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Die Entscheidung ist gefallen. Am künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) in Schönefeld darf auch in den sogenannten Randzeiten geflogen werden. Am Donnerstag wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klagen der Nachtfluggegner ab.

© dpa

Brandenburg: Linke hadert mit dem Urteil

Während die SPD die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts begrüßt, fordert ihr Koalitionspartner ein generelles Nachtflugverbot per Bundesgesetz

Von Matthias Matern

Leipzig/Potsdam - Nach der Absage des Bundesverwaltungsgerichts an eine generelles Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) hat Brandenburgs Linke bei Freund und Feind für Kopfschütteln gesorgt. Am Donnerstag wiesen die Leipziger Richter die Klagen von Anwohnern und Gemeinden rund um den Flughafen gegen die bestehende Nachtflugregelung ab und erklärten Flüge in den sogenannten Randzeiten zwischen 22 und 24 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr für vertretbar. Während Brandenburgs Linke-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers von „einem guten Tag für Wirtschaft und Beschäftigung“ sprach, teilte die Verkehrsexpertin der Linke-Fraktion im Landtag, Kornelia Wehlan, nur mit, ihre Partei nehme das Urteil zur Kenntnis. „Für die Linke ist es durch Zahlen und Analysen Fakt, dass Lärm gesundheitsschädlich ist. Wir halten es deshalb nach wie vor für geboten, über das Luftverkehrsgesetz eine Regelung für ein konsequentes Nachtflugverbot in dicht besiedelten Gebieten zu erwirken“, sagte Wehlan.

Damit vertritt die Fraktion nicht nur eine andere Position als ihr eigener Wirtschaftsminister, sondern stellt sich auch gegen ihren Koalitionspartner. SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck lobte das Urteil als „Bestätigung der ausgewogenen Arbeit der Planfeststellungsbehörde des Landes“. „Der Weg für die Startbahn in die Zukunft ist frei.“ SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher sagte, das „Gericht hat ein gutes Urteil gefällt“. Es bestätige, dass „die Interessen der Anwohner auf Lärmschutz ordentlich mit den Interessen des Flughafens und der Fluggesellschaften abgewogen und zu einem sinnvollen Kompromiss zusammengeführt wurden“.

Die Forderung des Koalitionspartners nach einem deutschlandweiten „Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr“ per Bundesgesetz tat die SPD-Fraktionsspitze gestern als ohnehin aussichtslos ab. „Ich glaube nicht, dass es dafür eine Mehrheit im Bundestag gibt“, meinte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Kralinski unbeeindruckt. Die Bundesregierung sei im Gegenteil eher für eine generelle Freigabe von Nachtflügen. Da könne man schon froh sein, wenn bestehende Regelungen erhalten blieben. Aus dem SPD-geführten Infrastrukturministerium von Jörg Vogelsänger hieß es, „vielleicht sollte sich Frau Wehlan mal mit Herrn Christoffers auseinandersetzen“. Dieser habe doch selbst das Urteil „mit flammenden Worten verteidigt“.

Angriffe aus der eigenen Partei, etwa zur weiteren Braunkohlenutzung oder zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid, hat der Wirtschaftsminister in der Vergangenheit immer wieder abperlen lassen. Zur Haltung seiner Fraktion beim Thema Nachtflüge sagte er gestern lediglich, es sei bekannt, dass es quer durch alle politischen Parteien unterschiedliche Auffassungen gebe.

Für die Linke jedoch führt das Leipziger Urteil zu einem Glaubwürdigkeitsproblem. Noch vor der Landtagswahl 2009 hatte die Partei die nun als rechtmäßig erklärten Nachtflugpläne von Brandenburgs Ex-Verkehrsminister Reinhold Dellmann (SPD) kritisiert. Landesumweltministerin Anita Tack (Linke), damals verkehrspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, warf Dellmann damals vor, der vorgelegte Planergänzungsbeschluss sei „eindeutig zugunsten der betriebswirtschaftlichen Interessen der Airlines“ ausgefallen. Es sei nicht ausreichend geprüft worden, ob die für die Randzeiten veranschlagten Flüge nicht auch tagsüber stattfinden könnten. Tack hatte sogar angekündigt, die Nachtfluggegner unterstützen zu wollen. Zu einem Koalitionsstreit mit der SPD hatte es die Partei bei diesem Thema bislang jedoch nicht kommen lassen.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel, hält die Forderung Wehlans deshalb für eine Schein-Rebellion. Er sehe zwar eine „verbale Diskrepanz zwischen Linke und SPD“, so Vogel. Er gehe aber nicht davon aus, dass diese „politische Auswirkungen“ habe, weil die „Linke auf Linie gebracht wird“. Die Partei stelle Forderungen aus der nächst höheren politischen Ebene, wo sie nicht in Verantwortung stehe, beim Flughafen Schönefeld aber, für den die Linke als Teil der Landesregierung zuständig sei, bleibe sie tatenlos, kritisierte der Grünen-Fraktionschef. Er sei sich sicher, dass die Linke „den Teufel tun“ werde, in einen offenen Konflikt mit der SPD zu gehen.

Während die Grünen gestern das Urteil „zutiefst“ bedauerten, sprach FDP-Fraktionschef, Andreas Büttner, von „einer guten Entscheidung für Brandenburg“. Die CDU, deren Fraktionschefin Saskia Ludwig erst vor Kurzem unerwartet den Standort Schönefeld generell infrage stellte, appellierte an die Landesregierung, die versprochenen Schallschutzmaßnahmen „schnell und im Zweifel zugunsten der Betroffenen“ umzusetzen.

Allerdings wird sich der Landtag mit dem Thema nochmals befassen müssen. Die für eine entsprechende Volksinitiative notwendigen 20 000 Stimmen haben die Nachtfluggegner wie berichtet bereits gesammelt.

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