletzten“. Und im Internet fordern viele Techno-Aktivisten eine baldige Neuauflage spätestens 2012.

Im Bezirk Mitte nimmt man solche Vorschläge mit gemischten Gefühlen auf. Falls tatsächlich ein Veranstalter auf die Idee komme, im nächsten Jahr eine Techno-Parade durch den Tiergarten ziehen zu lassen, müsse das „verhandelt“ werden, sagt Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne). „Wir sehen uns da weder als Anreger noch als Verhinderer.“ Bei den Stadtwerbern von „Visit Berlin“ erkennt man überhaupt keine Notwendigkeit für eine „Renaissance der Loveparade“.

Bis zur ihrem Wegzug 2006 habe die Parade sicherlich eine wichtige Funktion gehabt, das Image Berlins als Musikstadt weltweit zu transportieren, aber „irgendwann hat so eine Veranstaltung ihre Halbwertszeit überschritten“. Zudem schade sie dem Selbstverständnis als nachhaltige Metropole. Ein als politisch deklarierter Massenauflauf, der hinterher seinen Müll nicht wegräume, sei wenig hilfreich, sagt „Visit-Berlin“- Sprecher Christian Tänzler.

Die 13 000 Loveparade-Gänger sind nicht die einzigen Technofans, die am Sonnabend feiern wollen. Auch der Berliner DJ Martin Bahn hat über Facebook für 14 Uhr auf die Straße des 17. Juni geladen, westlich der Siegessäule. Allerdings will er dort keine Massenparty feiern und schon gar nicht unter dem Namen „Loveparade“, sondern ein Sit-in in eigenen Autos, die Musik soll aus den Boxen der Pkws tönen.

Er war bei der Polizei, die erklärten, sie könnten sein Vorhaben nicht gutheißen, aber auch nicht verbieten. Schließlich verspricht Martin Bahn, dass alle Autos ganz ordentlich in den Parkbuchten stehen, streng nach StVO. Probleme könnte es mit der An- und Abreise geben – wenn die Konkurrenz-Raver wirklich zu Tausenden aufschlagen.

DIE ANFÄNGE

Im Juli 1989 zogen

150 Technofans unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ über den Kudamm –

die Geburtsstunde der Parade. Danach wuchs die Zahl der Raver

rasant, ab 1996 ging

es in den Tiergarten.

DIE MASSENPARTY

Ab den späten 90ern sprachen die Macher jeweils von mehr als  

einer Million Ravern, eine Zahl, die als unrealistisch gilt. Zu den auftretenden DJs zählten Größen wie Westbam und Paul van Dyk. 2007 zog die Loveparade

ins Ruhrgebiet um.

DIE KATASTROPHE 

Am 24. Juli 2010 kam es in Duisburg im Eingangsbereich eines Tunnels zu Massenpanik. 21 Menschen starben, 500 wurden verletzt.

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