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Brandenburg: Leibniz-Experte: Kreisreform unausgegoren

Institut aus Halle: Für in Brandenburg geplante Einkreisung kreisfreier Städte fehlt bislang fundierte, seriöse Grundlage

Potsdam - Die für 2019 angekündigte Kreisgebietsreform im Land Brandenburg hat bislang keine fundierte wissenschaftliche Grundlage. Das hat jetzt der Gebietsreformexperte Prof. Martin Rosenfeld vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zumindest in Bezug auf die von der rot-roten Regierungskoalition geplante „Einkreisung“ der kreisfreien Städte außer Potsdam gerügt.

Auf einer Pressekonferenz des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes in Potsdam kritisierte Rosenfeld am Dienstag, dass Vor- und Nachteile der „Kreisfreiheit“, die die von der Einverleibung in neue Großkreise bedrohten Städte Brandenburg, Frankfurt und Cottbus verlieren sollen, bislang „nicht systematisch untersucht“ worden sind. „Es fehlt eine fundierte empirische Grundlage, die nötig wäre.“ Diese nachzuholen, dies räumte Rosenfeld ein, sei mit dem derzeitigen Fahrplan für eine ab 2019 wirkende Reform eigentlich nicht mehr zu schaffen. Eine fundierte, spätere Reform sei aber immer noch besser als „eine nur auf der Basis von reinen Glaubensbekenntnissen“.

Rosenfeld befasst sich seit drei Jahrzehnten mit Kommunal- und Verwaltungsreformen. Aktuell forscht er zur Thematik der Kreisfreiheit in verschiedenen Bundesländern. In Rheinland-Pfalz und Thüringen gibt es aktuelle ähnliche Debatten. In dem Zusammenhang hat Rosenfeld, wie er betonte, „ohne Auftragsverhältnis“ eigenständig die beiden zentralen Einkreisungs-Gutachten unter die Lupe genommen, die das Fundament für die laufenden Reformvorbereitungen in Brandenburg sind – und war von sich auf den Städtebund zugegangen.

Es geht um die Gutachten für das Innenministerium und die Enquete-Kommission des Landtages, in denen Jörg Bogumil (Universität Bochum) die Einkreisung mit Verwaltungseffizienz und Gisela Färber (Universität Speyer) mit finanzwirtschaftlichen Vorteilen begründet hatten. Doch die beiden Gutachten haben, so Rosenfeld, Mängel, seien unsauber, „weil Alternativen zur Kreisfreiheit gar nicht untersucht wurden“. Es sei „unkritisch die Position des Auftraggebers übernommen worden, des brandenburgischen Innenministeriums“.

Als Beispiel führt er an, dass es keine empirischen Untersuchungen zu bereits durchgeführten Einkreisungen gab, etwa in Westdeutschland oder auch in  Brandenburg, wo  Eisenhüttenstadt und Schwedt bei der letzten Kreisgebietsreform 1994 ihren Status als kreisfreie Städte verloren hatten. Es werde einfach behauptet, dass „größer immer besser“ sein müsse, was aber nicht nachgewiesen sei, so Rosenfeld. Viele Vorteile ließen sich auch mit interkommunalen Kooperationen erreichen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht spreche jedenfalls vieles dafür, den größere Städten, den Oberzentren, auch einen entsprechenden administrativen Status zuzuerkennen, zumal deren Bedeutung angesichts der sich entleerenden Räume und der demografischen Entwicklung noch wachsen werde.

Die bedrohten „Kreisfreien“ sehen sich durch den Beistand der Koryphäe aus Halle in ihren Bedenken bestätigt. „Unsere Sorge ist es, dass mit einem Schnellschuss Pflöcke für Jahrzehnte eingeschlagen werden, zum Nachteil kommender Generationen“, warnte Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU). Die aktuelle Bundesgartenschau, aber auch die neue Medizinische Hochschule in Neuruppin seien ja ein Beweis, dass Kommunen „gut kooperieren können, ohne gleich zu heiraten“. Und der Frankfurter Amtskollege Martin Wilke (parteilos) verwies auf Greifswald und Neubrandenburg, die mit dem Verlust ihrer Kreisfreiheit bei der Kreisgebietsreform Mecklenburgs in ihrer Entwicklung behindert und geschwächt worden sind. „Man kann eine große Stadt nicht einem Landkreis unterordnen.“

nbsp;Thorsten Metzner

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