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Linke-Landtagsfraktionschef im Interview: "Wir brauchen einen Plan B für die Kultur"

Brandenburg ist wieder im Teil-Lockdown. Für Kultur und Gaststätten ist das verhängnisvoll, sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken im Potsdamer Landtag, Sebastian Walter. Er fordert flexiblere Lösungen.

Herr Walter, Brandenburg geht wieder in einen Teil-Lockdown. Ist das grundsätzlich eine richtige Entscheidung?

Ich glaube, dass es grundsätzlich richtig ist, jetzt Maßnahmen zu treffen, um das Virus einzudämmen. Ich hätte mich gefreut, wenn wir bundesweit über flexiblere Lösungen nachgedacht hätten: Dafür hatten wir schließlich sechs Monate Zeit. Es ist für mich schwer zu erklären, dass man in vollen Bussen und Bahnen unterwegs ist, und dann Restaurants, Galerien und Museen dichtmacht. Die haben doch in den vergangenen Monaten ordentliche Hygienekonzepte hinbekommen. Wir brauchen meiner Meinung nach einen „Plan B“, wie wir das kulturelle Leben in den Zeiten der Pandemie ermöglichen können. Denn sie wird Ende November nicht vorbei sein.

Braucht Brandenburg eine Digitalisierung der Kultur?

Unter anderem auch das. Es geht aber auch darum, dass man überlegen muss, wieso man nicht in Theater oder Zoo gehen, aber sich dann in Einkaufszentren treffen kann. Und wir dürfen Gast- und Kulturstätten nicht im Stich lassen. Ich habe nach den Erfahrungen des Frühjahres kein Vertrauen in die Soforthilfen. Wir müssen sehr darauf achten, dass diese Hilfen schnell und unkompliziert ausgezahlt werden.

Gastronomen erhalten laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes aus dem November 2019, also eines Monats ohne Corona-Regeln, als Erstattung. Fahren diese Betriebe damit dann nicht sogar besser, als wenn sie jetzt öffnen würden?

Ich beobachte, dass Restaurants schon das ganze Jahr über eine schwere Zeit haben. Ihnen geht es schlecht. Viele wissen nicht, wie sie über das Jahresende kommen. Ich halte die von der Bundesregierung gefundene Entschädigungsregel, also die Orientierung am Umsatz, für richtig, unterstütze aber auch die Verbände, die sagen, eigentlich brauchen wir sofort 100 Prozent, weil bislang noch nicht viel angekommen ist. Und bei allem darf man die Beschäftigten nicht aus den Augen verlieren, wir brauchen endlich eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent.

Was muss denn ganz konkret besser laufen, als im Frühjahr?

Selbständige und Kleinunternehmen sollten ihre Entschädigung nach den Umsätzen und nicht nach den Betriebskosten erhalten, so dass auch die Lebenshaltungskosten davon bezahlt werden können. Außerdem müssen wir von der Beantragung über Steuerberater und Rechtsanwälte wegkommen. Generell muss das alles unkomplizierter werden, so dass es hinterher keine massiven Rückforderungen mehr gibt – außer man hat es mit krimineller Energie zu tun. Und ich bleibe dabei, wir brauchen vom Land ein Unternehmergrundeinkommen über 1180 Euro, wie es Bayern und Thüringen längst haben.

Am Freitag gab es dazu eine Parlamentssitzung. Was hat das gebracht?

Ich bin froh, dass es eine Debatte zum neuen Lockdown im Parlament gab. Das Problem war aber, dass das Parlament nichts zu entscheiden hatte. Ich fände es deswegen langfristig besser, wenn es eine ernsthafte parlamentarische Begleitung und Behandlung der Corona-Verordnungen gäbe, bis hin zu einem Parlamentsvorbehalt.

Sie planen ein Gesetz zur Parlamentsbeteiligung, über das der Hauptausschuss am Mittwoch abschließend berät. Was wollen Sie anders machen?

Grundsätzlich geht es darum, dass der Landtag rechtzeitig anzuhören ist. Die Landesregierung hat die Verordnungen in der Vergangenheit dem Landtag oft nur am selben Tag oder gar nicht zugesandt. Das widerspricht der Parlamentsbeteiligung aus der Verfassung. Wir wollen deswegen eine Anhörung des Parlaments mittels des Hauptausschusses ermöglichen. Ich bin erfreut, dass die Grünen und die SPD ebenfalls in diese Richtung denken. Wir haben im Mai dazu einen Gesetzesentwurf vorgelegt – am Mittwoch können sie dem Entwurf nun zustimmen. 

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Halten Sie es für sinnvoll, dass die Fachausschüsse erst nach einer Kabinettssitzung über die jeweils neue Verordnung beraten?

Natürlich nicht. Wenn man die Parlamentsbeteiligung ernst nähme, würde man so etwas vor dem Beschluss machen. Ich hätte zum Beispiel die Sondersitzung des Landtags auch gern vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin gehabt. Denn diese Runde hat überhaupt keine gesetzliche Legitimation, irgendetwas zu entscheiden – im Gegensatz zu den Landesparlamenten. Ich fände es gut, wenn der Landtag Herrn Woidke klare Verhandlungsaufträge in solche Runden mitgeben würde. Aber die Beteiligung des Parlaments muss grundsätzlich vor dem Beschluss einer Verordnung stattfinden. Und ich fände es gut, wenn es in Brandenburg – ähnlich wie in Thüringen – einen wissenschaftlichen Beirat gäbe, der überprüft, welche Dinge in der Verordnung in der konkreten Situation richtig oder falsch sind.

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